Debatte über Hapag-Lloyd-Aktien: Schnell an fünf Milliarden kommen
Hamburg hat einen Anteil von fast 14 Prozent an der Hapag-Lloyd-Reederei. FDP und CDU drängen auf einen Verkauf der Aktien, aber die SPD ist dagegen.
Als Hafenstadt war es für Hamburg wichtig, Sitz einer großen Reederei zu sein. Außerdem waren Arbeitsplätze im Hafen gefährdet. Und so kaufte die Stadt für über eine Milliarde Euro Anteile am Unternehmen.
Damals kostete eine Aktie etwa 47 Euro. Heute wird Hapag-Lloyd an der Frankfurter Börse für über 200 Euro gehandelt. Für den Hamburger FDP-Chef Michael Kruse ist das Grund genug, die städtischen Anteile wieder loszuwerden: „Die Ziele für den Kauf damals sind erfüllt“, sagt Kruse.
Aufgrund der aktuell guten wirtschaftlichen Lage sei die Unterstützung der Stadt nicht mehr nötig. „Und wann soll denn ein besserer Zeitpunkt zum Verkaufen sein als jetzt?“ Das sieht auch Götz Wiese so. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Hamburger CDU-Fraktion. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer“, sagt er. Die Stadt solle sich nicht ohne Grund an Unternehmen beteiligen.
Andreas Dressel, SPD, Finanzsenator der Stadt Hamburg
Für beide Politiker käme ein Verkauf allerdings nur in Frage, wenn sichergestellt werde, dass der Standort des Unternehmens in Hamburg bleibe. Aktuell kann die Stadt mit ihrer Beteiligung von knapp 14 Prozent eine Standortänderung blockieren. Das wurde beim Kauf so festgelegt. Bei eventuellen Verkaufsgesprächen müsste dieser Aspekt neu verhandelt werden.
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) möchte die Beteiligung der Stadt halten. „Die gute Entwicklung von Hapag-Lloyd zeigt, dass unsere Investition der richtige Schritt war“, sagt er. Er möchte, dass die Stadt auch in Zukunft im Unternehmen mitentscheiden kann. „Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass der maritime Standort Hamburg wächst und gedeiht“, sagt der SPD-Mann.
Allerdings sind die Möglichkeiten der Stadt, auf das Unternehmen Einfluss zu nehmen, begrenzt. Im 14-köpfigen Aufsichtsrat stellt Hamburg nur ein Mitglied. Und auch die Reederei teilte auf taz-Anfrage mit, den Hamburger Hafen nicht zu bevorzugen. Er befinde sich „im Wettbewerb mit vergleichbaren Häfen in Europa“, heißt es von Hapag-Lloyd.
Den von Kruse genannten Erlös von fünf Milliarden Euro hält Dressel für unrealistisch: „Es zeugt nicht gerade von finanzpolitischer Kenntnis, solche Mondsummen aufzurufen.“
Tatsächlich stufen einige Investment-Analysten das Unternehmen als überbewertet ein. Die Aktie werde für mehr Geld gehandelt, als sie eigentlich wert sei. Das liegt daran, dass nur 3,6 Prozent der Anteile an der Börse gehandelt werden. Der Rest ist in den Händen von großen Investoren wie der Stadt Hamburg oder dem Milliardär Klaus-Michael Kühne. Durch das geringe Angebot an Aktien steigt der Preis der einzelnen Anteile. Wenn die Stadt allerdings ihre gesamten 14 Prozent auf einmal verkaufen würde, ist fraglich, ob damit tatsächlich um die fünf Milliarden Euro erzielt werden könnten.
Dicke Rendite
Laut Dirk Süß, dem Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Weltwirtschaft, wäre ein Verkauf ohnehin nur sinnvoll, wenn die Milliarden dann besser investiert werden könnten: „Vor einem Verkauf der Anteile sollte über die Verwendung der Erlöse nachgedacht werden.“ Investitionen seien Konsum vorzuziehen. Auch sei es angesichts niedriger Zinsen aktuell nicht so wichtig, Schulden zu tilgen, so Süß.
Dass es Hapag-Lloyd mittlerweile wirtschaftlich gut geht, ist unumstritten. „Das Unternehmen ist sehr gut aufgestellt für die Zukunft“, sagt auch FDP-Mann Michael Kruse. Er kennt die Reederei noch gut aus seiner Zeit im Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft. Auch die Rendite, die Hamburg durch seine Anteile bekommt, ist gut. Für das Jahr 2020 zahlte Hapag-Lloyd 3,50 Euro pro Aktie. Mit dem Kaufpreis der Stadt 2009 verrechnet ist das eine Rendite von über sieben Prozent. In der neuesten Analyse der Warburg-Bank gehen Analysten sogar von 15 Euro pro Aktie aus. Für Hamburg wäre das eine Rendite von fast 32 Prozent. Kurz gesagt: Aktuell kann man sein Geld kaum besser anlegen.
Auch bei Hapag-Lloyd selbst zeigt man sich zufrieden mit der Beteiligung Hamburgs. Die Stadt sei „ein sehr zuverlässiger, geschätzter und erwünschter Eigentümer“, schrieb das Unternehmen in einer E-Mail an die taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja