Debatte über DDR-Aufarbeitung: Opferverbände ruhigstellen
Es wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht einzuführen. In dem Vorschlag werden alle Restposten auf das neue Amt abgeladen.
D erzeit wird diskutiert, einen Beauftragten für die Opfer von SED-Unrecht einzuführen. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das keineswegs selbsterklärend. Nötig ist es vor allem deshalb, weil die Vielzahl und Vielfalt der Verletzungen von Menschen und Menschenrechten und ihre Langzeitwirkungen lange unterschätzt wurden.
Mit der Rehabilitierung und Haftentschädigung von politischen Gefangenen war es eben nicht getan. Doch manches an dem Vorschlag irritiert. Der Opferbeauftragte soll bei der Einschätzung von Stasibelasteten („Tätern“) mitwirken. Derartige Widersinnigkeiten zeigen, es geht nicht nur um späte Einsicht. Man will auch die Opferverbände ruhigstellen, wenn gleichzeitig der Stasi-Unterlagenbeauftragte abgewickelt wird.
Folge dieses Deals: Dem Opferbeauftragten werden Restposten zugeschoben, die bei der Übergabe der Stasi-Akten an das Bundesarchiv übrig sind. Er soll offenbar unter anderem von der Jahn-Behörde die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und als einzige Bundesbehörde ungefilterten Zugang zu allen Stasi-Unterlagen haben. Ein derartiges Sammelsurium schadet den Menschen, denen geholfen werden soll.
Die Ungereimtheiten sind ein Symptom für Probleme, die bei der Abschaffung des Stasi-Unterlagenbehörde ungelöst sind: Ihre zwölf ostdeutschen Außenstellen, die gerade heute als Garanten für menschenrechtsbasierte Aufarbeitung dem populistischen Zeitgeist widerstehen könnten, sind keineswegs gesichert. Ihr Weiterbestehen wurde zur Beruhigung versprochen, eine gesetzliche Garantie fehlt.
ist Historiker, Buchautor („Im goldenen Käfig. Die DDR-Anwälte im politischen Prozess“, 2017) und Sprecher des Bürgerkomitees 15. Januar
Dass künftig beamtete Archivare Akten verwalten, die kein normales Archivgut sind, wird dadurch verkleistert, dass der Opferbeauftragte das Bundesarchiv beraten soll. Statt zum Opferbeauftragten mutiert das Amt zum Aufarbeitungsbeauftragten, den keiner will und keiner braucht. Aufarbeitung muss plural statt staatlich zentralisiert sein. Der Gesetzgeber sollte das Profil des Opferbeauftragten auf die Kernaufgabe konzentrieren: die Hilfe für die, die unter der SED-Diktatur gelitten haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken