Debatte in Pariser Nationalversammlung: Mit parlamentarischen Manövern gegen Reformen
Die linke Fraktion La France insoumise wollte das Rentenalter angehen und das Vergewaltigungsgesetz reformieren. Regierungsparteien verhinderten dies.
Zum Votum kam es jedoch nicht, weil es den Abgeordneten der Regierungsparteien (Macronisten und Konservative) gelang, mit unzähligen rein formellen Anträgen die Debatte bis Mitternacht hinauszuzögern. Das war ihr Recht, empörte aber die linke Opposition, die von „Obstruktion“ sprach.
Der erste Gesetzesantrag hatte zum Ziel, die umstrittene Rentenreform rückgängig zu machen und das 2023 auf 64 Jahre erhöhte gesetzliche Ruhestandsalter wieder – wie vor der Reform – auf 62 zu anzusetzen. Eine großen Mehrheit der Franzosen und Französinnen hatte dies in Meinungsumfragen gewünscht. Neben den linken Fraktionen wollte angeblich auch das rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen diesem Antrag zustimmen. Zusammen hätten die Stimmen der Opposition von links und rechts eine Mehrheit gegen die Regierung ergeben.
Die heilige Kuh „Rentenreform“
Die Rentenreform aber stellt für Staatspräsident Emmanuel Macron und seine Regierung mit Premierminister Michel Barnier als wichtigster Erfolg der zweiten Amtszeit eine heilige Kuh dar.
Die Geschäftsordnung der Nationalversammlung lieferte den Angeordneten der Mitte-Rechts-Regierungskoalition die legalen Instrumente, um die Debatte in ein endloses Palaver über Prozedur, Formulierungen und unbedeutende Änderungen zu verwandeln. Das Ergebnis stand damit fest: Bis zum Ablauf der Frist um Mitternacht konnte über die grundsätzliche Frage nicht mehr abgestimmt werden.
In der Nähe der Nationalversammlung protestierten ein paar Sympathisanten der Linken gegen diese „Demokratieverhinderung“ durch die Regierung. Im Ratssaal kam es um ein Haar zu einer handfesten Auseinandersetzung, als ein Abgeordneter der Regierungspartei MoDem sich wütend auf einen LFI-Kollegen stürzen wollte.
Opfer dieser parlamentarischen Manöver wurde auch der zweite LFI-Antrag auf eine Reform des Strafrechts zu sexueller Gewalt und Vergewaltigung. Eine explizite Zustimmung zu Sex müsse vorliegen, im Sinne von „Nur Ja heißt Ja“.
Strafrechtsreform bleibt auf Tagesordnung
Diese Forderung, gegen die in Frankreich auch ein Teil der feministischen Organisationen Bedenken geäußert haben, bekam im Kontext des Vergewaltigungsprozesses Pélicot in Avignon eine zusätzliche Aktualität.
Es geht um die Vergewaltigung von Gisèle Pélicot, die von ihrem Ehemann, Dominique Pélicot, betäubt und durch rund 100 auf dem Internet angeworbene Männer vergewaltigt worden war. Bei den Verhandlungen vor Gericht hatte die Verteidigung anfänglich versucht, dem Opfer, Gisèle Pélicot, zu unterstellen, sie habe dem in einer gewissen Weise zugestimmt.
Gerade diese Antrag konnte vor der Debatte in der Versammlung auf eine breite Billigung hoffen. Doch das Thema der erforderlichen Zustimmung zu Sex bleibt auf der Tagesordnung des französischen Parlaments. Denn ein damit beschäftigter Ausschuss hat sich dafür ausgesprochen, dies im Gesetz zu verankern. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am vergangenen 8. März gewünscht, dass die Bedingung einer Zustimmung im Gesetz stehen müsse.
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