Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Lieber Orangen als Rote Bete
In einer Europadebatte scheut die Linke Macron, die AfD denkt an einen EU-Austritt – und die FDP schafft es, auch ihr Lieblingsthema Tegel anzusprechen.
Macron? Er kriegt den Namen einfach nicht über die Lippen. Carsten Schatz, der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, bat im Abgeordnetenhaus die in Berlin lebenden Franzosen zwar eindringlichst und sogar in deren Sprache, am Sonntag gegen die Präsidentschaftskandidatin der Rechtspopulisten zu stimmen, und das nicht per Enthaltung.
Doch die einzige daraus folgende Konsequenz klar zu benennen, nämlich ihren Mitte-links-Gegenkandidaten Emanuel Macron zu wählen, das blieb aus. „Tatsächlich kein klares Bekenntnis der Linken zu Macron“, kommentierte Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek gegenüber der taz und sah sich in ihrer Kritik an der französischen wie der deutschen Linken bestätigt, dadurch einen Sieg der Rechtspopulisten zu riskieren.
60 Jahre Römische Verträge, Grundlage der heutigen Europäischen Union, war der eigentliche Anlass, am Donnerstag im Parlament über Landes- und Bundesgrenze zu schauen. Frankreich mit der Wahl des Staatsoberhaupts am Sonntag konnte da nicht außen vor bleiben. Vor allem, weil der Jahrestag der Verträge schon Ende März war und sich die Linksfraktion erst jetzt überlegt hatte, darüber in der Aktuellen Stunde, der zentralen Debatte der Sitzung, zu sprechen.
Es wurde zu einem Aufeinandertreffen völlig konträrer Haltungen: Schatz und andere Redner der rot-rot-grünen Koalition forderten ein Ende der Austerität, jener von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der EU durchgesetzten Sparpolitik, während die CDU Schäubles Linie stützte.
Für die AfD-Fraktion forderte Hugh Bronson mehr Einfluss der EU-Mitgliedsländer. Sollten Reformbemühungen scheitern, darf es aus Sicht des AfD-Abgeordneten „auch kein Tabu mehr sein, über einen Austritt Deutschlands aus der EU zu verhandeln“.
Als abschließend für die FDP nicht deren europapolitischer Sprecher Marcel Luthe, sondern Fraktionschef Sebastian Czaja ans Mikro trat, ging der Blick automatisch zur Uhr: Wie lange würde es dauern, bis Czaja eine Verbindung von Europa zu seinem Lieblingsthema Flughafen fand, Tegel wie BER? Nach rund fünf Minuten war es unter Gelächter im Plenum tatsächlich so weit, Czaja sah auch in einem funktionierenden Flughafen einen Beitrag zu Europa.
Wobei die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für ihn auch ganz kleinteilig ausfallen kann: Eine Orange aus Spanien im Stiefel zu Nikolaus, argumentierte der FDP-Mann, „sorgt bei den Kindern für mehr Freude als Rote Bete aus der Uckermark.“
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