Debatte im Abgeordnetenhaus: Saleh drängt Grüne
SPD-Fraktionschef will die neue zentrale Einbürgerungsbehörde im Haushalt festschreiben, die Grünen wollen erst mal ein Konzept haben.

Die SPD hat das Thema der Aktuellen Stunde, der zentralen Parlamentsdebatte, bestimmen dürfen und ihr Fraktionschef Raed Saleh leistet als erster Redner die Vorarbeit für das, was später von Giffey zu hören sein wird. Eine „Lebenslüge“ der Politik sieht er darin, dass man über Jahrzehnte davon ausging, dass Gastarbeiter und Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden.
Das habe man auch über seinen Vater gesagt, der 1982 mit seiner Familie aus Palästina nach Berlin kam. „Wir sind da und wir werden bleiben“, sagt Saleh. „Berlin ist bunt und multikulturell und Heimat der Vielen.“ Als Beleg zitiert er dazu Deutschlands Großdichter Goethe: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Erneut drängt Saleh auch darauf, dass die Finanzierung des in der Koalition verabredeten Landeseinbürgerungszentrums noch in den Haushalt kommt, der Ende Juni beschlossen wird – es soll helfen, die Zahl der Einbürgerungen von derzeit 6.000 pro Jahr auf 20.000 zu steigern. Über das Geld dafür hatte er sich schon als Gast bei der Grünen-Fraktionsklausur am Samstag mit Finanzsenator Daniel Wesener gestritten. Ob die Grünen das mittragen, wird nicht ganz klar. Ihr Redner Jian Omar befürwortet zwar die zentralisierte Einbürgerung. Doch sei klar: „Eine Überschrift ist noch lange kein Konzept.“
FDP kontert AfD aus
In der CDU verpasst es Fraktionschef Kai Wegner erneut, mit einem eigenen Auftritt die Oppositionsführerschaft zu beanspruchen. Fachpolitiker Björn Wohlert trägt die CDU-Position zwar souverän vor – „Wir sind tolerant, aber wir tolerieren nicht Intoleranz.“ Aber die Rolle des Oppositionsführers kann so wieder einmal der Chef der kleinsten der sechs Fraktionen untermauern, Sebastian Czaja von der FDP.
Der kontert staatstragend die Rede von AfD-Chefin Kristin Brinker, die sich dem Zuwanderungsthema über die Berliner Historie genähert hat. Diese Geschichte aber lehre, „dass jemand, der Hass sät, nie wieder politische Verantwortung übernehmen darf“, sagt Czaja unter der Beifall auch sehr vieler Koalitionsabgeordneter. Brinker, auch das ist ein interessanter Moment an diesem Morgen, hatte auch noch erzählt, dass sie jeden Migranten verstehen könne, der sich auf den Weg nach Europa mache – „Ich würde es genauso machen.“ Aber man müsse im Abgeordnetenhaus eben die Interessen der Berliner vertreten.
Bei diesen Worten macht sich Regierungschefin Giffey, die nur ein paar Meter von ihr entfernt sitzt, eine Notiz. Auf die wird sie kurz darauf zurückgreifen, als sie selbst am Mikro steht. Denn Brinkers Sicht teilt sie gar nicht. Die Berliner sind für Giffey eben nicht nur hiesige Ureingeborene, sondern alle in der Stadt, „egal woher sie kommen und wie lange sie hier bleiben“. Daran könne es überhaupt keinen Zweifel geben.
Wobei es kurzzeitig und parteiübergreifend eine Ausnahme von dieser Willkommenskultur gibt, zumindest mit Blick auf Tagesgäste aus Hamburg, die am Abend beim Entscheidungsspiel über Bundesliga-Auf- und Abstieg das Olympiastadion bevölkern werden. Denn dass auch mehrere FDP-Abgeordnete Innensenatorin Iris Spranger (SPD) beklatschen, hat die mit einer eindeutig lokalpatriotischen Ansage ausgelöst: „Hertha wird 2:0 gewinnen.“
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