Debatte bei Hamburger Ökopartei: Die politische Blässe der Grünen
Der Altgrüne Kurt Edler wirft seiner Partei Identitätsschwäche und das Versiegen ihrer Diskurskultur vor: Bei Themen wie dem Islamismus gäbe es viele blinde Flecken
Im Interview machte der Mitbegründer und Ex-Landeschef der GAL bei den heutigen Grünen „einen Debatten- und Diskursverlust“ aus, „der fast schon ein Politikverlust“ sei. Politik werde „nur noch als Fertigprodukt serviert“, die Mitglieder seien „Zuschauer im eigenen Laden“ und die Nachwuchs-Grünen handzahm: „Die Angst einen kantigen Gedanken auszusprechen, ist bei jungen Grünen vorhanden, die ein konfliktscheues Grundmuster von Politik so verinnerlicht haben, dass es zu ihrer Identität gehört.“
Dass die innerparteiliche „Diskussionskultur auf den Hund gekommen“ ist, führe dazu, dass es in der Partei keine „politische Sicht auf die neue Weltlage“ gäbe und etwa „der Islamismus ein blinder Fleck“ bei den Grünen sei. Nach den Kölner und Hamburger Neujahrsattacken und den Meldungen über Übergriffe in den Flüchtlingsheimen habe sich die Partei nicht „mit dem despotischen Patriarchat“ auseinander gesetzt, sondern sich mehrheitlich für „eine Parteinahme für ´die´ Migranten“ und damit gegen Frauenrechte entschieden.
Diese Breitseite wollen die Grünen so nicht auf sich sitzen lassen und feuerten am Sonntag aus allen Rohren zurück. Edlers Kritik sei teilweise „infam“ befand Justizsenator Till Steffen: gerade die Grünen hätten nach den Sislvesterübergriffen gegen Frauen „eben nicht bagatellisiert“ sondern „mit der Forderung nach einem deutlich klareren Sexualstrafrecht reagiert“, in dem die Maxime „Nein heißt Nein!“ im Fokus stehe.
Zudem hätten gerade Hamburgs Grüne „gegen anfängliches Zögern der SPD getrennte Unterbringungsbereiche für Frauen gefordert“ und schon seit Jahren Diskussionen über die „Entstehungsformen von Islamismus“ organisiert. Lediglich der Kritik Edlers an einer lahmenden Diskurskultur gibt Steffen teilweise Recht: Die „innerparteiliche Dabatte“ sei „schon mal lebhafter“gewesen, „mehr Mut sich vorzuwagen könnte gut tun.“
Während die Grüne Landesvorständlerin Katja Husen beklagt, Frauen seien in der Kritik des „neuentdeckten Frauenrechtlers“ Kurt Edler nur Mittel zum Zweck“ verweist Parteichef Michael Gwosdz darauf, dass Hamburgs Grünen sich in einer gut besuchten Arbeitsgruppe mit dem Thema Salafismus „über einen längeren Zeitpunkt intensiv“ beschäftigt hätten. Die Bürgerschaftsabgeordnete Stefanie von Berg im Gespräch mit der taz Edler vor, „mit seiner Kritik, wir würden den Feminismus auf dem Altar der Toleranz gegenüber den muslimischen Verbänden opfern, vollständig die innerparteilichen Debatten“ auszublenden. Es gehe darum „den Islam differenziert zu betrachten und zugleich für die Frauenrechte zu streiten“.
Während alle führenden Funktionsträger der Hamburger Grünen die Kritik Edlers abkanzelten, erhielt der grüne Kritiker in den sozialen Medien viel Zuspruch. Und hat damit ein Ziel erreicht: Die Diskussion in und um die Grünen mal wieder ordentlich zu beleben.
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