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Debatte Vergewaltigung im KriegVermiedene Erinnerung

Kommentar von Monika Hauser

Die Vergewaltigungen von Frauen im 2. Weltkrieg werden in Deutschland kaum diskutiert. Auch in „Unsere Mütter, unsere Väter“ dienen sie nur als Stilmittel.

Beide erleben im Laufe des ZDF-Films „Unsere Mütter, unsere Väter“ sexuelle Übergriffe: die Figuren Charlotte und Greta. Bild: ZDF / David Slama

D er ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ zeigt wieder einmal, dass das weit verbreitete Vorkommen von sexualisierter Gewalt an Frauen und Mädchen im Kontext des Zweiten Weltkriegs und nach Kriegsende immer noch kaum Beachtung erfährt. Vielmehr dient die Darstellung dieser Form der Gewalt gegen Frauen im Film vor allem als Stilmittel.

In den vergangenen Jahren haben Forscherinnen und Journalistinnen viele Fakten zu Gewalt und den Strukturen des Nationalsozialismus gesammelt. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen war ein wirksames Mittel der Einschüchterungs- und Terrorpolitik im NS-Staat, beim Holocaust, bei der Okkupation fremder Staatsgebiete und durch die Alliierten zum Kriegsende und danach. Eine angemessene Aufarbeitung dieser Verbrechen gegen Frauen und der damit verbundenen Traumata der Vergewaltigungen hat in der deutschen Nachkriegsgesellschaft jedoch nicht stattgefunden. Weder ist eine Erinnerungskultur entwickelt worden, noch haben die Frauen Hilfe erfahren.

Ganz im Gegenteil: Sie wurden ausgegrenzt und stigmatisiert, auch von ihren Familien. Sie haben gelernt, ihre Gefühle einzufrieren, zu funktionieren. Viele von ihnen beschreiben, wie nach dem Trauma der Gewalt das jahrzehntelange Trauma des Verschweigenmüssens folgte. Wo konnte die damals 19-Jährige aus Pommern trauern, dass ihr in den Tagen der Flucht ihr Körper und ihre Seele so zerstört wurden, dass sie bis heute an den Folgen leidet? Ihrem Ehemann konnte oder durfte sie nicht davon berichten, seine Reaktion fiel nicht selten so aus: „Wie konntest du mir das antun?“

medica mondiale
Monika Hauser

ist Gynäkologin. 1993 gründete sie die NGO medica mondiale mit dem Ziel, kriegstraumatisierte Frauen medizinisch und psychologisch zu unterstützen. 2008 wurde sie mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Was bedeutet es für jede Einzelne und für das Kollektiv, dass Frauen „darüber“ nie sprechen konnten, die traumatischen Auswirkungen aber bis heute in die Gesellschaft hineinwirken? Wie oft schreiben uns alte Frauen von ihren traumatischen Erfahrungen – und dass unsere Arbeit sie ermutigt habe, jetzt doch noch davon zu berichten, oft zum ersten Mal. Es darf nicht sein, dass nur noch Frauenorganisationen ein Interesse zeigen an der Wahrheit dieser Frauen. Auch heute noch können wir ein Stück Gerechtigkeit herstellen.

Schätzungsweise 1,9 Millionen Vergewaltigte

Die Tochter einer 1945 vergewaltigten deutschen Frau beschrieb exemplarisch in einem Brief an medica mondiale die Auswirkungen der nie bearbeiteten Erfahrungen ihrer Mutter auf die Biografie der gesamten Familie: chronische Krankheiten, Panikattacken, Suizidversuche, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, die Unfähigkeit, soziale Bindungen einzugehen und Sexualität freudvoll zu erleben.

Dies alles betraf nahezu all ihre Familienmitglieder, auch sie und ihren Bruder in der nächsten Generation. Sie selbst erlebte die Geburt ihres eigenen Kindes als extrem traumatisch. Erst Jahre später konnte sie den Zusammenhang zu den Gewalterfahrungen ihrer Mutter herstellen – es ist also davon auszugehen, dass auch ihr Kind, also die übernächste Generation, betroffen ist. In wie vielen Familien haben die unverarbeiteten Gewalterfahrungen wohl solche deutlichen Spuren hinterlassen?

Alleine in den letzten Kriegstagen und danach wurden schätzungsweise 1,9 Millionen deutsche Frauen vergewaltigt, so Helke Sander und Barbara Johr in „BeFreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigung, Kinder“. Diese Erlebnisse prägen die Biografien vieler Frauen, ihre Familien und die nachfolgenden Generationen.

Heute sind diese Frauen 80 bis 100 Jahre alt. Jene, die noch leben, sprechen kaum über ihre Erfahrungen, sind aber ob ihres Alters mit Situationen konfrontiert, die Erinnerungen an erlebte Gewalt wachrufen können. Sie sind verstärkt auf die Hilfe anderer angewiesen, bei der Körperpflege oder bei Krankheiten. Die damit verbundenen Gefühle von Hilflosigkeit und Kontrollverlust werden unweigerlich mit vergangenen Erfahrungen verbunden.

Kaum Traumaorientierte Pflege

In der Altenarbeit lassen ihre Reaktionen erahnen, dass traumatisierende Erfahrungen wie frauenspezifische Kriegserlebnisse nie thematisiert oder gar aufgearbeitet wurden. Noch immer erhalten sie keine empathische Unterstützung, sondern erleben in Pflegeheimen unsensible Behandlung und fachliche Unkenntnis. Hier muss die Fachwelt endlich ihre ahistorische, oft genug auch hilflos-gleichgültige Haltung aufgeben, biografische Zusammenhänge wahrnehmen und so Retraumatisierungen verhindern.

Martina Böhmer, Referentin und Beraterin in der Altenhilfe, berichtet von einer Frau, die beim Einzug in ein Heim nach ihren Wünschen gefragt wird. Sie antwortet, dass sie aufgrund einer früher erlittenen Vergewaltigung nicht von Männern versorgt werden will. Das sagt man ihr zu und trotzdem steht am nächsten Morgen ein Pfleger vor ihr, der sie wäscht und anzieht. Traumaorientierte Pflege sieht anders aus. Ganz absurd wird es, wenn etwa männliches Pflegepersonal mit einem osteuropäischen Akzent bei den Frauen mit unverarbeiteten Gewalterlebnissen Flashbacks auslöst.

Noch keine Rede einer Kanzlerin oder eines Bundespräsidenten galt bis heute – fast 70 Jahre nach Kriegsende – den kriegsvergewaltigten Frauen. Niemand widmete ihnen ein Mahnmal, niemand machte Anstrengungen in Richtung Aufarbeitung und Entschädigung. Diese Ignoranz schmerzt die Betroffenen zutiefst. Es ist an der Zeit, diesen Frauen in unserer Erinnerung einen angemessenen Raum zu geben. Es ist an der Zeit, das Leid anzuerkennen, das sie erlitten – ebenso wie die ungeheure Kraft, mit der diese Frauen ums Überleben kämpften, für ihre Kinder sorgten und den Wiederaufbau leisteten. Es ist an der Zeit, über diese Verbrechen zu reden und den wenigen noch Lebenden Mut zu machen.

Die Aufmerksamkeit von JournalistInnen für das Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen kann hier einen wichtigen Aufklärungsbeitrag leisten. Es ist Zeit zu sprechen, damit die Kette von Gewalt und Trauma durch die Generationen hindurch unterbrochen wird – und die Töchter und Söhne und Enkel nicht immer wieder Täter- und Opferidentitäten reproduzieren müssen.

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30 Kommentare

 / 
  • M
    Marc

    Ich habe selbst viel mit Frauen mit diesen Erlebnissen / den Ängsten und der Flucht davor gearbeitet, ebenso mit der 2. und 3. Generation.

    (Mit Männern und deren Erlebnissen und den Familiengeschichten daraus auch).

     

    Mich erstaunt immer wieder, wie blind der überwiegende Anteil der "Linken" gegen ihre emotionalen Wurzeln ist, und dadurch letztlich die emotionalen Strukturen nur wiederholt und aufrecht erhält.

     

    Oder ist der Zusammenhang wirklich noch niemandem aufgefallen: 2003 wurden Stalins Kriegstagebücher Historikern geöffnet. Darin bejubelt er, dass die Rote Armee beim Vorrücken in WK II 2 Millionen Kinder gezeugt hat (Oder glaubt jemand, dass die Kondome benutzt haben?). Der Unterschied zu den West-Aliierten ist nur, dass da Vergewaltigungen nicht befohlen, sondern durch Wegschauen toleriert waren, und dass "Essen gegen Sex" nicht als Vergewaltigung gilt (und heute sogar als legitimes Recht von Power-Frauen gehandelt wird).

     

    Wer Kopfrechnen kann, kommt schnell auf die Zahl 68 einschließlich Frauenbewegung. Da findet dieser Krieg noch heute statt, mindestens im emotionalen Hintergrund. Und es geht nicht nur um die vergewaltigten Frauen, sondern auch um die Kinder, die übrigens beide Geschlechter haben können.

     

    Und deshalb ist die Geschlechter-Diskussion auch so schwierig:

    Die Mehrheit will gesellschaftliche Unterstützung für ihre Liebes- und Familienbeziehungen, während die Polit- und Pädagogenkaste, also diejenigen, die ihre emotional empfundene Machtlosigkeit mit gesellschaftlicher Macht über Andere verdrängen wollen, ihren Krieg fortführen will.

    Wen wundert es da, dass das Erziehungskonzept einer Margot Honecker heute als letzter Schrei des Kindeswohls und der Frauenbefreiung gehandelt wird, und dann die Presse irritiert ist, wenn sich bei Umfragen herausstellt, dass die Mehrheit der Eltern tatsächlich ein umfangreiches Familienleben wünscht, und nicht nur Sonntags?

     

    Da aber, wie hier in einigen Kommentaren zu lesen ist, die "stillen" Opfer ganz andere Bedürfnisse als einen Geschlechterkrieg haben, nämlich ähnliche wie Menschen in Vollfamilien, wurden und werden sie nicht nur von der sog. Linken nicht gehört, sondern ihr Leid auch noch mißbraucht.

     

    Die damaligen Opfer und Ihre Kinder, die hier schreiben, vermeiden keine Erinnerung, sondern ihr. Und damit eben auch die Erinnerung an die Bedürfnisse und Fähigkeiten, die durch die Traumatisierungen in der Familienhistorie verschüttet wurden.

  • B
    Brigitte

    Das Thema nimmt mich jedesmal mit. Ich musste 49 Jahre alt werden, bis ich nach Ermutigung durch einen Therapeuten all meinen Mut zusammengenommen und meine Mutter, die bei Kriegsende in Pommern 14 Jahre alt war, endlich gefragt habe, ob sie auf der Flucht vergewaltigt wurde. Sie hat erstaunt nein gesagt. Es hörte sich authentisch an, aber ich weiß nicht, ob es wirklich stimmt. In einem Lebenslauf, den sie schon für ihre Beerdigung vorbereitet hat, schreibt sie von "Demütigungen", ohne dies auszuführen. Im Haus ihrer Eltern war die russische Kommandantur einquartiert. Auf einem ersten Treffen mit 60 Jahren mit Menschen aus ihrem Dorf, in dem diese schlimme Zeit noch einmal "aufgewärmt" wurde, bekam meine Mutter einen Schlaganfall, den mein Vater auf die starke emotionale Bewegung zurückführt. Aus Sorge hat er auch verhindert, dass ich mit meiner Mutter in ihren Heimatort, der jetzt in Polen liegt, fahre, obwohl sie eine Freundin, die dort geblieben ist, gerne noch einmal besucht hätte.

     

    Mein Vater, der an der Grenze zu Frankreich in Süddeutschland lebt, hat das Kriegsende als Achtjähriger erlebt. Sein Vater musste seine Mutter im Garten mit der Mistgabel gegen einen nordafrikanischen "Befreier" aus der französischen Armee verteidigen. Laut meinem Vater gelang es meinem Großvater, die Vergewaltigung zu verhindern. Der Soldat zog mit allen Hühnern davon. Ich hoffe, die Geschichte stimmt. Nach etwa einer Woche Plündern und Vergewaltigen, die angeblich vorher von de Gaulle "in Aussicht gestellt" worden war, zog die französische Armee die Notbremse und begann, die Täter hart zu bestrafen. Die betroffenen Frauen und Mädchen konnten sich melden. Mein Vater leidet wie ich an einer Essstörung und war, als er in die Pubertät kam, schon ein richtiger Brocken. Als Baby wurde ich gemästet.

     

    Wir sind drei Töchter. Zwei sind verheiratet - eine davon hat sich erst mit über 40 getraut. Nur eine hat Kinder. Zwei von uns sind kinderlos und depressiv. Ob das alles an unserer Situation als Kriegsenkelinnen liegt, weiß ich beim besten Willen nicht. Vielleicht haben wir auch einfach nur die entsprechenden Gene mitbekommen...

  • S
    Sibylle

    Dem Kommentar von Monika Hauser ist nichts hinzuzufügen. Sie weiß, wovon sie schreibt und spricht und kann jedes Wort belegen.

    Nur eins ist falsch in dem Kommentar: Es gibt sehr wohl ein Mahnmal, das an die vergewaltigten Frauen und Mädchen des 2. Weltkrieges erinnert: Es ist ein Stein auf dem Neuköllner Hauptfriedhof in der Liliethalstrasse: Am Hauptweg rechts, nicht weit vom Eingang. Er wurde im November 2001 in aufgestellt. Er wird augenscheinlich oft besucht, denn es liegen immer Blumen davor.

  • E
    eva

    Der osteuropäische Dialekt - ja, so unsubtil kann man andeuten, wer damals vergewaltigt hat. Natürlich der böse Russe. Und nicht die heldenhaften Befreier aus dem Westen.

     

    Im Süden und Westen Deutschlands haben andere Soldaten auf Frauen Jagd gemacht und sie vergewaltigt. Soldaten in amerikanischer Uniform. Meine Mutter hat davon erzöhlt, dass das mehreren Mädchen in ihrem Dorf passiert ist. Sie haben die Amerikaner nicht als "Befreier" erlebt. Und diese Befreier blieben, saßen und sitzen in Massen in Süddeutschland herum und haben noch in den 80ern mit ihren Panzern unsere Dorfstraßen zertrümmert.

     

    Meine Mutter hat sich ihr ganzes weiteres Leben lang vor den Amerikanern gefüchtet. Davon gesprochen hat sie jahrzehntelang nicht. Die Amis waren ja unsere "Freunde" und "Befreier".

     

    Warum sie uns dazu vergewaltigen mussten, ist mir schleierhaft. Anders als in Rußland, haben deutsche Soldaten auf amerikanischem Boden nichts getan, was sie zu einer deratigen Rache hätte motivieren können. Aber als Amerikaner darf man eben alles. Viel scheint sich daran noch nicht geändert zu haben.

  • WW
    Wolfgang Weege

    hab den 3-Teiler auch gesehen.

    Was am meisten vergewaltigt wurde, waren die Lungen aller Schauspieler.

    Das Machwerk war eine einzige Tabak-schleichwerbung.

  • I
    irmi

    in keinem Krieg der Vergangenheit wurde so grausam und in einem unermeßlichem Umfang vergewaltigt wie im Kongo. Das bestätigen mehrere Hilfsorganisationen.

     

    Doch wird das Drama vom Kongo in Detschland viel zu wenig bekannt gemacht. Es gibt eine Klinik in Panzi, der Doc. flickt die durch Vergewaltigung grausam verstümmelten Frauen irgendwie zusammen. Doch was dann.

     

    Die Frauen werden von ihren Männer vertrieben, auch vom Rest der Familie, vom Dorf. Wer hilft den Frauen dort. Wer versorgt die Kinder der Vergewaltiger. Selbst die Kinder aus der Vergewaltigung erleben Traumata, sie werden geschlagen, dürfen das essen was übrig bleibt, ihnen wird ständig klar gemacht das sie von einem Vergewaltiger abstammen. Die Frauen haben es schwer zu überleben ohne den Halt der Familie und dann noch die Erinnerung was ihnen geschah.

    Tausende Frauen haben die Art der grausamen Vergewaltigung nicht überlebt.

  • A
    aujau

    Wer in Kriegen vergewaltigten Frauen bei stehen will, thematisiert auch die allgemeine Verbreitung von sexualisierter Gewalt als Sozialisationsfaktor in den meisten Gesellschaften der Welt.

    Häuser erwähnt in ihrem Artikel den Film BeFreier und BeFreite von Helke Sander. Allen, die Häuser Geschichtsrevisionismus und Nähe zu Erika Steinbach vorwerfen, sei dieser Film empfohlen.

  • A
    aufschreiber

    @crategutt

     

    Nein, es ist ein rechter, revanchistischer Artikel. 1,9 Millionen deutsche Frauen vergewaltigt - niemand würde bestreiten, dass das schlimm ist.

     

    Aber es ist genau das, was der ganze Film ist: Eine Darstellung der ach so armen, durch die Nazis brutalisierten und schließlich durch die bösen Russen traumatisierten Deutschen, seien es nun Frauen oder Männer.

     

    Wie viele jüdische, polnische, russische Frauen wurden vergewaltigt? Was ist mit ihren Traumata?

     

    Pfui TAZ. Schreibt lieber bei anständigen Zeitungen wieder der Süddeutschen ab.

  • Z
    Zilla

    @A.Franke: Du hast völlig Recht und sprichst mir aus der Seele!

  • P
    Pete

    Das so ein schrottiger TV Film für dieses Thema herhalten muss ? Es gibt schon viele Jahre das Buch Anonyma. Eine Frau in Berlin: Tagebuch-Aufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945. Lesen bildet !

  • C
    Crategutt

    Ein wichtiges Thema, aber leider ist das nur ein dümmlicher, sexistischer Beitrag aus der links-feministischen Schmuddelecke geworden. Dem Thema nicht angemessen, so was Schwaches kann man vielleicht zu so linken Phantom-Lieblingsthemen wie Hausbesetzern oder irgendwelchen spießigen Wutbürgern schreiben. Aber das Thema Vergewaltigung so dümmlich zu behandeln, ist echt niveaulos.

  • D
    Doroina

    Vielen Dank für diesen sehr guten Beitrag, Frau Hauser! Sie weisen auf ein wichtiges (ja, ich möchte sagen: zentrales) Thema hin, das dringend der Beachtung bedarf. Was nicht automatisch bedeutet (wie einige der KommentatorInnen hier zu meinen scheinen), dass dadurch alle anderen Gräuel der NS-Zeit weggewischt würden.

     

    @ Helga:

     

    es würde reichen, wenn Sie über sich sprechen. Vielleicht können SIE solche Artikel nicht ernst nehmen (aus welchen Gründen auch immer), das heißt aber noch lange nicht, dass "man" dies nicht mehr tut. Ich bin ein "wirkliches Opfer von sexualisierter Gewalt" und ich habe überhaupt kein Problem mit der "guten Laura Himmerlreich". MIR hat sie mit ihrem Artikel, bzw. der damit ausgelösten Deabtte keinen "letzten Schuss" versetzt - im Gegenteil!!!

  • F
    FaktenStattFiktion

    In der Bundesrepublik galten vergewaltigte deutsche Frauen (und gelegentlich auch Männer) als Kollateralschaden, sozusagen als die Sekundarstrafe für die Naziherrschaft.

     

    Dabei hat insbesondere die Linke in diesem Land nicht verstanden, dass die vergewaltigte Zwölfjâhrige die Shoa nicht aufhebt. Wir müssen endlich über Vergewaltigung als Kriegsverbrechen sprechen, vorurteilsfrei.

     

    Und natürlich, liebe linke Bessermenschen, gilt dies für die Vergewaltigungen der Wehrmacht selbstverständlich (!) ebenso.

  • H
    Harald

    Der Nicht-Film wie die Diskussion zeigen, daß es jetzt, 70 Jahre danach, erst langsam und mühsam losgeht, mit der Aufarbeitung.

     

    1933 wird nicht bestritten, wenn auf die Zeit zwischen Mai 1945 bis Oktober 1945 hingewiesen wird, in der zwischen 7 bis 8 Millionen Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden. Wobei Vergewaltigung ein Euphemismus für das tatsächliche Geschehen ist, siehe Busvergewaltigung Indien.

     

    Ein Drittel der Betroffen ist in Folge der V. gestorben. Ein Drittel der Gefolterten nahm sich das Leben. Das überlebende Drittel war zum Schweigen und Einsamkeit verurteilt. Die Massenvergewaltigungen waren keine einmalige Angelegenheit, sondern zogen sich für die betroffenen Frauen und Mädchen über Wochen und Monate hinweg.

     

    Zuvor hatte die SS systematisch ca. 1,5 Millionen Europäerinnen zur Sklavenarbeit in ihre Bordelle verschleppt. Waren diese dort zuschanden gerichtet, wurden sie ins KZ zur Restverwertung geschickt.

     

    Auf die unbeschreiblichen sexuellen Verbrechen der Nazis reagierte Deutschland mit einer widerwärtigen Prüderie, die in diesen Jahren/Tagen ihre Renessaince durch den aufgesetzten Tugendterror der # Suffragetten und die Inhalte-Prohibition in den Medien erfährt.

     

    Auf die unbeschreiblichen sexuellen Verbrechen im Bereich der Roten Armee regieren die Nachfolgegesellschaften mit dem bekannten Ritual des hyperventilierten Empörungsgeschreis.

  • A
    A.Franke

    Meine Großmutter wurde während ihrer Flucht vergewaltigt und ihre 3 Kinder, von 5-17 Jahre alt, lagen versteckt unter dem Bett und hörten ihre Mutter flehen.

    Ich habe das lange, angesichts der Verstrickung meiner Familie in die Nazi-Geschichte, als eine Art Ausgleich gesehen, bis ich verstand, dass Leiden immer Individuen trifft und eben nur individuell erfahren wird.

    Zweifellos hatte diese familiäre Verquickung von Täter- und Opfer-Sein Auswirkungen auf mein Leben (z.B. Kinderlosigkeit), aber was mir noch viel tabuisierter erscheint und wovon man anders als über die Vergewaltigungen deutscher Frauen durch die sowjetischen Soldaten zum Ende und nach dem Krieg nie etwas hört, sind die ganz gewiss statt gefundenen sexuellen Gewalttaten der deutschen Soldaten gegenüber Polinnen, Jüdinnen und sowjetischen Frauen.

    Da scheint mir die Propaganda nachzuwirken, dass die Menschen dieser Völker Untermenschen seien und insofern es als Rassenschande gälte, wenn man mit ihnen in irgendeiner Form "sexuell" verkehrte.

    Allerdings hat diese Ansicht noch keine Krieger oder Eroberer irgendwo auf der Welt abgehalten, Frauen auch als entwicklungsmäßig unterlegener Völker zu vergewaltigen.

    Insofern glaube ich wirklich, dass dieses Thema noch der Aufarbeitung bedarf.

    Ungeachtet dessen haben die noch lebenden Frauen mit ihren Traumata den Anspruch, dass dieses bei ihrer Pflege und Behandlung berücksichtigt wird.

    Ein Verbrechen hebt kein anderes auf, die Opfer sind immer einzelne Menschen.

  • S
    Schuld

    Worte an einige Kommentatoren: Es geht hier ja nicht darum mal wieder festzustellen, das Deutschland Kriege angefangen hat und die Deutschen daran selbst Schuld sind!

     

    Sondern es geht doch um die Auswirkungen und die damit verbundenen Leiden die sehr viele Deutsche Frauen durch Ihre Flucht unter diesem Regime ertragen mussten. Meine Mutter z.B. ist durch diese "Umstände" zur Männerhasserin geworden und hat nun ausgerechnet auch noch einen Jungen zur Welt gebracht. Glauben Sie`s mir, ich habe bis Heute diese Menschliche Entwürdigung meiner Mutter nicht "auf die Reihe bekommen"!

     

    Also, auch wenn ich als Nachkriegskind ebenfalls drunter leide, vordere ich: KEINE GEWALT AN FRAUEN, an Niemandem, Weltweit, ist das jetzt klar?

  • GA
    Guter Artikel

    Danke für diesen Artikel! Ein Grund die TAZ zu lesen.

  • S
    Schulz

    Quatsch, am Schluss sind alle Opfer ... :-/

  • C
    Comment

    Für sich genommen, ist der Beitrag von Monika Hauser sinnvoll, gut und in der Zielsetzung richtig.

    Auch meine Patentante wurde während der Besatzungszeit von einer Gruppe russischer Soldaten mehrfach und brutal vergewaltigt. Auch sie sprach allerdings nur mit engsten Vertrauten darüber und entwickelte ein massives Alkohol- und Tablettenproblem. Auch die im Beitrag erwähnten Folgen für die Folgegeneration blieben nicht aus. Aber: Es wurde nicht nur im engsten Kreis darüber gesprochen, sondern dies im Vertrauen weitererzählt, zunehmend anonymisiert weitergegeben, auch von mir.

    Immer wenn Beiträge zu Vergewaltigungen veröffentlicht wurden, sorgte meine Großmutter dafür, dass auch meine Patentante erneut erwähnt wurde, was wiederum das Problem greifbar machte.

    Es war ihr generell wichtig, sich über Dritte zu äußern. Ob es so war, um von eigenen Problemen abzulenken, oder weil sie selbst keine hatte, weiß ich nicht.

    Das Schwiegen der Frauen, zu wichtigen, sie selbst betreffenden Themen, ist mir ehrlich gesagt unerklärlich. So spricht meine Mutter über die Großmutter während meine Großmutter mir von meiner Mutter berichtet (unisono: „Aber sag´ ihr nichts.“). Keine von beiden war bisher in der Lage mir selbst von eigener Betroffenheit auch nur annähernd vollständig zu erzählen. In einer solchen, von Halbwahrheiten (=Lügen) geprägten Umgebung, gestaltet sich ein auf Vertrauen fußendes Miteinander äußerst schwierig. Dass solches Verhalten nicht ohne Folgen auch für mich als Mann blieb, wundert mich heute nicht mehr. Immerhin mache ich heute (endlich!) den Mund auf, was mich betrifft.

     

    „Es ist Zeit zu sprechen, damit die Kette von Gewalt und Trauma durch die Generationen hindurch unterbrochen wird – und die Töchter und Söhne und Enkel nicht immer wieder Täter- und Opferidentitäten reproduzieren müssen.“

    Das ist eine Formulierung die mich aus bisheriger Erfahrung zweifeln lässt.

    Wer will sprechen, ggf. mit wem?

    Wenn am Ende wieder nur ein feministischer Monolog, mit gewohnt einseitiger Schuldzuweisung an Männer, daraus werden soll, gehe ich nicht nur nicht mit.

     

    „Sie antwortet, dass sie aufgrund einer früher erlittenen Vergewaltigung nicht von Männern versorgt werden will.“

    In der Richtung hatte ich auch schon Überlegungen angestellt, allerdings nicht wegen erlittener Vergewaltigung, sondern wegen der drohenden Gefahr, von einer Frau fälschlich eines sexuellen Übergriffes bezichtigt, oder wegen meiner Ersparnisse und ob meiner Senilität ausgeplündert zu werden.

  • Z
    Zsolt

    Ausgewogen geht anders; man hätte wenigstens auch die geschätzte Gesamtzahl aller, von allen Kriegsteilnehmern in Europa (Deutschen+Verbündete und Alliierte) vergewaltigten Opfer angeben müssen! Nur wäre dann die Summe womöglich >3,8 Millionen geworden.

  • A
    Abgemeldet

    Vielen Dank!

  • P
    Paul

    Der Artikel hat mit Sicherheit seine Berechtigung.

     

    Aber wenn diese sexuelle Gewalt dann immer ziemlich umstandslos auf die der Roten Armee gegen deutsche Frauen reduziert wird, dann fängt schon wieder die nächste Lüge an. Eine aus den bekannten Gründen gerne geglaubte. (Wie entsteht die Zahl 1,9 Mill.?) Auch die braven deutschen Wehrmachtssoldaten und SS-Leute, die Polen und die halbe SU und noch ein paar andere Länder verwüstet haben, müßten endlich mal von ihren "Heldentaten" reden. Machen sie es? Ich habe in meinem mittlerweile nun schon etwas längeren Leben keinen einzigen Mann getroffen, der über SEINE Untaten in diesem Krieg geredet hätte. Keinen!

    In Catherine Merridales "Iwans Krieg" ist von schwersttraumatisierten Siegersoldaten der Roten Armee die Rede, die unter sehr viel schlechteren Lebensbedingungen ebenfalls nicht über ihre Verbrechen und nicht über ihre Leiden reden können. Von den Polinnen und Russinnen kann man ebenfalls nur ahnen, was sie durchgemacht haben müssen. Und was diesbezüglich in Asien stattfand, ist nochmal etwas ganz anderes.

     

    Das Verstummen dieser Frauen und Männer hätte in jedem einzelnen Fall intensive therapeutische Begleitung gebraucht, die aber natürlich niemals zur Verfügung stand. Und auch nach den aktuellen Kriegen nur selten zu haben ist. Würden wir Menschen wirklich begreifen, was wir uns und den "Gegnern" mit all diesen Kriegen antun, so würden wir keine Kriege mehr führen. Niemand. Die jeweiligen Sieger leben vielleicht noch, aber in der Regel sind sie kaum weniger verletzt als die "Verlierer".

     

    Krieg ist, wenn Menschen zu um ihr Leben kämpfenden Zellhaufen geworden sind. Ob Mann oder Frau spielt dann keine Rolle mehr.

    Und dieser so verdächtig gepriesene ZDF-Film? War es so? Wirklich? Mein letzter Kriegsfilm hieß "Geh und sieh" von Elem Klimow. Mit dem ist alles gesagt. Wirklich alles. Und es ist sicherlich kein Zufall, daß er keine Geigen verwendet und keine oberflächlich visualisierte Gewalt zeigt.

     

    Zur Wahrheit dieser mit allem Recht angesprochenen Gewalt gehört unverzichtbar die in Osteuropa vorausgegangene Gewalt. Aber wer will die sehen, hören, aufklären? Dreiteilige ZDF-Reihe?

     

    Wahrscheinlich werden die jüngeren Generationen eines Tages wieder selbst die Leiden eines Krieges ertragen müssen, um anschließend dann wieder ....

  • MM
    Moooment mal!

    Deutsche Täter sind keine Opfer!

    Bomber Harris do it again!

    Das ist doch alles Relativierung und Revisionismus...

     

    Zynismus aus: Schön dass, wenn auch radikal dekontextualisiert, die taz es schafft, menschliches Leid (ideologischen Ursprungs) zu thematisieren.

    Ziemlich schade, die minimalisierte Schätzung der Deutschen Opfer auf nur 1,3 mio., sehr schade, dass das politische Kalkül hinter den organisierten Massenvergewaltigungen nicht erwähnt wird im Gegensatz zu den erbärmlichen Verdrängungs- bzw. Verarbeitungsversuchen der Opfer und -angehörigen.

    Denn Vergewaltigung eines Menschen ist schon Verbrechen. Systematische Vergewaltigung eines besiegten Volkes ist an Widerwärtigkeit und Perfidität nicht zu Überbieten!

  • S
    Sexismus

    @ Helga. Jede Form von Sexismus ist beklagenswert,jede Beleidigung jede körperliche Gewalt. Jede Frau die davon betroffen ist -überhaupt jede Person- hat das Recht sich dazu zu äußern. Darum geht es im Text. Hinkucken, hinhören, sich verhalten und niemanden dazu nötigen Erlebtes verschweigen zu müssen. Laura Himmelreich hat niemandem etwas getan -schon gar nicht Schüsse versetzt. Sie hat das getan, was Monika Hauser in dem Artikel nahelegt: sie hat nicht den Mund gehalten, sondern sich geäußert -mutigerweise auch noch öffentlich. Darauf wurde zum größten Teil so reagiert, wie man es sich für die von Vergewaltigung betroffen Frauen wünscht: Mit Hinhören, Austausch und Solidarität. Aber natürlich auch mit Anfeindungen, die sich z.T. nicht von denen unterscheiden, die die vergewaltigten Frauen zum Schweigen brachten: "Stimmt nicht" "selber Schuld" "nehmen sich zu Wichtig wir haben schlimmere Probleme" "bringen Schande" (in diesem Fall nicht über die Familie sondern über den Kampf für Frauenrechte)usw.. Monika Hauser und Laura Himmelreich danke ich für ihren Einsatz dafür, dass Frauen reden und schreiben über nervige, schlimme und ganz, ganz schlimme Übergriffe. Dafür, dass sie trotz Anfeindungen Sexismus und sexuelle Gewalt öffentlich machen und die Gesellschaft dazu auffordern hinzuhören, Betroffene ernstzunehmen und zu unterstützen, statt sie zum Schweigen zu bringen.

    Unrecht tun die, die Gewalt, Beleidigung und De- bzw. Entmutigung ausüben, nicht die, die darüber reden und schreiben.

  • G
    Georg

    Die Vergewaltigungen durch die Befreier müssen dethematisiert werden, denn sie passen nicht ins verordnete Geschichtsbild

  • L
    Lars

    Liebe Helga,

     

    mir stockt brutal der Atem.

     

    "Man" kann Artikel wie diesen wegen nicht mehr ernst nehmen?

     

    Was ist denn das für eine sinnlose, Haarsträubende und absurde Verallgemeinerung?

     

    Es mag ja sein, dass dich (!) die heutige Sexismusdebatte aus welchen Gründen auch immer dergestalt aus der Bahn wirft, aber daraus zu folgern das "man" einen Artikel wie diesen nicht mehr ernst nehmen könnte, ist ja beinahe schon lächerlich.

     

    Mal abgesehen davon, dass dein Kommentar sowohl die Opfer der Nachkriegszeit marginalisiert, genauso wie heutige Opfer von sexualisierter Gewalt, was sehr wohl auch Thema war bei #aufschrei - da war so mancher haarsträubende Fall zu lesen.

     

    Und das in einem Absatz! Kompliment.

     

    Aber natürlich, ich vergaß: mit diesen Lächerlichkeiten hat ja alles angefangen.

  • G
    Gryphis

    Dieser Artikel bewegt mich, ich habe nie darüber nachgedacht - und kann doch empfinden, dass diese Frauen an dem Unrecht leiden, tief leiden.

     

    Nachdem ich vor einigen Jahren eine Vergewaltigung zur Anzeige gebracht habe, musste ich mich vor Gericht "verteidigen" weil ich bestätigt habe und das von Grund auf richtig finde, dass ich mich über ein "Nein" für die Bereitschaft einer Frau noch nie hinweggesetzt habe. Ich bin damals ziemlich verwirrt aus dem Saal gegangen.

     

    Selber musste ich deutlich über 30 werden, bis ich meine Sexualität genießen lernte und noch heute habe ich damit erhebliche Probleme. Keine Ahnung, was ich selber in meiner frühen Kindheit diesbezüglich erlebt habe oder geerbt habe.

     

    Ich finde es gut, wenn diese Umstände thematisiert werden und wenn die Betroffenen und die Familien ihr Leid aufarbeiten - und von uns, unserer Gesellschaft, unterstützt werden.

     

    Mann, Mitte 50.

  • BH
    Brigitte H.

    Ein ganz wichtiges Thema,

     

    vielen Dank für diesen Artikel

  • K
    kr........

    Das ist mir beim Lesen von Kritiken zu dem ZDF-Film auch sofort ins Auge gesprungen: Vergewaltigungen werden nicht thematisiert sondern stattdessen dethematisiert. Als ob sie nicht geschehen seien. Dies passiert nicht nur in dem Film, sondern auch von allen KritikerInnen, die ich gelesen habe!

     

    Die Vergewaltigungen an sich sind grauenvoll, aber das Verschweigen und Verdrängen selbiger durch die (heutige) deutsche Gesellschaft macht das ganze noch schrecklicher. Aber das Verhalten passt leider auch "gut" in den generellen Umgang in Deutschland mit sexualisierter Gewalt gegen Frauen.

  • H
    Helga

    Schlimm finde, dass man auch solche eigentlich ernsten Themen aufgrund der peinlichen Sexismus-Debatte nur noch lächerlich finden kann. Damit hat die gute Laura Himmelreich den wirklichen Opfern von Vergewaltigung wirklich offen den letzten Schuss versetzt. Kann sein, dass dieser Artikel über Vergewaltigungen im Krieg wirklich ernst gemeint sein soll - aufgrund von Laura Himmelreich und der lächerlichen Sexismus-Debatte kann man alle Artikel zum Thema "Sexuelle Gewalt gegen Frauen" in den nächsten Jahren nicht mehr ernst nehmen und ohne Probleme als das Dauergekreische der Tugendfurien abtun. So tief sind wir gesunken - armes Deutschland.