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Debatte US-AußenpolitikWeder Hü noch Hott

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Am Beispiel des US-Engagements in Syrien zeigt sich vor allem eines: Wie widersprüchlich die Politik der USA im Nahen und Mittleren Osten ist.

Geht er nach Hause oder nicht? Die Aussagen der US-amerikanischen Regierung sind widersprüchlich Foto: ap

S elten seit dem Zweiten Weltkrieg waren aus der Regierung in Washington in einer wichtigen sicherheitspolitischen Frage so widersprüchliche Erklärungen zu hören wie derzeit zur Zukunft der US-Truppen in Syrien. Mitte Dezember kündigte Präsident Donald Trump den vollständigen Abzug der 2.000 Soldaten innerhalb von vier Wochen an – per Twitter und ohne zuvor die für Sicherheits- und Außenpolitik zuständigen Mitglieder seiner Regierung zu konsultieren. Nach dem anschließenden Rücktritt von Verteidigungsminister James Mattis reichten dann auch der Stabschef des Pentagon und weitere Mitglieder der Regierung aus Protest gegen die Entscheidung ihren Abschied ein.

Doch letzte Woche machten Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Michael Pompeo den Abzug der US-Truppen von drei Bedingungen abhängig: von der „vollständigen Vernichtung aller Reste der Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘“, vom „Ende jeglicher militärischer Präsenz des Iran“ sowie von „Sicherheitsgarantien“ des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die KurdInnen in Nordsyrien. Zudem sei der Verbleib von US-Truppen in Syrien erforderlich, um „den Einfluss Russlands zurückzudrängen“ und als „Rückversicherung“ für Israel, schrieb Bolton in einem Memo an Trump.

Sollte sich Präsident Trump diese Zielsetzungen zu eigen machen, wäre entgegen seiner Ankündigung von Mitte Dezember die Stationierung von US-Truppen in Syrien auf viele Jahre garantiert und sogar ihre Aufstockung wahrscheinlich. Zudem wüchse die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA – im Bündnis mit Israel und Saudi-Arabien – und dem Iran.

Die Erfüllung der Bedingung einer vollständigen Vernichtung des IS ist völlig unrealistisch. Alle Versuche der vergangenen vierzig Jahre – zunächst der Sowjetunion nach ihrer Invasion in Afghanistan 1979 und dann der USA und ihrer Verbündeten seit den Anschlägen vom 11. September 2001 –, islamistische Rebellengruppen oder Terrororganisationen militärisch endgültig zu besiegen, sind gescheitert.

Erdoğan hat den Trumpf in der Hand

Das ist allerdings nicht nur ein strategisches Dilemma für die USA, sondern auch für Russland und den Iran, die den IS, den syrischen Al-Qaida-Ableger sowie diverse sunnitisch-islamistische Rebellengruppen in Syrien militärisch bekämpft haben. Denn zugleich verschaffen Moskau und Teheran diesen Terrororganisationen und Rebellengruppen neuen Zulauf und Unterstützung, indem sie weiterhin das Regime von Präsident Baschar al-Assad in Damaskus an der Macht halten.

Unter diesen Umständen wäre auch das von Bolton und Pompeo verlangte Ende der Präsenz von iranischen Militärstützpunkten und Soldaten in Syrien – wenn überhaupt – nur durch die US-amerikanische Unterstützung der bereits laufenden israelischen Luftangriffe auf diese Ziele zu erreichen. Auf das damit verbundene hohe Risiko eines indirekten oder gar direkten Krieges gegen den Iran würden sich Bolton und Pompeo, nach ihren bisherigen Bekundungen zu urteilen, wohl einlassen, nicht aber das Pentagon und wahrscheinlich auch nicht Trump.

Trumps Twitter-Ankündigung zum Abzug der US-Soldaten entsprang lediglich einem populistischen Kalkül

Schließlich hat die Administration in Washington keinerlei Druckmittel, um den türkischen Präsidenten zu verlässlichen „Sicherheitsgarantien“ für die KurdInnen in Nordsyrien zu bewegen. Mit der südtürkischen Luftwaffenbasis Incirlik, die für die USA und ihre Verbündeten für alle ihre bisherigen Kriege und militärischen Operationen im Nahen Osten unverzichtbar war, hat Erdoğan den entscheidenden Trumpf in der Hand.

Das strategische Dilemma der USA in Syrien und darüber hinaus in der Nahostregion, das in den widersprüchlichen Äußerungen aus der Trump-Administration deutlich wird, wird bleiben, solange Washington nicht mit dem Hauptsponsor des globalen islamistischen Terrorismus, der wahhabitischen Königshausdiktatur in Saudi-Arabien bricht und die Beziehungen zum Iran grundsätzlich verbessert. Statt die viel beschworene „schiitische Achse der Bösen von Teheran über Damaskus bis zur Hisbollah im Libanon“ ins Visier zu nehmen, sollten die USA endlich gegen die Unterstützung von IS, al-Qaida sowie diversen sunnitischen Rebellengruppen in Syrien, Irak, Afghanistan und anderswo durch ihre vermeintlichen Verbündeten in Riad und Ankara vorgehen.

Keine Chance für eine Kurskorrektur

Der Iran ist wegen seines Reichtums an Öl und Gas, seiner strategischen Lage am Persischen Golf, seiner Geschichte sowie seiner Rolle als Führungsmacht der Schiiten das wichtigste Land in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Iran nähme dem Regime in Teheran endlich den außenpolitischen Hauptfeind. Dann bestünde auch die Chance auf eine Demokratisierung im Iran und in der Folge auch im Irak und in Syrien. Erst damit wären die Voraussetzungen für eine demokratische Selbstbestimmung der KurdInnen geschaffen, wenn nicht in einem gemeinsamen Staat, so doch zumindest unter weitgehenden, mit den Regierungen in Teheran, Bagdad und Damaskus vereinbarten Autonomieregeln.

Doch für die skizzierte Kurskorrektur der US-Politik im Nahen Osten gibt es zumindest unter der Trump-Administration keine Chance. Das machte Außenminister Pompeo vergangene Woche in einer Rede in Kairo unmissverständlich deutlich. Er bekräftigte die tiefe Feindschaft gegen Iran und das enge Bündnis mit Saudi-Arabien.

Pomepo, Bolton, Vizepräsident Mike Pence sowie Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, bestimmen die Politik der USA in dieser Region. Trumps Twitter-Ankündigung zum Abzug der US-Soldaten entsprang lediglich dem populistischen Kalkül, beim isolationistisch gestimmten Teil seiner ­AnhängerInnen den Eindruck zu erwecken, er werde sein ­Wahlkampfversprechen von 2016 einlösen, „die Rolle der USA als Weltpolizist zu beenden“.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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8 Kommentare

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  • Trump agiert gern mit Bluffs. Das tat er auch bei Nordkorea. Selbst die eigenen Leute fallen drauf rein, wie bei dem angeblichen Abzug in 4 Wochen. Interessant dabei ist nur, wie klar die "Vorbildmacht" USA im Zusammenhang mit Israel nun ihre tiefe Freundschaft zu Saudi Arabien verlautbarten.

  • ....Dann bestünde auch die Chance auf eine Demokratisierung im Iran und in der Folge auch im Irak und in Syrien.

    Chance auf Demokratie wird es im Iran erst ohne die Diktatur der Ayatollahs geben. Solange die herrschen ändert sich nichts unabhängig von den USA.

  • "Schließlich hat die Administration in Washington keinerlei Druckmittel, um den türkischen Präsidenten zu verlässlichen „Sicherheitsgarantien“ für die KurdInnen in Nordsyrien zu bewegen. Mit der südtürkischen Luftwaffenbasis Incirlik, die für die USA und ihre Verbündeten für alle ihre bisherigen Kriege und militärischen Operationen im Nahen Osten unverzichtbar war, hat Erdoğan den entscheidenden Trumpf in der Hand."

    Incirlik ist schon in den letzten Jahren immer unwichtiger geworden, es gibt auch Basen in Jordanien, Zypern und nicht zuletzt Israel. Bei allem was die USA und die Türkei wollen wird übersehen, was die Kurden wollen, und dass - würde die USA den Türken nachgeben - die YPG lieber die Russen, Assad und den Iran in ihre Gebiete lassen würden als Erdogans Schlächter. Die türkischen Truppen haben Monate gebraucht, um Al-Bab gegen den IS zu erobern mit vielen Verlusten, wie viel schwerer würden sie es gegen inzwischen gut ausgerüstete und kampferprobte Kurden haben, selbst wenn diese keine Luftunterstützung bekämen? Und wie lange würde die türkische Wirtschaft - bereits im freien Fall - das finanzieren können?

  • "Dann bestünde auch die Chance auf eine Demokratisierung im Iran und in der Folge auch im Irak und in Syrien."

    Noch nicht genug Demokratisierung in Libyen, Afghanistan, Syrien, Tunesien, Ägypten etc.? Alles westliche Versuche des Wertetransfers in islamische Gesellschaften - alle gescheitert.

    Bisheriges Fazit: Aus dem Westen kommt für islamische Gesellschaften nichts Gutes. Spricht etwas dafür, dass es bei einem Wertetransfer beim Iran besser laufen würde?

    Sind die Erwartungen so hoch, dass sie den zu erwartenden Bürgerkrieg zwischen den Religiösen und den säkularen Westlichenwertlern rechtfertigen?

    Nach dem Verfall der Sowjetunion sprach man vom Ende der Geschichte weil sich das beste - westliche - System endgültig durchgesetzt hatte. Falsch gedacht - die westlichen Werte sind im Prinzip am Ende weil sie keine Antworten auf die heutigen Probleme - Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt und Umweltkatastrophe wegen der Politik des ungebremsten Wirtschaftswachstums - haben.

    Ein westlicher Wertetransfer in Richtung Iran und China ist so ziemlich das Letzte, was die Welt heute braucht.

    • @A. Müllermilch:

      Meine Güte, lesen Sie doch einfach den Artikel, dann sehen Sie, dass Herr Zumach keineswegs den 'Wertetransfer' mit Bomben à la Libyen etc. gemeint hat, sondern im Gegenteil ein Ende der Feindschaft zum Iran.



      Und dann könnten Sie sich Ihre Tirade ganz einfach sparen.

      • @Flipper:

        Gefordert wird die "Verbesserung der Beziehungen". Finde ich gut und kann ich unterstützen.

        Ziel ist dann aber die "Demokratisierung" des Iran. Das ist nun mal "Wertetransfer" der schon vielfach gescheitert ist.

        Ich kann mit der westlichen Gottlosigkeit ganz gut leben und möchte auch keinen Wertetransfer seitens des Iran oder der Türkei. Jede Gesellschaft muss ihr Wertesystem selbst finden. Und wenn eine Theokratie - im Iran - oder eine Autokratie - in der Türkei - dabei raus kommt, dann ist es halt so. Werte müssen wachsen, die kann man nicht transferieren.

  • Zitat: „Selten seit dem Zweiten Weltkrieg waren aus der Regierung in Washington [...] so widersprüchliche Erklärungen zu hören wie derzeit […].“

    Es war ja auch selten ein Mann wie Trump Präsident in Washington. Der amtierende US Präsident wurde von Leuten ins Amt gehievt, die den amerikanischen Traum träumen. Trump soll stellvertretend für all die regieren, die zwar keine Ahnung haben, dafür aber gerne was zu befehlen hätten. In Trump glauben seine Wähler sich selbst zu erkennen – zuzüglich einer größeren Menge geerbten Geldes.

    Je weniger Menschen wissen über die Welt, desto einfacher stellen sie sich das Regieren vor. Trump ist in sofern ein gewöhnlicher US-Amerikaner. Was ihn von anderen unterscheidet, sind sein Geld und die Größe seines künstlich erzeugten Egos. Der Mann hat keine Ahnung von Außenpolitik, und er hat darin nie ein Problem gesehen. Er tut schlicht das, was auch seine Wähler tun würden. Wenn er denn merkt, dass es so einfach doch nicht ist, rudert er wieder zurück. Immerhin.

    Weil niemand merken soll, wie unsicher er ist, haut er gewaltig auf den Matsch. Er pöbelt, feuert seine Mitarbeiter und verbreitet Aktionismus. Dass sein Dienstzimmer ein denkbar ungeeigneter Ort zum Pubertieren ist, ist ihm egal. Überhaupt hat er auch mit 72 Jahren noch so viel mit sich selbst zu tun, dass er auf andere Leute keine Rücksicht nehmen kann. Das Traurige ist, dass solche zu groß geratenen Halbstarken auch andere Führungsposten innehaben. Es gibt bisher keine Mechanismen, die das verhindern können.

    Aber die Demokratie ist kein Jugendzimmer. Sie braucht gewisse Regeln, um zu funktionieren. Eine davon sollte garantieren, dass nur halbwegs erwachsene Leute an die Schaltstellen gelangen. Meiner Meinung nach muss dafür das Bildungswesen sorgen. Bisher tut es das leider nicht. Nicht in Deutschland und schon gar nicht in den USA. Was Mündigkeit wirklich ist, ist hier strukturbedingt noch vollkommen unklar.

  • Dass DT unberechenbar und nicht der hellste Kopf ist, erzählen uns LeserInnen die Medien schon seit seinem Wahlkampf. Inzwischen sollten sie ihre Ressourcen für Hintergrundarbeit verwenden und uns informieren, z.B. wer sind die Nachrücker derer die zurückgetreten sind, wie stehen sie zu DT und welche politische Weltanschauung vertreten sie usw. Dann könnte zumindest einigen "Polit-Experten" klar werden, mit welcher Gerissenheit und Kalkül der Rotschopf unliebsame (nicht ihm loyale) Mitarbeiter (Minister, Offiziere, Beamte) elegant durch deren eigenen Abtritt loswird und die Stellen mit seinen Fans besetzt.