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Debatte NiedriglöhneDie Kehrseite der Nächstenliebe

Kommentar von Claudia Pinl

Die Gesellschaft profitiert in großem Maße von freiwilligen Helfern in Kliniken und Wohlfahrtsverbänden. Die Beschäftigten profitieren nicht.

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurde auch der Zivildienst abgeschafft. Die Arbeit übernehmen nun ehrenamtliche „Bufdis“. Bild: dpa

B ürgerschaftliches Engagement und freiwillige Tätigkeiten werden von den Befürwortern gern als einzigartige Arbeit definiert. Wer sich ehrenamtlich für andere engagiert, bringt angeblich automatisch eine besondere Qualität der Zuwendung ein, eine einzigartige „Energieform“, die unbezahlbar sei und daher deutlich von bezahlter Arbeit zu unterscheiden. Ehrenamtliche Tätigkeit sei komplementär und zusätzlich zu beruflicher Arbeit anzusehen.

Arbeitsmarktpolitisch übersetzt heißt das: Freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeit darf Erwerbsarbeitsplätzen keine Konkurrenz machen. Im Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst heißt es ausdrücklich, dieser sei „arbeitsmarktneutral auszugestalten“.

Auch über andere Dienste wie das Freiwillige Soziale Jahr kann man lesen: „Die Freiwilligen verrichten unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten und ersetzen keine hauptamtlichen Kräfte.“

Claudia Pinl

lebt als freie Journalistin in Köln. Der Artikel ist ein Vorabdruck aus ihrem neuen Buch „Freiwillig zu diensten? Über die Ausbeutung von Ehrenamt und Gratisarbeit“ (Nomen Verlag).

Die Billig-Bufdis

Der mit der Wehrpflicht abgeschaffte Zivildienst sollte ebenfalls arbeitsmarktneutral sein. Faktisch aber waren viele Zivis mit Pförtner- und Fahrdiensten oder Küchen- und Kantinenhilfe beschäftigt, also mit Arbeiten, für die eigentlich bezahltes Personal hätte eingestellt werden müssen. Da viele ehemalige Anbieter von Zivildienststellen nunmehr umstandslos „Bufdis“ statt „Zivis“ beschäftigen, besteht der Verdacht, dass auch beim Bundesfreiwilligendienst die Sache mit der Arbeitsmarktneutralität eher locker gesehen wird.

Berno Schuckart-Witsch (Ver.di) hat Beispiele für Freiwilligen- und Bufdi-Stellen parat: Kindertagesstätten, die Küchenhilfen und Personen suchen, die mit den Kindern rumtollen und sie begleiten: unentgeltlich, 40 Stunden in der Woche. Oder eine Suchtklinik, in der Ehrenamtliche ebenfalls voll in die Abläufe integriert sind.

Eigentlich erfüllt das alles rechtlich die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses – nur dass man entweder gar nichts verdient oder als Bufdi höchstens 336 Euro im Monat. Anders als zuvor für die Zivildienstleistenden gibt es für Bufdis keinen Rechtsanspruch auf Unterkunft, Verpflegung oder entsprechende geldwerte Leistungen.

Viele Tätigkeiten in den Freiwilligendiensten ebenso wie vieles andere, was unter ehrenamtlicher Tätigkeit mit Aufwandsentschädigung läuft, sind de facto Jobs im Niedrigstlohnsektor. Überwiegend werden sie in Bereichen verrichtet, die durch hohe Belastung, extremen Personalmangel und strukturelle Unterfinanzierung gekennzeichnet sind und in denen Gehälter ohnehin schmal ausfallen – bei den Wohlfahrtsverbänden liegen sie im Schnitt 10 bis 15 Prozent unter den entsprechenden, auch nicht üppigen Tarifen für den öffentlichen Dienst.

Der Markt ist abgegrast

Für Wohlfahrtsverbände wie die evangelische Diakonie ist Ehrenamtlichkeit schon lange eine „strategische Notwendigkeit“, weil sie in der ihnen von der Politik auferlegten Konkurrenz- und Wettbewerbssituation nur durch Senkung der Personalkosten bestehen können.

Im Jahre 2010 beschäftigte die Diakonie bundesweit über 700.000 Ehrenamtliche. 74 Prozent davon waren Frauen, 8 Prozent erwerbslos Gemeldete. Hauptamtliche gab es zur gleichen Zeit 453.000. Nicht ganz so stark stützen sich die anderen Wohlfahrtsverbände auf die Ehrenamtlichen. Bei der Caritas lautet das Zahlenverhältnis Haupt- zu Ehrenamtliche 559.000 zu 500.000, bei der Arbeiterwohlfahrt 173.000 zu 70.000.

Der entkernte Sozialstaat und seine Träger stützen sich auf dieses euphemistisch „Bürger-Profi-Mix“ (Klaus Dörner) genannte Modell. Es ist aber schon jetzt nicht mehr funktionsfähig. Burn-out und Überlastung bei gleichzeitig schlechter Bezahlung führen zu chronischem Arbeitskräftemangel in Pflegeberufen und in Kindertagesstätten. Freiwillige können die Lücken auf Dauer nicht füllen. Obwohl die Werbetrommel unentwegt gerührt wird, ist der Markt für ehrenamtliche Kräfte ziemlich abgegrast.

Ein Stück weit Entlastung versprechen da die sogenannten Dienste, nicht nur, weil sie den Einsatz der Freiwilligen plan- und berechenbarer machen. Zugleich bieten sie durch kleinere Geldbeträge einen monetären Anreiz. Der seit 2011 bestehende Bundesfreiwilligendienst (BFD) trägt dazu bei, die Grenzen zwischen „monetarisiertem Ehrenamt“ und dem wachsenden Sektor prekärer Beschäftigung weiter zu verwischen. Ein Jahr nach dessen Einführung freute sich die Bundesregierung, dass der neue Dienst so gut angenommen wurde und alle 35.000 Plätze belegt waren.

Arbeitslose zu uns!

Kein Wunder, sagen die Gewerkschaften. In den ostdeutschen Bundesländern ist der BFD eine Alternative zur Arbeitslosigkeit. Indiz dafür ist, dass sich dort viele über 27-Jährige melden, also Menschen in einem Alter, in dem man bei einer normalen Erwerbsbiografie beruflich gerade Fuß fasst, in Ostdeutschland mit der weit über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosigkeit aber wenig Chancen hat.

Seit dem 1. Januar 2012 gelten Erleichterungen für Hartz-IV-Bezieher, die sich zum BFD gemeldet haben; sie dürfen vom BFD-Taschengeld 175 Euro zusätzlich zu ihren Arbeitslosengeld-II-Bezügen behalten und sind während ihrer Dienstzeit nicht gezwungen, angebotene Erwerbsarbeit anzunehmen. Diese Erleichterungen sind natürlich, objektiv betrachtet, ein weiteres Indiz dafür, dass ganz legal Arbeit zu sittenwidrigen Niedriglöhnen geleistet wird, außerhalb jedweder Mindestlohnregelung oder tariflichen Bestimmung.

Bufdis, FSJler, Teilzeitkräfte, Leiharbeiter, 450-Euro-Jobber unterhalb der Versicherungspflichtgrenze, Honorarkräfte, Praktikanten, Menschen mit „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ (sogenannte Ein-Euro-Jobs), Ehrenamtliche mit und ohne „Aufwandsentschädigung“ – oft haben Betriebs- bzw. Personalräte oder Mitarbeitervertreter keinen Überblick mehr darüber, welche Beschäftigte zu welchen Konditionen arbeiten.

Alle profitieren von diesem zersplitterten, völlig intransparenten Arbeitsmarkt: die traditionellen Träger von Einrichtungen und die neuen privaten Betreiber von Kliniken, wie Fresenius, Asklepios, Helios oder Rhön-Klinikum. Nur die dort Beschäftigten profitieren nicht. Das ist die Kehrseite der Philosophie der Nächstenliebe.

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16 Kommentare

 / 
  • KG
    karl gernholz

    Der größte Anschlag auf die Zivilbevölkerung nach 1945 war das Zerstörungswerk Agenda 2010. Um die katastrophalen Folgen wenigstens etwas zu lindern, habe ich diese Petition verfasst:

     

    https://www.openpetition.de/petition/online/entschaedigungszahlungen-fuer-langzeitarbeitslose

     

    Manchmal funktionieren die Links nicht und man muss die http- Adresse kopieren oder per Hand in den Browser eingeben. In der Regel funktionieren sie aber.

     

    Hinweis: Sie können mit Ihrem ehrlichen Namen unterschreiben oder ein Häckchen bei "anonym unterschreiben" machen. Die Ausweis Identifizierung ist möglich, aber nicht notwendig.

     

    Eine Petition ist ein legales demokratisches Werkzeug und sollte unbedingt genutzt werden um bestehende Ungerechtigkeit abzuändern. Ich bzw. Wir benötige(n) viele Unterschriften, genau 100 Tausend und eine. Bitte leitet meine Petition weiter und verlinkt sie, wer kann auch mit Twitter und/oder Facebook u.a..

  • N
    Name

    Hallo "Unser Land",

     

    ich denke sie werden verstehen, dass meine - ich gestehe, etwas drastische - Aussage nicht verallgemeinernd sein sollte. Auch unter "Bufdis" wird es zufriedene Mitarbeiter, die ihre Arbeitskraft gerne in den Dienst der Gesellschaft stellen, geben.

     

    Trotzdem möchte ich gerne an meiner - wenn auch überspitzten - Darstellung festhalten. Denn die Grundvoraussetzung, die man als BFD oder FSJ'ler mitzubringen hat, ist eine 40 Stunden Woche für ein paar wenige Euros. Die Grundvoraussetzung um ALG II zu beziehen sind dann doch wohl weitaus geringer (was nicht heiß, dass jeder es dabei belässt).

     

    Ich hoffe ich habe mich nun etwas diplomatischer ausgedrückt. ;-)

  • UL
    Unser Land

    „Unser Land“

    (Bundespräsident J.Gauck, Rede nach seiner Vereidigung im Deutschen Bundestag am 23.3.2012, Seite 3)

     

    Werter Name,

     

    eine Ergänzung zu Ihrer am 21.06. in den Leser-kommentaren gestellten Frage:

    ich bin von Beruf Umweltschutzingenieur und habe als ALG II - Kunde in Eigeninitiative vier ehrenamtliche Tätigkeiten in Köln gefunden. Hier „diene“ ich unserem Land: im Völkerkundemuseum, beim Nabu,in einem städtischen Wildpark und in einem Gemeinschaftsgarten. Um meine Talente und Lebenserfahrung nützlich einzubringen, soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen und - kaum zu glauben - weil ich gerne arbeite. Mangels mit Euros entlohnter Jobs und trotz überall dahergebeteten Fachkräftemangels eben für Gotteslohn. Darüber berichten die staatstragenden Medien verständ-icherweise nicht. Das gut funktionierende Bild von der schwarzen Schafherde in der „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard) Republik soll schließlich nicht getrübt werden. Längst vergessen und verschwiegen ist das mittels Deal gemilderte Gerichtsurteil 2007 für den Lustreisenden Peter Hartz ...

     

    Ihre provokative Frage - 374 Euro (Alg II) für nichts ?! - ist also durch die Praxis bereits beantwortet.

     

    Der von Frau Pinl treffend beschriebene Freiwilligen-Arbeitsmarkt ist auch meiner Erfahrung nach mit Ignoranten und Ausbeutern gut durchwachsen. Ehre im Ehrenamt, den engagierten Bürgern seitens der nutznießenden Arbeitgeber mit Umgangsstil und bescheidenen Gesten der Wertschätzung entgegengebracht, ist leider eine Ausnahme. Auf meine Erlebnisse beim Treffen mit Arbeitgebern und deren Jobs im Bundesfreiwilligendienst (dort meistens als informelle Kennlernbesuche statt Vorstellungsgespräche bezeichnet) brauche ich daher nicht weiter eingehen. Der von unserer Familien-ministerin geschaffene Kosename „Bufdi“ für ihre im Artikel beschriebenen 35 000 ehrenamtlichen Mitarbeiter ist so würdelos wie die einst von O.Lafontaine benutzte Bezeichnung „Fremdarbeiter“.

     

    Die taz wird hoffentlich ihre Praktikanten passabel entlohnen und Herr Gauck würde unserem Land auch (Ehren)soldfrei, sprich für Gotteslohn, dienen. Oder?

     

    „Den Regierten, unseren Bürgern, muten wir zu: Ihr seid nicht nur Konsumenten. Ihr seid Bürger, das heißt Gestalter, Mitgestalter. Wem Teilhabe möglich ist und wer ohne Not auf sie verzichtet, der vergibt eine der schönsten und größten Möglichkeiten des menschlichen Daseins: Verantwortung zu leben.“ (J.Gauck, ebenda, Seite 6)

     

    Halleluja!

  • R
    religionskritik-wiesbaden

    guter Artikel.

     

    Ich hatte bereits vor 1 1/2 Jahren darauf hingewiesen, dass der Bufdi volle Arbeitsplätze durch seine Billiglöhne ersetzen wird.

    Angeschaut hatte ich mir damals das ganze bei uns im Rhein-Main Gebiet.

    Einige Links funktionieren zwar nicht mehr, aber die darin gelieferten Informationen sind zu 100% verbürgt (Screenshuts existieren)

     

    http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1720277#1720277

     

    schöne Grüße

    RW

  • N
    Name

    Vielen Dank für eine super Darstellung der Realität! Ich begleite viele FSJ & BFD'ler durch ihr Jahr und kann ihre Aussagen nur bestätigen.

     

    Der Bundesfreiwilligen Dienst ist längst nicht mehr so freiwillig, wie er einst gedacht war. Kaum einer der Teilnehmer möchte sich freiwillig in den Dienst der Gesellschaft stellen um Gutes für den Menschen zutun, was grundsätzlich kein schlechter Gedanke ist. Dann aber doch bitte flächendeckend und für alle Schulabsolventen verpflichtend. Notnagel-Dienst trifft es wohl eher. FSJ/BFD statt Lücke im Lebenslauf und das dann unter unwürdigen Verhältnissen.

     

    Nach kürzester Einarbeitung (teilweise gerade einmal 2-3 Tage) ersetzen ungelernte "Bufdis" andere ausgebildete Vollzeitkräfte. Viele - wenn auch nicht alle - KiTas schieben Freiwillige in die Küche ab. Noch schlimmer ist es oftmals in Senioreneinrichtungen. Hier ersetzen viele "Freiwillige" nicht nur das Küchenpersonal, sondern erledigen ihre Arbeit als "Haustechniker" oder sogar als Pfleger/in. Demenzpatienten und Schwerstkranke werden hier von Ungelernten förmlich "abgearbeitet". Und warum? Weil es das Budget so will! Immer mehr mehr mehr Arbeit für immer weniger Geld.

     

    330 Euro für einen (stressigen!) 40 Stunden-Job

    374 Euro (ALG II) für nichts?!

    Wo ist da bitte die Verhältnismäßigkeit?

     

    Bitte lasst die Regierung bald aufwachen und sehen, dass klare Regelungen her müssen, ab wann man Vollzeitkraft oder Hilfskraft ist. Freiwillige sollen begleiten und nicht für eine finanzielle Erleichterung in den Kassen der Einrichtungen sorgen!

     

    Ich würde mir wünschen, dass sich auch endlich die Freiwilligen widersetzen um sich so Gehör verschaffen zu können!

  • DB
    Die BFDlerin persönlich

    Ich selber arbeite als BFDlerin, weil ich später im sozialen Bereich tätig sein möchte, und muss wirklich sagen, dass es in der Tat so IST, dass BFDler, FSJler usw ausgebeutet werden!

     

    ich bekomme den Höchstsatz (330€) und arbeite um die 45 Stunden die Woche, manchmal sogar noch mehr.

     

    Ich bin KEINE Fachkraft und muss diese trotzdem ersetzen...

    Von links nach rechts laufe ich den ganzen Tag durch die Einrichtung, weil Fachkräfte einfach von vorne bis hinten fehlen!

     

    DAS nenne ich AUSBEUTUNG! Und das darf so nicht weiter gehen!!! Mehr Fachkräfte wären sinnvoll, und nicht mehr freiwillige die immer mehr und mehr leisten müssen!

     

    In diesem Sinne,

     

    die BFDlerin persönlich

  • G
    Gegenwind

    Zeitungen sollen kritische Weltbetrachter sein! Was ich in diesem Artikel jedoch vermisse, ist die Ausgewogenheit. Die Uni Heidelberg untersucht momentan (nicht im Auftrag der Regierung) den Bundesfreiwilligendienst auf seine Wirkungen, insbesondere geht deren Studie der Frage nach, wie und warum engagieren sich ältere Menschen in diesem Format ( http://www.hertie-school.org/de/media-events/hertie-press-room/pressemitteilungen/press-releases-detail/article/anteil-der-aelteren-im-bundesfreiwilligendienst-waechst-vor-allem-in-ostdeutschland-bildungsan/).

    Für viele Freiwillige fehlen Alternativen auf dem Arbeitsmarkt und sie freuen sich auch über das nicht gerade üppige Geld (im Gegensatz zum Ehrenamt engagieren sich Freiwillige im BFD über 20 Wochenstunden). Aber die Freiwilligen geben drei weitere Aspekte als Grund Ihres Engagements an: "Die

    Tätigkeit kann selbst ausgesucht werden, sie wird

    als sinnvoll erachtet ... – und macht Spaß". Und bei uns im Verein haben wir eine Freiwillige, die engagiert mitarbeitet. Wenn wir das Geld hätten, könnten wir selbstverständlich die Freiwillige auch hauptamtlich beschäftigen, aber wir haben es nicht, denn für Geschichtsvereine gibt es keine "Pflegesätze", so nutzen wir die staatliche Unterstützung für unsere Ziele und erleben, das die Freiwillige dies gern tut. Sollte diese ein festes Arbeitsangebot als Kulturwissenschaftlerin bekommen, dann wird sie uns sofort verlassen, aber statt solange daheim zu sitzen und auf Jobangebote zu warten, ist sie momentan für uns eine Bereicherung und signalisiert, das dies auch für sie so ist. Beiden ist geholfen. Wenn sie sich mißbraucht oder "ausgebeutet" fühlen würde, könnte sie jederzeit uns verlassen und in einem anderen Verein oder für eine andere Aufgabe sich engagieren. Ihre Alternative lautet aber momentan nur: ein einkommensloses Praktikum bei einer hiesigen Zeitung! Ich hoffe, die TAZ ist es nicht!

  • F
    Fron

    In einer Welt, wo alles dem Markt unterworfen ist, soll ausgerechnet der Freiwilligendienst die Erlösung bringen. Das ist für mich eine erweiterte Ausbeutung von Menschen denen es an Chancen und Möglichkeiten in diesem Land fehlt. Wenn die "Nächstenliebe" so ein tolles Erlebnis ist, warum werden dann nicht ALLE Bundesbürger dazu verpflichtet? Warum wird etwa die Bedürftigkeit der Leistenden zum Überleben ausgenutzt? Einem Staat, der sich manchmal noch in Sonntagsreden als "Sozialstaat" definiert, ist dieser Zustand unwürdig. Danke, dass sie dieses Thema behandelten und Dank an die tatsächlich Freiwilligen.

  • C
    Cometh

    Ich finde das unlogisch: was hat das damit zu tun, dass Beschäftigte "profitieren" oder nicht? Die These ist wohl: ohne diese Ehrenamtler usw. könnten Beschäftigte bessere Arbeitsbedingungen (mehr Lohn) durchsetzen. Das ist doch reine Spekulation. Auch nach Abschaffung der Sklaverei namens Zivildienst hat sich doch nicht wesentliches geändert.

     

    Auch in linken Familien zählt es doch zum guten Ton, Oma halt durch eine billige Polin pflegen zu lassen, wenn man Oma nicht gleich nach Tschechien oder Thailand exportiert, natürlich mit Abgreifen des höchstmöglichen Pflegesatzes ...

  • M
    maffaf

    Ein guter Artikel.

    Einer der wenigen, die sich noch an der Realität orientieren.

  • D
    DerDemokrator

    Die TAZ-Journalistin hat Recht. Ich kann nur dank dieses Ehrenamts "überleben". Anderenfalls müßte ich mich komplett aus gesellschaftlichem Leben (Kino, Theater,Cafe,etc.) zurückziehen und wäre komplett ausgegrenzt.

    So habe ich die Möglichkeit mir dadurch das ich anderen helfe mir selbst ebenfalls zu helfen.

     

    Wenn man mehrere Jahre arbeitslos ist, hat der "übliche Verschleiß" ein so hohes Maß angenommen, das dies durch die viel zu niedrigen Hartz4 Regelsätze gar nicht ausgeglichen werden kann, insbesondere deshalb nicht, weil jeder der Arbeitslose und Niedriglöhner zu seinen erzwungenen Stammkunden zählt deren "Einkommen" (z.Zt. 382,00 Euro)kennt und seine Gewinnerwartungen bei jeder Regelsatzerhöhung automatisch an diesen Betrag angleicht. Nicht nur Discounter,Billigklamotten- und andere Ramschläden nutzen diesen künstlich erzeugten Wirtschaftsvorteil sondern auch Vermieter und Energieerzeuger.

    Nur durch den Minijob-Zuverdienst oder das Ehrenamt ist es möglich, aus der Abwärtsentwicklung teilw. zu entkommen.

    Dieser Armuts-Markt ist dank Globalisierung und Eurokratie noch weiter gewuchert und bedroht inzw. die Existenz im Alter und zwar aller derer die keine Spezialistenausbildung haben, oder sich durch lobbyistisches Verhalten Freiräume halten können.

     

    Das sind die Profiteure des modernen weltweit vagabundierenden Schmarotzerkapitalismus.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • W
    Wolfgang

    Chinas Mindestlöhne sind Deutschlands Zukunft! -

     

    von RMB in US-Dollar und TEuro:

     

    Shanghai: monatlich 230 US$ bzw. 174 TEuro

     

    Zhejiang: 151-230 US$ bzw. 114-174 TEuro

     

    Beijing: 200 US$ bzw. 151 TEuro

     

    Guangdong: 135-208 US$ bzw. 102-158 TEuro

     

    Jiangsu: 151-209 US$ bzw. 114-158 TEuro

     

    Xinjiang: 155-212 US$ bzw. 115-160 TEuro

     

    usw.

     

    10-12 Std. am Tag / 6-Tage-Wo. / 12-Tage-Jahres-Urlaub. Überstunden werden nicht bezahlt - oder ohne Zuschläge. = ?????

     

    Aufwachen, brave deutsche Michels! -

     

    Und auch ohne die gutbezahlten liberal-sozialdemokratischen "Sozialpartner" und 'Schlafpartner' der Bourgeoisie und Aktionäre kämpfen!

  • LU
    Leistung und Nächstenliebe

    Wer mit Menschen arbeiten will, sollte eine gute Ausbildung besitzen!

     

    Ich schlage deshalb vor, dass die Bufdis im Handwerk eingesetzt werden. Schließlich kann jeder Mensch ein Brett zurecht schleifen oder ein Kabelrohr in einer Wand versenken. Zudem sind die möglichen Kollateralschäden die im Handwerk anfallen können, zu vernachlässigen!

     

    Um diese Maßnahmen umzusetzen, müssten erstens bestimmte Berufsgruppen ein Bedrohungszenarium erzeugen, welches darauf abziehlt den eigenen Beruf als gefährlich und hart darzustellen, so dass die meisten Menschen Angst bekommen, diese Arbeiten selbstätig auszuführen. Anschließend müssen gesetzliche Ausbildungsregelungen folgen, die zu einer künstlichen Verknappung des Arbeitsangebotes führen. Durch die so entstandene Achtung der meisten Menschen vor diesem Tätigkeitsfeld im Zusammenhang mit dem mangelnden Angebot an Arbeitskräften steigen die Löhne ganz von alleine.

     

    Wie gesagt, die Mehrausgaben die durch diese Maßnahmen entstehen und von allen Mitgliedern der Gesellschaft übernommen werden müssen, werden einfach bei den Handwerkern und Ärtzen eingespart, in dem Ihre Berufe bzw. die mit diesen verbundenen Tätigkeiten entzaubert werden.

     

    Natürlich ist dies eine Illusuion wie bereits Rousseau wusste, den der Degenerationsprozess der Geschichte führt zu einer Fixierung der Ungleichheit. Dementsprechend steht die Arbeit bzw. die Tätigkeit die ein Mensch verichtet in keinem Zusammenhang mit seinem Lohn. Vielmehr existieren Tätigkeitn bzw. Berufe, die unabhängig von Ihrem gesellschaftlichen Nutzen oder der länge Ihrer Ausbildung, sehr schlecht oder sehr gut bezahlt werden. Jedoch wird der Zugang zu jenen Berufen, durch die man ohne viel Arbeit sehr viel Berufsprestige und Geld erlangt, stark reglementiert. Dementsprechend bleibt der Zugang zu diesen Berufen jenen Menschen verwährt, die nicht von klein auf an in einer Umfeld aufwachsen, in dem ein spezieller klassenspezifische Habitus allgegenwärtig ist.

     

    Die Kehrseite der Nächstenliebe ist weit mehr als eine einfache Gleichung in der bestimmte Menschen ausgebeutet werden. Sie ist vielmehr das Resultat eines hochkomplexen gesellschaftlichen Systems über das wir viel zu wenig wissen. Leider sind Ingeneure, Ärzte und Techniker nicht in der Lage Wohlstand für alle zu schaffen, in dem sie die einzelnen Prozesse erfassen und allen Menschen zugänglich machen, um so eine gerechtere Welt möglich werden zu lassen.

     

    Als Ergebnis diesen kurzen Textes kann man mit gutem Gewissen behaupten, dass jene Menschen die von Nächstenliebe zu sprechen meinen, zumeist lediglich über Besitzstandswahrung reden. Dabei geht es zu 99% um Ihren eigenen Besitz! Denn die wirklichen Probleme blenden sie munter aus!

     

    Dieser Text von Frau Pinl geht zumindest etwas auf die wirklichen Probleme ein.

  • T
    Tortes

    Ganz so schwarz wie Frau Pinl würde ich die Situation jetzt nicht sehen.

    Der ehrenamtliche Dienst am Nächsten ist von der Zieldefinition da, als zwischenmenschlicher Akt dem Nächsten zu dienen, in einer aussergewöhnlichen Lebenslage, meist einer Notlage, welche der oder die Unterstützungsbedürftige nicht mehr alleine bewältigen kann.

    Das gilt nicht nur für Pflegedienste, sondern beispielsweise die Feuerwehren, Technisches Hilfswerk usw. oder z.B. jetzt gerade die Hochwasserhilfe an der Elbe.

    Ich selbst bin im Technischen Hilfswerk aktiv und weiss daher, was ein Ehrenamt ist, wenn ich darüber rede oder schreibe.

    Nun spricht man sich ja immer öfter dagegen aus, alle Lebensbereiche des Menschen durch zu kommerzialisieren, das würde das menschliche Leben vollumfänglich ausschliesslich den Marktgesetzen ausliefern und damit letztendlich entmenschlichen.

    Nun aber zu fordern, das Ehrenamt als verkapptes Billiglohnparadies auf sozusagen gerechte Entlohnungsebene für die Beschäftigten zu stellen, würde nachgerade solch eine Kommerzialisierung durch die Hintertür einführen.

    Und eine neoliberale Kommerzialisierung auch noch der letzten wirklich sozialen Ecken unserer Gesellschaft, das wäre wirklich das Letzte, was uns hierzulande noch passieren dürfte.

     

    Was jedoch wichtig ist, ist die Ausgestaltung eines Ehrenamts. Kann der ehrenamtlich Tätige wirklich als Mensch auf menschenfreundliche Art und Weise für die Menschen da sein ?

    Im Klartext, ein Bufdi im Altenheim, der sich für die Leute Zeit nehmen kann, ihnen zuhört, auf sie eingeht, der ist immer noch besser, als ein regulär bezahlter Pfleger, der jeden Service mit der Stopuhr im Hinterkopf machen muss, damit der Zeitaufwand pro Pflegefall blos nicht zu groß wird.

     

    Nein, die Sinnhaftigkeit des Ehrenamts darf eben gerade nicht an den Bezahlungen fest gemacht werden, denn der Sinn des Ehrenamts ist es ja gerade nicht, dort reguläre Einkommen zu verdienen.

    Dort geht es darum, für Menschen um der Menschen willen da zu sein, und eben nicht um des Geldes willen.

    Von daher ist die Betrachtung des Ehrenamts rein von der Bezahlungsseite her der vollkommen falsche Blickwinkel.

  • H
    hinten

    Frontseite der Monetarisierung!

     

    Das ist nicht die Kehrseite der Nächstenliebe, sondern die offene Seite der Monetarisierung der Gesellschaft. Alles muss berechnet und bezahlt werden. Kindererziehung? Kostenpflichtige Kitas. Ehrenamt? Wegnahme von Arbeitsplätzen. Wasser? Privatisierung. Freiwillige Dienste? Dringend notwendig für die Reifung und den Zusammenhalt in der Gesellschaft!

  • H
    Humanist

    ... und wieder ein Grund, warum unsere Gesellschaft so dringend ein bedinungsloses Grundeinkommen braucht!

     

    http://blog.freiheitstattvollbeschaeftigung.de/