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"Ismen" jeglicher Art führen schnell zu Spaltereien und bedienen sich auch allerlei Bipolaritäten. Die feministische Bewegung hat in den mehr als 200 Jahren ihres Bestehens sehr viel bewegt und Fehlentwicklungen, die in Jahrtausenden, in denen die männliche Geschlechtszugehörigkeit spirituell überhöht und zum Maßstab ernannt wurde entstanden sind korrigiert. Mittlerweile sind wir aber in der Lage, Geschlechterstereotypien zu hinterfragen und auf sie zu verzichten. Sowohl was Positiv- als auch Negativzuschreibungen betrifft. Die derzeitige Debatte um sexuelle Gewalt zeigt, wie stark die Menschen das Thema bewegt und wie sehr wir noch Klischees anhängen. Zum Beispiel dem vom weiblichen Opfer und männlichen Täter. Die Realität ist komplexer und verzwickter. Wir haben genug Wissen, um notwendige Veränderungen zu betreiben, was wir unter Anderem in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der sexuellen Ausbeutung von Kindern gewonnen haben. Nun liegt es an uns, das auch anzuwenden. Das geht nur gemeinsam. Über alle Grenzen hinweg, die wir Menschen selbst zwischen den Geschlechtern, Generationen, Völkern und Weltanschauungen errichtet haben.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden
Wir können zwar zum Mars fliegen und Roboter bauen, die unseren Rasen mähen, während wir im Urlaub sind, aber mit einer Flasche Bier im Kopf, speziell, wenn noch ein paar Kumpels dabei sind, haben wir uns nicht mehr unter Kontrolle. Kann man nicht schon im Kindergarten bzw. im frühen Elternhaus mit ein bisschen Respekt Lernen beginnen, statt die Ellbogen zu trainieren?
@Wuff ich gehöre zu ihrem "uns" nicht dazu
@6474 (Profil gelöscht) Na gut, dann eben alle ausser Ihnen.
2013 berichtete die Tag noch darüber dass "Kinderficker-Sekte" ein Begriff sei, der juristisch gedeckt sei und als "Schmähung" habe neunzehnen sei ( http://www.taz.de/!5067953/ ). Schön zu lesen, dass die taz in einem Kommentar wieder den Dreh hinbekommt und solche Bezeichnungen als "zutiefst respektlos" qualifiziert werden. Es fehlt mir nur eins. Der Respekt gilt natürlich gegenüber Frauen (und Männer) in allen Religionen. Selektiver Respekt ist keine Option für einen "Neuen Feminismus"
@Rudolf Fissner Die systematische sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester und Nonnen und evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer, vor Allem aber das nachhaltige Vertuschen dieser Fälle über Jahrzehnte hinweg war nur möglich, weil die christliche Religion auf der Trennung der Geschlechter und relativ rigider Rollenzuschreibungen basiert. Dass die umfassende Debatte darüber bei uns in Deutschland erst fast auf den Tag genau 6 Jahren einsetzte, hat gute Gründe. Die RKK und die EKD sind in unserem Land politisch und wirtschaftlich bestens etabliert. Staat und Kirchen strikt zu trennen ist längst überfällig. Wie beide christlichen Kirchen, was die Aufklärung ihrer Missbrauchskriminalität betrifft, Politik und Öffentlichkeit getäuscht haben, ist das beste Argument dafür.
Sehr geehrte Frau Wiedemann,
"Helferinnen [sind], wie in allen Ehrenämtern, zahlreicher [..] als Helfer." Woher haben sie diese Information? Laut dem Engagementbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 "Für eine Kultur der Mitverantwortung" sind in allen Altersgruppen mehr Männer als Frauen ehrenamtlich aktiv (S. 73, Tabelle III 2-7). Insgesamt sind 40% aller Männer und 32% aller Frauen engagiert (S. 72). Dazu heißt es in der zusammenfassenden Broschüre:
"Frauen sind im bürgerschaftlichen Engagement eher unterrepräsentiert, und zwar in bestimmten Bereichen wie etwa dem Sport, insbesondere aber in Leitungspositionen. Wie bei Männern variiert auch bei Frauen das Engagement mit der Lebensphase. So entspricht die Engagementquote 45- bis 55-jähriger Frauen beinahe derjenigen gleichaltriger Männer. Hingegen sind Frauen zwischen 25 und 30 Jahren deutlich seltener bürgerschaftlich engagiert als Männer ihrer Altersgruppe. Es ist anzunehmen, dass Ausbildung und Berufseinstieg insbesondere jungen Müttern weniger Zeit für zusätzlichen Einsatz im bürgerschaftlichen Engagement lassen."
Über eine von Ihnen kolportierte Zunahme von "alkoholisierten Männerbünden "und "öffentlichen Saufens" hat meine kurze Recherche nichts ergeben. Aber vielleicht können Sie mir das nachreichen?
Schließlich wäre es zu begrüßen, wenn Sie Ihre Erkenntnisse zur Prävalenz sexueller Belästigung in muslimischen Ländern auf einer größeren Stichprobe als n=1 basieren könnten. Da haben in letzter Zeit doch genug Stimmen Ihre Erfahrungen kundgetan. Möchten Sie diese vielleicht nicht hören?
Wie dem auch sei, es wäre schön, wenn sie Ihre Urteile über Menschengruppen auf Fakten gründen würden. Andernfalls könnte man meinen Sie würden am "irren Gallopp der Verallgemeinerungen" teilnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Max Rapp
Sehr geehrter Herr Rapp,
kritische Lektüre und das Einfordern von Belegen sind immer zu begrüßen. In Bezug auf das ehrenamtliche Engagement in der Geflüchtetenhilfe hat eine Studie des BMI aus dem Jahr 2014 ("Strukturen und Motvie der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit in Deutschland") ergeben, dass in diesem Bereich überproportional viele Frauen tätig sind (72 % weiblich, 24 % männlich).
Nachzulesen auf :
http://www.fluechtlingshilfe-htk.de/uploads/infos/49.pdf (S. 15)
Herzliche Grüße
B. Sachs
Sehr geehrter Herr Sachs,
vielen Dank für die interessante Information. Das war mir bisher nicht bekannt. Rechthaberisch wie ich bin, merke ich an, dass die im Artikel getroffene Aussage und von mir kritisierte Verallgemeinerung ("wie in allen Ehrenämtern") dadurch aber nicht gerechtfertigt wird.
Es könnte aber zugegebenermaßen sein, dass sich das ehrenamtliche Engagement von Männern auf einige wenige Bereiche (z.B. Sport) konzentriert und Frauen daher in den meisten Ehrenämtern in der Mehrheit sind, obwohl weniger Frauen insgesamt engagiert sind. Dann wäre Frau Wiedemanns Aussage wohl legitimiert. Das Wissen darüber scheint sie aber exklusiv zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Max Rapp
@FILOU SOPHIA: In Ihrem Beitrag findet fast jeder Satz meine Zustimmung. - Im ersten Satz meinten Sie aber gewiß nicht Charlotte Wiedemanns Kommentar? Denn sie weiß sehr wohl zu differenzieren. - Aus Neid, Missgunst und Konkurrenz als oberster Maxime aller Verhältnisse, wie Sie es so treffend nennen, ließe sich tatsächlich das meiste "westliche" Verhalten ableiten. So wie krasse Armut unglücklich macht, macht unser krasser Wohlstand offenbar nicht glücklich, sondern fördert die von Ihnen genannten Verhaltensweisen, die grundsätzlich für permanent schlechte Laune sorgen. - Und diese Haltungen haben alles bei uns durchtränkt und wirken deshalb von "allem" her wieder auf die Gesellschaft zurück, sorgen für endlose Reproduktion ihrer selbst. Die Zeitung mit den großen Buchstaben ist davon nur ein kleiner Teil. Grundsätzlich sollen die Leute mit ihrem Geiz, ihrem Neid, ihrer Habsucht, ihrem Konkurrenzdenken hübsch mit sich selbst beschäftigt und hinsichtlich der wirklichen "öffentlichen Belange" abgeschottet von den anderen bleiben. Es ist der Tod jedes geselligen Zusammenlebens, das viele Primaten - wie z.B. Bonobos oder Flachlandgorillas - besser beherrschen, als der "kapitalistische Mensch". Nur zur gemeinsamen Artikulation der Mißgunst und des Neides findet man sich zusammen (Pegida und all die anderen).
& FILOU SOPHIA :-))
... und wenn der homo capitalisticus , im weiteren Eigenverlauf des Niederganges des kapitlistischen Systems - trotz Verfügbarkeit des gesamten Menschheitserfahrungs- und Wissens der Wissenschaften (Bibliotheken , Medien , Internet ) für jedermann/frau - nicht zur Emanzipation von seinem selbstgemachten kapitalistischen Gesellschaftssystem fortschreitet (und danach sieht es z.Zt. wahrlich nicht aus) , dann Gute Nacht ! - homo stultus stultissimus !
Liebe Frau Wiedemann,
die Naivität ihre Aussage ist erstaunlich. Wahrscheinlich liegt ihre gute Erfahrung daran, dass sie zu einer privilegierte Gruppe gehören – weiß und europäisch. Sprechen Sie mal in denen von ihnen bereisten arabischen Ländern Frauen aus Indien, Afrika oder Asien, und Sie werden ein komplett anderes Bild bzgl. sexueller Belästigungen bekommen: http://www.scmp.com/news/asia/article/1763443/filipina-maid-beaten-and-raped-rescued-bahrain-employer-after-facebook?page=all
Oder sprechen Sie mit Frauen wir Marte Deborah Dalelvaus Norwegen, die nach einer Vergewaltigung in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu einer langjährigen Haftstraf verurteilt wurde ( „sex outside of marriedge“). (http://www.bbc.com/news/world-middle-east-23404042) die, weil Ihre Geschichte dem lokalen Tourismus geschadet hat, vorzeitig begnadigt wurde.
Ihre Aussagen erinner sehr an die falsch aber gut, erfunden Aussage von Marie Antoinette „ ›So mögen sie Kuchen essen‹« - ignorant und realitätsfern.
PS
Aus meiner persönlichen Erfahrung: Auf den Flügen von Saudi Arabien nach Dubai waren es die Herren in Qamis (traditionelles Weißes Gewand aus Saudi Arabien) die im Duty Free die 2 Liter Flaschen Jack Daniels gekauft haben – aber Wahrscheinlich nur als Gastgeschenk ;)
Soviel zu ihre „Abwesenheit von Alkohol im öffentlichen Raum“!
@H S Wie auch immer man die von Frau Wiedemann hier angegebene Zahl interpretieren mag, sie ist (im Unterschied zu ihnen) eine Expertin auf dem Gebiet, schreibt auf unterschiedlichen Ebenen seit zwei Jahrzehnten darüber: http://www.charlottewiedemann.de/buecher Aber das ist eben auch Zeichen dieser Zeit, dass man den Experten auch dann nicht erkennt, wenn er vor einem steht. Weil man das auch gar nicht möchte und andere Absichten hegt.
Es gibt kaum noch einen Kommentar, der nicht über alles, worin er differenzieren könnte, seine dicke Soße gießt. Wenn seit Jahrzehnten 1/3 des Landes sich fremdenfeindlich äußerte, was dachte man sich denn dabei? Dass sich viele einen charismatischen Führer wünschen, der ihre Ressentiments kanalisiert, ist das so erstaunlich? Erreicht die Misogynie im Lande tatsächlich eine neue Dimension? Dass Ressentiments korrelieren, bedeutet nun schon das Deutschland morgen kippen könnte?
Alarmismus und Publikumsbeschimpfung sind keine Mittel, um einen Diskurs zu analysieren. Vor allem nicht, wenn unter all dem hasserfüllten Firnis immer und überall stets der Verteilungskampf durchschimmert. Wieviele Menschen einander nur darum niedermachen, weil der andere etwas haben könnte, was einem mangelt... Auch Hoffnung, Aufmerksamkeit, Perspektive oder Glauben sind Ressourcen. Wenn der Westen an etwas zugrundegeht, ist es der Neid. Und ein System, das Neid, Missgunst und Konkurrenz zur obersten Maxime aller Verhältnisse begreift.
@24636 (Profil gelöscht) Und der Neid wir dadurch geschürt, dass immer weniger immer mehr besitzen, die Schere also dabei ist, sich in zwei Messer zu zerteilen. Aus dieser Spannung ergibt sich Wut, die kanalisiert werden will und da der neidische Wutbürger keinen Mut hat, seinen Blick nach Oben zu wenden, wohin er buckelt, tritt er halt nach Unten. Und die da oben feixen sich einen.
"Es ist nötig, einen Feminismus der Einwanderungsgesellschaft zu entwickeln, mit neuen Allianzen – und mit einer Vision von Emanzipation, die über die Grenzen von Religion, Hautfarbe und Lebensstil hinweg verbindend sein könnte." - Da sind dicke Bretter zu bohren, oh ja. Frau Wiedemann gehört zu denjenigen, denen ich dies zutrauen würde - vertritt sie doch nicht "bloß" eine progressive Haltung, sondern besitzt tiefe Kenntnis von jenen Menschen, Ländern, Kulturen, um die es hier geht. - Westlicher Feminismus konnte hinsichtlich nicht-westlicher Kulturen penetrant bevormundend sein ("Sollen wir uns von euch auch noch vorschreiben lassen, wie wir uns als Beschnittene zu fühlen haben", sagte eine Afrikanerin). Damit wird er nicht weit kommen. Stattdessen ist Einfühlung nötig.
Ähm. Der Diskurs schwimmt offenkundig gewaltig. Und solange die Narrative wild ausschlagen, ist kein fester Grund dabei je zu erreichen. Wollen wir uns also zunächst einmal auf den Verzicht auf Emotionalisierungen und Diffamierungen einigen? Den Islam zu kritisieren ist nicht rassistisch, es hat mit Rasse absolut nichts zu tun. Wenn es auch Frauen im Islam gibt, die nicht unterdrückt sind, ist Islamkritik noch lange nicht antifeministisch. Und Realität wird nicht durch den Einzelfall bestimmt, sondern von der Wahrscheinlichkeit, von der Regel, vom den schriftlich fundierten Grundsätzen. Und dabei hat der Islam mit den Frauenrechten ein Problem, sowohl in Koran, Hadithen und Fatwawa, als auch in den Statistiken der Realität, einerlei ob norwegische Kriminalstatistiken, ägyptische Universitätseinschreibungen oder saudische Wahllisten.
So, und dann, aber erst dann, lassen sie uns darüber reden, wie wir die Situation verbessern können, ohne weitere Menschen, ob Mann oder Frau, zu diskriminieren.
Jau. Die Luft brennt noch nicht lichterloh; aber sie brennt.
danke! ein sehr differenzierter und deshalb klarer blick auf die problematik!
Frau Wiedemann, bitte verwechseln Sie nicht "Religion" mit "kulturellem Hintergrund". Ich glaube nicht, dass junge Frauen speziell sich vor dem Islam fürchten. Aber vielleicht haben sie aber Angst vor Männern aus Ländern, in denen Frauen eine deutlich unfreiere gesellschaftliche Stellung haben als Männer.
@Sergei Denissow Danke! Denn, die arabische Gesellschaft ist von der Gleichberechtigung der Geschlechter weiter entfernt als die Sonne vom Mond!
@Sergei Denissow Vielleicht haben Sie auch Angst vor antiislamischen Hetzern, denn die sind letztlich von Angst getrieben und wollen Freiheiten aller Art - auch feministische - gerne einschränken...
@Grisch Ja, antiislamische Hetze sollte als solche entlarvt und geoutet werden.
@Sergei Denissow Religion IST kultureller Hintergrund. Religon ist die bewußte/unbewußte Säule jeglicher Kultur. Nüchtern betrachtet ist das lediglich historische Entwicklung, nicht mehr und nicht weniger.
Auch falsch.
Kultur ist eine sehr komplexe und veränderliche Matrix, in der Religion, je nach Fall, einen größeren oder kleineren oder gar keinen Anteil hat.
Wäre Religion die entscheidende „Säule“, würde ohne sie doch alles zusammenbrechen oder zumindest ins Wanken geraten müssen, wenn bspw. eine neue Religion Einzug hält oder eine Säkularisierung stattfindet. Passiert aber nicht.
Das Gedenken zum 7. Oktober an Hamburger Schulen sorgte für Kontroversen. Eine Lehrerin schildert ihre Erfahrung dazu.
Debatte Neuer Feminismus: Auf der Kippe
Seltsame Allianzen gibt es nach der Kölner Silvesternacht. Gegen (antimuslimischen) Frauenhass hilft aber nur ein neuer Feminismus.
Niemand sagt, dass es leicht wird Foto: emoji/photocase.de
Ich habe in den vergangenen Wochen einiges über mein Land erfahren, das ich lieber nicht gewusst hätte. Das klingt arg unpolitisch, ich weiß. Aber es ist bei mir ein Bedürfnis nach Selbstschutz aufgekommen, angesichts der rasanten Verrohung dessen, was öffentliche Debatte zu nennen ein Euphemismus ist.
Frauen, die eine falsche Meinung äußern, werden im Netz mit Gewaltfantasien überschwemmt. Gruppenvergewaltigung als Erziehungsmittel, wenn du nicht einstimmst in den anti-islamischen Sound. Eine Frau, die vom Kölner Hauptbahnhof berichtete, sie sei von arabisch aussehenden Männern respektvoll behandelt worden, muss sich anhören: Weil du zu alt und zu hässlich bist, du Schlampe. So kommt das massenhaft jetzt.
Ich hatte nicht gewusst, dass es sich so anfühlt, wenn Frauenhass auf der antiislamischen Überholspur fahren darf.
Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass sich der Hass sogar an einer Frau wie Nariman Reinke entladen würde: in Hannover geborene Tochter marokkanischer Einwanderer, 36 Jahre, bei der Bundeswehr im Bataillon Elektronische Kampfführung tätig, war in Afghanistaneinsätzen, ist Vizevorsitzende eines Vereins Deutscher Soldat e. V. Sie schreibt: „Hier noch mal für alle: Nein, ich kann es trotz meines Migrationshintergrunds und meiner Religion nicht nachvollziehen, wenn Frauen vergewaltigt werden – egal von wem. Die Annahme, dass ich es könnte, ist ein Abgrund menschlicher Dummheit.“ Geht man all die Kommentare dazu durch, wird schnell klar: Frau Reinke wird nicht trotz ihrer Superintegriertheit gehasst, sondern deswegen. Eine Frau in Uniform, die sich nicht unterwirft.
Respektlos statt kritisch
Wie würde ich mich fühlen, in diesen Tagen, in diesem Land, wenn ich Muslimin wäre? Ich würde lesen, zum Beispiel in dieser Zeitung, dass ich für meine Religion nur ein „Zeugungsbehältnis“ bin, und ich würde mich vermutlich übergeben. Die gegenwärtige Debatte über den Islam als Belästiger- und Grabscherreligion ahmt genau das nach, was sie zu kritisieren vorgibt: Sie ist zutiefst respektlos gegenüber den Frauen, die dieser Religion angehören, gegenüber Millionen stolzer und hochgebildeter Musliminnen. Ob sie so geworden sind trotz ihrer Religion oder durch ihre Religion, dazu kann jede eine andere Geschichte erzählen. Kaum eine klingt so wie bei den neuen deutschen Hobbyarabisten.
Und ja: Ich bin auf meinen Reisen durch muslimische Länder fast nie belästigt worden; ich erinnere mich an zwei Vorfälle innerhalb von 17 Jahren. Die Abwesenheit von Alkohol im öffentlichen Raum empfand ich stets als Schutz, konkret: die Abwesenheit alkoholisierter Männerbünde. Theoretisch hätte man nach Köln auch eine Generaldebatte beginnen können, wer unter der Zunahme öffentlichen Saufens leidet. Wie gesagt: rein theoretisch.
Es ist nötig, einen Feminismus der Einwanderungsgesellschaft zu entwickeln
Haben wir uns nicht früher oft gefragt, wie in heiklen historischen Momenten diese überschießenden Massenerregungen entstehen konnten? Der Thronfolger erschossen, und dann ein Weltkrieg? Die Juden galten noch als privilegiert, als ihre Geschäfte brannten. Das war Geschichte. Moderne Gesellschaften würden so nicht mehr funktionieren, mit ihrer vielstimmigen Öffentlichkeit. Ist es so?
Man kann in diesen Tagen beobachten, wie schnell konvulsive Stimmungen entstehen und wie rasch ein Geschehen, noch bevor Genaues bekannt ist, zu einer ideologischen Lawine wird. Ein Naturereignis ist das nicht. Gewiss, was sich im Netz abspielt, ist nicht zu steuern. Aber warum verweigern sich die meisten Redaktionen und Moderatoren nicht der Eskalationsspirale? Woher kommt die Lust am grafisch-peppigen Rassismus, bis hin zum Wiener Falter? Und was treibt diesen irren Galopp der Verallgemeinerungen an? Kaum zu toppen der Titel des Economist: „Crossing the line – Migrant men, European women and the cultural divide“. Das klingt wie eine epische Zeile über den neuen Krieg. Mir wird kalt.
Gerade wird Hitlers „Mein Kampf“ in der einhegend kommentierten Neuausgabe rezensiert. Wenn jemand sagt, die Muslime seien die Juden von heute, zucke ich zusammen, weil der Vergleich den Judenmord grotesk verharmlost. Aber eines fällt mir in diesen Tagen auf: Ein Erlösungswahn, wie er den damaligen Antisemitismus befeuerte, findet sich auch im jetzigen Islamhass. Alles in Deutschland wäre besser ohne die Muslime, heißt es wieder und wieder im Netz. Und das zielt keineswegs nur auf Flüchtlinge. Auch der Berufssoldatin Reinke wird gesagt: Alles besser ohne solche wie dich. „Adolf, komm zurück.“
Neue Allianzen
Was tun? Ich habe den Aufruf #ausnahmslos früh unterzeichnet: „Frauenrechte sind kein Vorwand für Rassismus.“ Es ist nötig, einen Feminismus der Einwanderungsgesellschaft zu entwickeln, mit neuen Allianzen – und mit einer Vision von Emanzipation, die über die Grenzen von Religion, Hautfarbe und Lebensstil hinweg verbindend sein könnte. Darüber habe ich schon „vor Köln“ geschrieben; jetzt scheint ein fortschrittlicher und antirassistisch argumentierender Feminismus noch dringender.
Eine Allianz von Musliminnen (auch praktizierenden) und Nichtmusliminnen wäre neu. Es sind ja keineswegs nur Männer, die religiös lebenden Musliminnen Unterwerfung nachsagen. Und der Komplex „Flüchtlinge und die Frauenfrage“ ist doppelt sensibel: weil Helferinnen, wie in allen Ehrenämtern, zahlreicher sind als Helfer. Und weil, weit über den Kreis der Engagierten hinaus, viele Frauen derzeit gefühlsmäßig an einer Wegscheide stehen: Sie haben einerseits Verständnis und Mitleid für die Gestrandeten, fürchten andererseits zunehmend deren Zahl und Kultur.
Mir scheint, dass wir im Augenblick in einer sehr fragilen Situation sind. Es kommt auf jeden Einzelnen an: Möge er oder sie versuchen, psychisch und intellektuell auf Abstand zu gehen, auf Abstand zu diesem Karussell öffentlichen Wahnsinns.
Doch, ich habe Angst. Ungarn, Polen, darauf haben wir noch mit Befremden geblickt. Nicht unseres, was da passiert. Der Rechtsruck der anderen. Aber was, wenn Deutschland kippt?
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Schwerpunkt Rassismus
Kommentar von
Charlotte Wiedemann
Autor*in
Themen
Aminata Touré: Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt – taz Talk