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Debatte KlimaIns Scheitern verliebt

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Klimakonferenz von Warschau war keineswegs ein Misserfolg. Aber wir reden uns das ein, damit wir besser schlafen können.

Die Debatten der Klimapolitik sind erschreckend eindimensional. Bild: dpa

W as zu Klimakonferenzen zu sagen ist, hat Sigmar Gabriel erklärt, als für ihn das Thema noch mehr war als nur ein lästiger Punkt im Koalitionsvertrag: „Gemessen am Möglichen ein Erfolg, gemessen am Nötigen ein Misserfolg“, so sinngemäß der damalige Umweltminister 2007. Denn auch wenn es wehtut: Klimaschutz und Klimakonferenzen sind zwei paar Schuhe, die man nicht miteinander verwechseln sollte.

Aber gerade das passiert seit dem dem Ende des UN-Klimagipfels in Warschau vor zwei Wochen. „Gescheitert“ sei die Konferenz in der polnischen Hauptstadt, heißt es überall. Das stimmt selbstverständlich, wenn man die Konferenz daran misst, ob sie den Klimawandel stoppt.

Aber dafür sind die Konferenzen nicht da. Sie sind ein quälend langsamer Konsensprozess, bei dem sich Staatsvertreter darüber verständigen, wie sie mit der größten Bedrohung ihrer Wirtschaft und ihres Lebensstandards umgehen wollen.

So gesehen brachte Warschau die erwarteten Ergebnisse: einen Fahrplan bis zur entscheidenden Konferenz in Paris 2015; eine Debatte über Klimaschäden; ein bisschen mehr Geld und ein paar Ökorichtlinien für den Wald. Nicht berühmt. Aber sicher kein Scheitern.

Am Morgen danach

Das Gerede vom „Fehlschlag“ hat viele Gründe. Einer ist die unrealistische Erwartung, dass am Morgen nach einer Klimakonferenz alles geklärt ist. Interessanterweise denken die Menschen das von anderen Treffen nicht. Beim jahrelangen Gefeilsche um das iranische Atomprogramm war auch nach ergebnislosen Treffen immer nur die Rede davon, man werde weiterverhandeln.

Dann war der angebliche Fehlschlag von Warschau vor allem ein Medienereignis. Als am vorletzten Tag Greenpeace, WWF und Co. unter lautem Protest die Konferenz verließen, lief diese ganz normal weiter. Nur die Fernsehbilder erzählten eine andere Geschichte: Skandal, Abbruch, Aus!

Wir sind eben verliebt ins Scheitern. So erklärt dann Harald Welzer im Spiegel, der Klimawandel sei in Warschau „final von der Tagesordnung der Weltpolitik genommen worden“. Eine knallige These, die nicht belegt wird, aber die „komplette Machtlosigkeit der bisherigen Strategien“ behauptet. Für den Professor für „Transformationsdesign“, der kluge Dinge etwa über die nötigen Veränderungen der Industriegesellschaften geschrieben hat, lautet die Konsequenz: „Kein Kapital für den Kapitalismus“, hin zur Gemeinwohlwirtschaft: Energiegenossenschaften, ethische Banken, Tauschbörsen und Umsonstläden – und Schluss mit den Investitionen in Fossile-Energie-Konzerne.

Eine interessante Strategie für die Transformation von Industriegesellschaften, aber als Ersatz für die Klimaverhandlungen völlig unpassend.

Grüne oder schwarze Ökonomie

Schwellenländer wie China und Indien versuchen gerade mit aller Macht, der Welt von Tauschbörsen und Umsonstläden zu entkommen. Sie suchen nach einem Weg, aus der Armut herauszuwachsen, ohne alle Kohle dieser Welt zu verfeuern. Und sie geben auf den Klimakonferenzen inzwischen den Takt vor.

Ob das Etikett auf dem ressourcenintensiven Entwicklungsmodell „Kapitalismus“ oder „Sozialismus“ heißt, ist vielen dieser Staaten und Unternehmen letztlich egal. Wenn sie keinen Weg in irgendeine Green Economy sehen, die ihnen Strom, Heizung, sichere Nahrungsmittel und Mobilität garantiert, werden sie mit der Black Economy fortfahren, auch wenn die Folgen des Klimawandels sie am härtesten treffen.

Um ein solches irgendwie zukunftsfähiges Entwicklungsmodell wird auf den Klimakonferenzen gekämpft. Sie sind der einzige Ort, wo auch die globalen Verlierer eine Stimme haben. Wo sonst soll sich die Staatengemeinde denn darüber verständigen, wer und was den Klimawandel verursacht, wie ihm zu begegnen ist und wer dafür bezahlt? Die G20 könnten das Problem unter sich lösen, tun es aber nicht. Einzelne Projekte bleiben Stückwerk und willkürlich.

Es ist schon schwer genug, grünes Wirtschaften mit erneuerbaren Energien, Effizienz oder Recycling so vorzumachen, dass andere es kopieren wollen, wie der Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, es in seinem Buch „Intelligent wachsen“ beschreibt. Aber in Indien, China oder Brasilien, wo vor allem schnelle Armutsbekämpfung Priorität hat, denkt kaum jemand über Gemeinwohlwirtschaft nach.

Eindimensionale Debatten

Die Debatten der Klimapolitik sind manchmal erschreckend eindimensional. Und damit sind nicht nur die Lobbys von Kohle und Öl gemeint. Wer auf die Überwindung unseres Wirtschaftssystems setzt, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, hat möglicherweise die Dringlichkeit des Problems nicht begriffen. Auf ein Ende des Kapitalismus hoffen Menschen seit 150 Jahren. Für eine Trendwende bei den Emissionen haben wir noch 15 Jahre Zeit. Ebenso kurzsichtig argumentieren Umweltverbände, wenn sie grundsätzlich jede Art von Forschung an umstrittenen Techniken wie CCS oder Fracking ablehnen. Niemand ist von diesen Risikotechnologien begeistert. Aber vielleicht erweisen sie sich noch als die kleineren Übel.

Wer also der Konferenz von Warschau vorwirft, sie sei gescheitert, sollte sagen können, was denn ein Erfolg gewesen wäre. Und es sollte klar sein, dass das dauernde Gerede über den Misserfolg von Klimakonferenzen Folgen hat: Was dauernd schiefgeht, muss uns nicht interessieren. Es ist eine klassische sich selbst erfüllende Prophezeiung: Wenn wir lange genug gehört haben, dass wir scheitern, werden wir auch keinen Erfolg haben.

Die ersten Konsequenzen dessen sind schon zu sehen: Wenn es beim Klima ohnehin nichts zu holen gibt, müssen wir uns auch nicht über einen Koalitionsvertrag aufregen, der bei dieser „größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts“ (Angela Merkel) ohne Vision und Schwung daherkommt und das deutsche Klimaziel so ganz nebenbei in Rauch aufgehen lässt. Auch wenn dieser Vertrag von zwei ehemaligen UmweltministerInnen ausgehandelt wurde. Angela Merkel und Sigmar Gabriel wissen, was sie nicht tun. So, genau so sieht Scheitern aus.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Herr Welzer muss sich wohl die Phantasie designen, dass Klimakonferenzen „final von der Tagesordnung der Weltpolitik genommen wurden“. So kann er darauf hoffen, dass die strukturellen Beschränktheiten seiner geliebten Do-It-Yourself-Projekte am Ende als "große Weltpolitik" erscheinen. Oder welche werden, so sie denn ausreichend mit Welzerischem Transformationszauber angereichert sind.

     

    Bernd Pötters Behauptung vom Ende der Geschichte (vom Ende der von der Produktivkraftentwicklung angetriebenen Entwicklung neuer Gesellschaftsformationen) scheint dagegen rational, jedenfalls gegenüber einer "Anti-Green-New Deal" Linken, die die mit heißer Antikapitalismuslust aufgeblähte warme Rotsemmel unter die Leute bringen möchten.

     

    Beide vergessen, dass die - sehr rasche - Entwicklung eines "grünen Kapitalismus" ein existenziell notwendiges Durchgangsstadium zu einem Füreinander sein könnte (und von ihnen gefälligst voran zu bringen wäre), das auf Grundlage eines - am Ende weltgemeinschaftlichen - Nachhaltigkeitsmanagements funktioniert.

  • R
    Reiner

    Die Freunde der Steinkohle, der Chemieindustrie, der Atomenergie und der Quandtschen Aktiengesellschaften, sie müssen bei jeder Gelegenheit ihren Senf dazu geben!

  • "Für eine Trendwende bei den Emissionen haben wir noch 15 Jahre Zeit"?

    Haben wir nicht!

  • G
    gunterkrause

    Was will der Künstler damit sagen??? Etwas über die Bedeutungslosigkeit des Bodensees?

     

    Unabhängig von den Versuchen der Schilderung von einigen Dimensionen:

     

    Die ach so riesige Erdatmosphäre besteht zu mehr als 99,95% nur aus N2, O2 und Ar2. Auf Grund ihrer Molekülstruktur sind diese ca. 99,95% völlig Klima-neutral, und wir hätte allein mit dieser Atmosphäre einige 10 Grad weniger hier auf Erden.

    Bleibt das bissel Rest von um die 0,05%. Das ist nicht so genau, weil einfach zu selten nachgerechnet und veröffentlicht wird, auf welchen Wert ist der Sauerstoffanteil schon gesunken ist, wegen der Bindung von Sauerstoff in CO2 bei Verbrennungsprozessen.

    Die haben eine ganz andere chemische Formel, CO2, N2O, CH4. Die Moleküle muss man sich dazu noch räumlich vorstellen, es fällt mir wirklich verdammt schwer, das hier zu bildlich zu beschreiben. Ohne ein bisschen eigene Bildung geht es also nicht ;-). Aber die machen darum den Treibhauseffekt. Nicht der Bodensee an sich, verdünnt auf die große Atmosphäre ;-).

     

    Und schreiben Sie doch bitte groß, wo es sich gehört! Drücken Sie sich in vollständigen Sätzen aus! Seien Sie froh, dass es so überhaupt jemand beachtet ;-).

  • D
    denker

    dumm, dümmer, taz,

     

    dass die letzten hundert jahre verfeuerte erdöl würde den bodensee gerade zur hälfte füllen. alle anderen verfeuerten fosilen stoffe würden ihn ganz füllen. die erde ist 1 million mal größer als die fläche des bodensees, die atmosphäre wiederum bis in eine höhe von 10 km, ist 100 millionen mal größer als das volumen des bodensees (50 km³, wohl bemerkt die letzten hundert jahre, ich wette sie könnten die gleiche menge an einem tag verfeuern, würde global nicht auffallen.

    • @denker:

      Wer vorgibt, zu denken, seine Einleitung mit einer Beleidigung beginnt, um mit der Logik der Unverhältnismäßigkeit "Aufklärung" betreiben will, wie ein Kleinkind in der Raumfahrt, der sollte sich Troll schimpfen dürfen.

       

      Wirksam ist CO2 in der Atmosphäre in Teilen pro Million, nicht erst pro hundert. Die Konzentration ist von 280 ppm auf 400 menschgemacht gestiegen.

    • M
      Marius
      @denker:

      Interessante Statistik, hast du noch einen Link zu einer weiterführenden/vertiefenden Statistik oder Studie?

    • W
      weiterdenker
      @denker:

      ich möchte dich bitten eine Sekunde länger zu denken:

       

      Zuerst ist das Volumen von verbrannten Stoffen keines Wegs im allgemeinen gleich dem des dabei entstehenden Kohlendioxids. Diese ist nicht nur gasförmig, sondern abhängig vom verbrannten Stoff entsteht auch noch eine Vielzahl von Kohlendioxid-Molekülen pro Brennstoff-Molekül.

      Das zweite und viel wichtigere Argument ist, dass niemand Angst davor hat zu ersticken. Kohlendioxid in der Atmosphäre ist einer der verantwortlichen Stoffe für das, was gemein hin als Treibhaus-Effekt bekannt ist. Dieser trägt zur Erwärmung der Erde bei. Man geht davon aus, dass bei 2°C über normal Durchschnitts-Temperatur unwiderrufliche Prozesse beginnen und das gesamte System kippt. Im Moment sind wir bei 1,6°C über normal, wenn ich richtig informiert bin.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Eine sozialpolitische, ökonomische und ökologische Problemlösung gibt es nicht in der weltweiten kapitalistisch-imperialistischen Gesellschaftsformation - im Profit- und Dividendensystem des Finanz- und Monopolkapitals - der differenziert herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisien der Weltwirtschaftsmetropolen.

     

    Um diesen realen Zustand, - der ökonomischen und ökologischen Vernichtung der Existenzgrundlagen für Mensch, Tier und Natur -, zu beenden, dedarf es einer sozialen Revolution, einer (weltweiten) Gesellschaftsformation, die auf dem gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln beruht und deshalb die gesellschaftlichen, die sozial-ökonomischen Antagonismen und die Ausbeutung des Menschen und der Natur durch den Menschen für immer beseitigt.