Debatte Frauenhosen ohne Taschen: Gleichberechtigung in der Hose
Warum haben Hosen für Frauen keine oder kleine Taschen? Wer die Hosentaschenlobby stärkt, zerschlägt das Handtaschenkartell.
M an kann es sich einfach machen und dem Internetorakel gutefrage.net vertrauen. Demnach sind Hosentaschen für Frauen nur deswegen kleiner als bei Männern, weil deren Hände nicht so groß sind. Eine Erzählweise, die ablenkt und dem Handtaschenkartell gefallen würde. Tatsächlich ist der Sachverhalt komplexer, krimineller. Hinter jeder Hosentasche einer Frau steht ein Handtaschenhersteller, der gerissen die Fäden zieht.
Es geht um Macht, um Geld, um Einfluss. Und einen bis in die letzte Faser kapitalistischen Geheimbund, der es über die Jahre geschafft hat, enormen Einfluss auf etwa die Hälfte der Gesellschaft zu entwickeln. Opfer ist die Frau.
Mafiöse Strukturen üben ständig Druck auf die Hosentaschenlobby aus. Ja, diese Lobby gibt es wirklich, nur ist sie schlecht organisiert. Frauen aller Länder, vereinigt euch! Sprechen Sie mal eine x-beliebige Frau auf ihre Hosentaschen an. Nach einem kurzen, verständlichen Moment der Verwirrung werden Sie schnell feststellen, dass ihr das Problem vertraut ist und sie in Rage bringt.
„Put some real fucking pockets on my pants“, fordert die amerikanische YouTuberin „Hollishillis“. Gebt ihr doch verdammt noch mal endlich echte Hosentaschen! Per Definition sind echte Hosentaschen zum Unterbringen von Dingen bestimmt, die jemand bei sich tragen möchte. Frauenhosentaschen allerdings sind nicht dazu da, diesen Zweck zu erfüllen. Frauenhosentaschen sind dafür viel zu klein. Sie taugen höchstens zum Fingernägelaufwärmen.
Bitte keine Beulen
Obwohl alle Frauen dieses Platzproblem teilen, gehen nur wenige auf die Barrikaden, um für mehr Platz in ihren Hosentaschen zu kämpfen. Das Handtaschenkartell legt beruhigt den kleinen Finger in den Mundwinkel und lacht sich eins.
Es ist das Wochenende des Martin Schulz: Am Sonntag wird er zum Kanzlerkandidaten und Vorsitzenden der Partei gekürt, die so gut dasteht wie lange nicht mehr. Welche Substanz dieser Höhenrausch hat, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 18./19. März. Außerdem: Im sächsischen Freital wird der rechten Terrorgruppe der Prozess gemacht. Eine Gerichtsreportage. Und: Warum fängt Gleichberechtigung in der Hose an? Das alles – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Dieses hatte schon vor etwa 150 Jahren damit angefangen, stetig seine Macht auszubauen. Sowohl Handtaschenkarteller als auch Hosentaschenlobbyisten unterwarfen sich einem gesellschaftlichen Diktat: „Je zierlicher die Frau, desto attraktiver.“ Handtaschen entwickelten sich danach indirekt proportional zu den Hosentaschen. Je größer die Tasche am Arm, desto kleiner die Tasche am Bein. Je größer die Tasche am Arm, desto zierlicher erscheint die Frau. Es war nur eine Frage der Zeit, bis erste Handtaschenhersteller die Chance witterten und ihre Marktmacht durch Hand- und zusätzlich Zu-kleine-Hosentaschen-Verkauf sicherten. Die Hosentasche machte sich überflüssig. Sie ließ sich vom Handtaschenkartell abschaffen.
Heute ist die „Skinny Jeans“ eine der meistgetragenen Frauenhosen, die Hüfthose ist etabliert. Deren Kreateuren geht es vor allem darum, dass der Arsch gut aussieht und die Waden nicht zu krass spannen. Eng ist gut, und für Taschen, in die etwas hineinpasst, das die Hüften ausbeult, ist in der Hose kein Platz. Die Handtasche übernimmt den Rest: Portemonnaie, Schlüsselbund und, wenn nötig, ein umfangreiches Survival-Kit.
Doch es gibt sie, die Frauen, die immer wieder versuchen, das zu ändern. Mit Hosen. Mit anderen Hosen. Die Sängerinnen Lady Gaga oder die Schauspielerin Selena Gomez tragen sie „highwaisted“, das heißt weit über den Hüften, sodass reichlich Platz für fette Hosentaschen ist. Es sind Hosen, die nach einer Deklination von Beziehungs- und Verwandtschaftsstatus klingen. Sie heißen Mom-, Girlfriend- oder Boyfriend-Jeans. Modemagazine schreiben ihnen in den Beipackzettel: „Derartige Jeans lassen das Hinterteil breiter und flacher wirken. Sie sollen möglichst unmodisch aussehen und verlangen deswegen ordentlich Selbstbewusstsein.“
Selbstbewusstsein, das die Hosentaschenlobby auch gebrauchen kann. Es geht nicht darum, einen Geschäftszweig zu zerstören, sondern darum, einen zu stärken. Eine starke Hosentaschenlobby bedeutet Freiheit. Die Freiheit der Frau, selbst zu wählen, ob sie Wertsachen oder was auch immer in ihre Hosentaschen steckt oder in eine Handtasche packt. Es geht um die Befreiung aus der Unmündigkeit. Wer künftig eine Handtasche tragen will, soll dies tun, aber selbstverschuldet und nicht durch den Einfluss eines unbändigen Handtaschenkartells, das sich die Verkäufe durch zu kleine Hosentaschen sichert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten