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Debatte EnergiewendeNicht auf Politiker warten

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Erneuerbaren sind keine Staatsdoktrin, sondern ein Gemeinschaftsprojekt. Bewusste Bürger können es weiter vorantreiben.

Bei bewussterem Stromverbrauch wären einige AKW nicht mehr nötig Bild: dpa

A uch für die Energiewende gilt der einstige Appell John F. Kennedys. Frei nach dem präsidialen Aufruf der sechziger Jahre „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“, heißt es nun: „Frage nicht, was das Land für deine Energiewende tun kann, sondern was du für die Energiewende tun kannst!"

Denn die Energiewende ist – anders als ihre Kritiker den Eindruck zu erwecken suchen – keine Staatsdoktrin. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Bürger, eine Errungenschaft der Zivilgesellschaft.

Die Historie ist: Lange bevor deutsche Regierungen an den Umstieg auf erneuerbare Energien dachten, bauten Bürger die ersten (noch unwirtschaftlichen) Solaranlagen auf ihre Dächer, entwickelten Forscher die nötige Technik, setzten engagierte Unternehmer auf die Ökosparte.

Um nicht missverstanden zu werden: Druck auf die Politik ist stets wichtig, damit diese ihre Hausaufgaben macht und den Erneuerbaren stabile Rahmenbedingungen sichert. Überfällig ist zudem ein neues Strommarktmodell, das flexiblen Erzeugern und Verbrauchern eine wirtschaftliche Basis schafft.

Anbieter wechseln

Doch was tun, wenn die neue Regierung sich ziert und mehr blockiert als antreibt? Schließlich sieht es danach im Moment aus. Die Antwort kann nur sein: Dann muss sich die Bürgergesellschaft eben, wie einst, wieder auf eigene Faust auf den Weg machen.

Verzagtheit ist dabei fehl am Platze, denn Möglichkeiten einer Energiewende von unten gibt es weiterhin viele. Ein erster Schritt ist der Stromanbieterwechsel, weil er Wirtschaftsmacht verschiebt von den Eons dieser Welt zu Grünstromfirmen – Demokratie per Stromvertrag sozusagen.

Statt auf Kohle setzen die Ökos nämlich auf flexible „Zuhausekraftwerke“ wie der Anbieter Lichtblick oder erzeugen aus Ökostrom „Windgas“ wie Greenpeace Energy. Die Ökostromer werden auch wichtige Akteure sein bei der künftigen Vermarktung des Ökostroms, dann nämlich, wenn die garantierten Einspeisevergütungen eines Tages auslaufen.

Persönliche Energiewende

Der nächste Schritt zur persönlichen Energiewende ist der sparsame Umgang mit Energie. Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, erhöht den Druck auf die Kohlestromer und hilft mit, die CO2-Schleudern aus dem Markt zu drängen. Effizienz ist die Königsdisziplin der Energiewende.

Auch hier sind die Käufer von Ökostrom übrigens oft schon weiter, denn im Mittel verbrauchen sie 20 bis 30 Prozent weniger Strom als der Durchschnittshaushalt. Am deutlichsten zeigt sich das bei den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), deren Haushaltskunden im Schnitt mit 2.417 Kilowattstunden Strom im Jahr auskommen – gegenüber einem deutschen Normhaushalt mit 3.473 Kilowattstunden. So sparen die Grünstrom-Kunden fast 300 Euro im Jahr.

Gingen alle deutschen Haushalte so bewusst mit Strom um, wären sofort vier Atomkraftwerke weggespart. Dass gerade die Schönauer Kunden die sparsamsten sind, ist übrigens kein Zufall. Der Leitsatz der Schwarzwälder Stromrebellen heißt seit Jahrzehnten: „Entwickeln Sie ein liebevolles Verhältnis zu ihrem Stromzähler – besuchen Sie ihn täglich.“

Bewusstsein schafft Effizienz

In dieser Hinsicht kann die Energiewende aus Bürgerhand noch deutlich besser werden. Das zeigt sich anschaulich, wenn man Bürger nach ihrem Stromverbrauch fragt: In der Regel benennen sie nur ihre monatliche Abschlagszahlung. Die wenigsten können ihren Verbrauch in Kilowattstunden angeben – ein Hinweis darauf, dass sie sich mit Effizienz nie wirklich beschäftigt haben. Eine verschenkte Chance, schließlich ist sparsamer Umgang mit Energie vor allem eine Frage des Bewusstseins – und erst an zweiter Stelle eine Frage effizienter Geräte.

Oft ist es der unbedacht durch die Kabel schleichende Strom, der die Kosten treibt und die Ressourcen frisst. Den halben Weg zur Effizienz hat tatsächlich geschafft, wer seinen Stromzähler besucht: Man wirft vor der Nachtruhe einen Blick auf den Zähler und tut es morgens wieder. Ist in dieser Zeit mehr als eine Kilowattstunde durch die Leitungen gesickert, sind Stromräuber am Werk. Die zu ermitteln lohnt sich: Jedes Watt Stand-by-Verbrauch kostet im Jahr fast 2,50 Euro an Strom – und ein paar Dutzend Watt an versteckten Stromfressern sind gar nicht selten.

Aber nicht nur Energiesparen ist wichtig für die Wende von unten. Jede zusätzliche Photovoltaikanlage drückt weitere Kilowattstunden Kohlestrom aus dem Netz. Das Gleiche gilt für Blockheizkraftwerke in Wohnhäusern, im Gewerbe und in öffentlichen Bauten. Kann ein Gutteil des selbst erzeugten Stroms direkt im Gebäude verwendet werden, kommt man mitunter gar ohne Förderung aus – und bootet damit elegant die Kohlelobbyisten aus, die stets nach Kürzung der Förderung rufen.

Pioniere der Energiewende

Entsprechend selbstbewusst sollten gerade Kommunen in ihren Gebäuden die Energiewende in die Hand nehmen. Schließlich waren sie es, die in den neunziger Jahren der Photovoltaik einen mächtigen Schub gaben, während der Bundestag im Phlegma verharrte. Grund zur Reue für ihr Vorpreschen hatten sie nie.

Das wird auch in Zukunft nicht anders sein. Und weil das so ist, geht in den Köpfen kreativer Menschen die Energiewende ungerührt von der momentanen Trägheit der Politik weiter. Denn sie alle wissen, dass ihre Zeit kommen wird: Ingenieure optimieren Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerke, sie entwickeln Strom- und Wärmespeicher, und konzipieren auch besondere Dinge, wie Schiffe, die den Wind auf See zur Wasserstofferzeugung nutzen. Andere bringen Photovoltaikanlagen bei, quasi en passant die Netzkapazitäten zu erhöhen – Blindstrom nennt sich das technisch.

Mikrobiologen unterdessen entwickeln Anlagen, die den schwer händelbaren (Solar-)Wasserstoff in Methan – also Erdgas – umwandeln. Und Ökonomen ersinnen neue Marktmodelle für ein Stromsystem mit immer mehr schwankenden Erzeugern. Das sind nur einige Beispiele. Sie zeigen, dass sich verdammt viel tut in der Energiewirtschaft. Und deswegen wird die Energiewende nicht zu stoppen sein. Nicht, solange die Bürger sie weiterhin mehrheitlich wollen und engagiert gestalten.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • HS
    Hari Seldon

    @alreec:

     

    Bin neidisch auf Sie: Sie haben die ganze Lüge "Energiewende" sehr transparent formuliert ("neoliberales Privatisierungsprogramm"). Als Ergänzung: Diese neoliberale Privatisierung erfolgte auf Rücken der ganzen Gesellschaft. Märchenhafte Extraprofit (15+%) konnte mit freiflächigen Solaranlagen erzielt werden, aber für diesen Extraprofit muss die ganze Bevölkerung blechen. Tja, jemand muss den zweiten und dritten Jagdschloss des ehemaligen FDP Spendeneintreibers (jetzt gerade ein Guru der "grünen Energie") bezahlen. Die Warnlichter müssten eigentlich schon längst rot blinken, dass ausgerechnet die CSU(!!!!) sich so stark für EEG macht. Die TAZ sollte der Leserschaft erklären, in welcher Hinsicht würde eine Extraprofit produzierende künstliche Maschinerie linke Werte vertreten.

     

    @hans: Sie haben Recht bezüglich Blindleistung und Artikel.

     

    @janzing:

     

    Vielleicht wäre es fair, wenn Sie und TAZ der Leserschaft aufzeigen würden, wie sieht die Zusammensetzung der sogenannten "Ökostrom" verkauft durch Verarschung an die BürgeInnen: Min. 90% Kohle oder Atomstrom....

  • A
    Alreech

    Sparen hilft nicht.

    Schon jetzt werden 25% der erzeugten Stroms von privaten Stromanbietern eingespeist, denen es nur um ihren Profit geht.

    Diese 25% müssen auf die Gesamtmenge umgelegt werden, und wenn die Gesamtmenge durch Sparmaßnahmen sinkt dann steigt der Anteil der umgelegt werden muß weiter an.

     

    Wer übrigens 2010 seine Solaranlage in Betrieb genommen hat bekommt bis 2030 für jede eingespeiste kWh 0,42 €uro. Selbst wenn man den ganzen Strom den so eine Anlage produziert im eigenen Haushalt verbrauchen könnte wäre es wirtschaftlich dumm.

     

    Den besser verdienenden Besitzern von Photovoltaikanlagen und Windradbeteiligungen geht es nicht um eine ökologische und sichere Energieversorgung, es geht ihnen ausschließlich um ihren Profit.

    Die hohen Profite den diese Besserverdiener erzielen sind aber in keinster Weise gerechtfertigt, schließlich schicken Wind und Sonne keine Rechnung.

     

    Die Rot-Grüne Energiewende war nichts anderes als ein neoliberales Privatisierungsprogramm das ein Viertel der deutschen Energieerzeugung in private Hände gelegt hat. Sinkender Energieverbrauch wird diesen Anteil weiter ansteigen lassen.

    Und wie bei jeder neoliberalen Politik sind die Folgen steigende Preise für die Bevölkerung und steigende Profite für die Reichen.

     

    Die Energieerzeugung gehört aber nicht in die Hände von Privatleuten, sondern in die Hände der Kommunen.

    Eine neue, echte Energiewende ist nötig bei der diese Anlagen aus Privater Hand wieder in Kommunalen Besitz überführt werden müssen, wo sie demokratischer Kontrolle unterliegen.

    Alternativ sollten die Profite aus privater Energieerzeugung stärker besteuert werden.

    • @Alreech:

      "Die Energieerzeugung gehört [] nicht in die Hände von Privatleuten.." schön und gut. Die Propaganda war erfolgreich. Doch gemäß Nomenklatur der Bundesrepublik gehören kommunale Stadtwerke auch zu den 'privaten' Anbietern. Tatsächlich privat sind die vier Energieriesen. Tatsächlich den Gewinn in die eigene Tasche stecken die vier Energiekonzerne. Der Neidbürger, der aus diesen Kommentar spricht, schadet jeder demokratischen Kontrolle.

       

      Profite für die Reichen gibt es bei RWE, Eon, EnBw und Vattenfall genug. Hier geht es um Monopole. Einzelne Photovoltaikanlagen sind ein winziges Gegengewicht.

       

      Gesamtwirtschaftlich geht es ausschließlich um die tatsächlichen Stromerstehungskosten. Wind liegt bei 4,8 Cent, Solar etwas darüber. Photvoltaik-Module erzeugen die zu ihrer Herstellung notwendige Energie in ca sechs Monaten. Ihre Lebensdauer beträgt jedoch garantierte 10-15 Jahre. Tatsächlich werden abgeschriebene Anlagen viel länger betrieben.

       

      Warum soll auf diesen 'kostenlosen' Strom verzichtet werden? Einmal gebaut schützen sie vor plötzlichem Kostenanstieg. Seit Peak-Oil ist klar, dass fossile Energie exponentiell teurer wird, während der Preis der Regenerativen linear steigt.

    • @Alreech:

      sparen hilft immer..., und bitte nicht soviel Neid auf Photovoltikanlagen- und Windkraftanlagenbesitzer...,

      und wieso gehört die Energieerzeugung

      nicht in privater Hand sondern in die Hände der unfähigen Kommunen...???,

    • G
      gast
      @Alreech:

      Wo der Staat sich vor seinen Aufgaben drücken kann tut er das durch Privatisierung, zahlen muss es dann so oder so der deutsche Steuerzahler.

       

      Mann kann gar nicht so viel essen wie man bei dem Gedanken an diese oder jede andere Regierung kübeln möchte.

  • H
    Hans

    Sollte die Energiewende tatsächlich so stattfinden wie hier beschrieben dann Gnade uns Gott. Photovoltaikanlagen erhöhen die Netzkapazitäten?! Oh weh Blindstrom. Der Artikel besteht aus Blindleistung.