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Debatte EU, Deutschland und ChinaEuropa war gestern

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Der deutsche Liberalismus wird merkwürdig: Der unbeschränkte Handel mit China ist ihm wichtiger als der Zusammenhalt in der EU.

So sieht chinesischer Protest aus. Bild: dpa

D er deutsche Liberalismus treibt merkwürdige Blüten. Früher, in der sozialliberalen Ära, stand er für wirtschaftliche und politische Freiheit. Handel wurde nicht als Wert an sich, sondern als Motor des (demokratischen) Wandels verstanden. Selbst ein Graf Lambsdorff wäre wohl nie auf die Idee gekommen, der Sowjetunion deutsche Autos zu verkaufen, wenn er dabei westliche Werte verraten müsste.

Unter FDP-Chef Rösler und CDU-Kanzlerin Merkel gelten andere Gesetze. Plötzlich ist der unbeschränkte Kommerz mit dem staatskapitalistischen China wichtiger als die Regeln, die die Welthandelsorganisation WTO und die EU aufgestellt haben. Wandel durch Handel gilt nicht mehr, Export ist zum Selbstzweck geworden.

Wer das nicht glaubt und immer noch der offiziellen Menschenrechtsrhetorik vertraut, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Im Handelsstreit zwischen der EU und China hat sich Berlin auf die Seite Pekings geschlagen. Nachdem sie den neuen chinesischen Premier Li zu einer milliardenschweren Shoppingtour nach Berlin geladen hatte, sprach sich Merkel gegen EU-Sanktionen aus. Mehr noch: Die Bundesregierung organisierte sogar eine Abwehrfront gegen Brüssel. Nicht nur Deutschland, sondern 16 weitere EU-Länder seien gegen die Strafzölle auf chinesische Solarpaneele, wurde in Berlin gestreut. Dass das ganze Verfahren von einer deutschen Firma – der einst gefeierten Solarworld – angestoßen worden war, sagte man lieber nicht. Dass in der Handelspolitik nicht die Länder das Sagen haben, sondern die EU-Kommission, auch nicht.

privat
Eric Bonse

ist Korrespondent der taz in Brüssel. Sein Schwerpunkt ist die Finanz- und Eurokrise.

Die Botschaft des ungewöhnlich aggressiven Manövers war klar: Brüssel soll den Mund halten, ungestörte Geschäfte mit China sind wichtiger als EU- und WTO-Regeln. Was schert uns Dumping in der kleinen Solarbranche, wenn es um große Weltkonzerne wie Bayer oder Daimler geht? Und was kümmert uns die Solidarität mit Staaten wie Frankreich, wenn die Deutschland AG gute Geschäfte machen kann?

Schmusekurs mit Peking

Überraschend kommt das nicht. Schließlich ist Berlin seit Jahren auf Schmusekurs mit Peking. Und schließlich bemüht sich Merkel seit Langem, die EU von einer Solidargemeinschaft in einen Club zur Maximierung des Wettbewerbs umzumodeln. Seit Beginn der Eurokrise vergeht kein Tag, an dem sie nicht „Wettbewerbsfähigkeit“ predigt.

Neu ist allerdings, wie unverfroren mittlerweile deutsche Exportinteressen vor europäische Solidarität gestellt werden. Da werden Statistiken präsentiert, die beweisen sollen, dass der China-Handel für Deutschland viel wichtiger sei als für den Rest Europas. Da werden Prognosen gestreut, die belegen sollen, dass China bald Frankreich als wichtigsten Handelspartner ablösen wird.

Europa war gestern, die Zukunft liegt in Fernost, heißt die Botschaft. Mit dem guten alten Liberalismus hat das nichts mehr zu tun. Dahinter steckt vielmehr die Logik des globalen Wirtschaftskriegs, mit der neoliberale Ideologen Deutschland und den Rest der Welt in einen gnadenlosen Wettbewerb treiben. Heute China, morgen Indien, übermorgen Brasilien, so die Devise. Regeln stören dabei nur, die EU gilt als lästig.

Doch eine Strategie, die auf eine Abkoppelung von Europa setzt, wird scheitern. Denn zum einen ist auch Deutschland auf Solidarität angewiesen – allein kann es gegen China, wenn es hart auf hart kommt, nicht bestehen. Zum anderen geht die neoliberale Logik immer weniger auf. Sie funktioniert weder in Europa, wo sie ein Land nach dem anderen in die Rezession treibt, noch in Asien, wo China zum wichtigsten Konkurrenten deutscher Firmen geworden ist.

Deutschland verliert rasant Marktanteile an China, auch das haben wir diese Woche gelernt. Ob es zu einem Umdenken in Berlin führt? Wohl kaum. Der falsch verstandene Liberalismus kämpft um sein politisches Überleben. Rösler und Merkel wollen die Wahl gewinnen. Auch deshalb geben sie sich in Europa kompromisslos.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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7 Kommentare

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  • MM
    mensch meier

    Die meisten Kommentare wirken sehr von mechanistischer Ideal-Wirtschaftstheorie geprägt.

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    China ist aber nicht ungesteuerter Wettbewerber.

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    Hat das Spiel um die seltenen Erden nicht gereicht?

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    Erst alle Konkurrenten weltweit platt konkurrieren, und dann die Preise drastisch hochschrauben.

    Das ist strategische Wirtschaftspolitik vom Feinsten!

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    Da die PV-Industrie für die Zukunftsfähigkeit eine ganz wesentliche Rolle spielt, sollten wir keinesfalls hinnehmen, das hier jegliche Kompetenz verloren geht und wir nur noch zukaufen können.

    .

    Gemeinsame Regeln sind einzuhalten - auch von China.

    Wer nicht darauf pocht, der ist offenbar erpressbar.

    Wer glaubt, dass China das nicht mit Freude nutzen würde?

    Insofern ist das Verhalten von Merkel groteskt geschäftsschädigend für ganz Europa und erst recht für Deutschland - wer soll die denn noch ernst nehmen?

  • DG
    Der geharnischte Regentropfen

    Blauer Apfel hat Recht.

  • F
    Frühstück

    Es gibt eine direkten Zusammenhang zwischen dem millionenfachen Abschlachten von Büffeln in den USA (Buffalo Bill) und dem großen Bankencrash von 1914. Der Grund war die damit einhergehende ökologische Katastrophe (Verwüstung der Prärie) was zufolge hatte, dass die Böden aufgegeben wurden. Dem nicht genug konnten die Kredite an die Banken nicht mehr zurückbezahlt werden. Die Banken gingen leer aus.

    Was China anbelangt ist es mit seiner Gangart auf dem besten Weg, das ökologische Gleichgewicht auf der Welt zu zerstören. Der Preis, den die Menschheit dafür bezahlen wird, wird apokalyptische Dimensionen haben. Die heute 20 Jährigen werden es alle noch erleben.

  • A
    Arne

    Die chinesische Solarindustrie wird wesentlich stärer subventioniert durch den chinesischen Staat als die europäische. Mit Liberalismus hat das auch nix zu tun. China macht eine keynsianische Politik, die der des Westens in den 70er Jahren gleicht. Resultat: Wirtschaftswachstum in China 7%; in der BRD 0,1 %. Und diese 0,1% sind auch nicht dem Export zu verdanken, der sinkt sogar, sondern eben der Angst der deutschen Verbraucher, dass der Euro knallt und sie ihr Geld lieber für Wertsteigerungen an Immobilien u.ä. ausgeben gerade.

    Grund für die Merel-/Rösslersche Politik dürfte eher die Beteiligung deutschen Kapitals in der chinesischen Wirtschaft sein, dass in so einem Staat noch lange nicht vor staatlicher Gängelung geschützt ist.

    Arbeitsplätze schaffen kann man auch bei entsprechend geringem Lohnniveau, wie Merkel zeigt, mit geringen bis Minuswachstum. Das war schon in ihrer Heimat, der DDR so.

     

    Kohl hat damit angefangen, aus meiner Heimat, der BRD in den Grenzen von 1989 eine große DDR zu machen. Schröder hat mit rotgrün daraus ein Thatcher-England mit einer darbenden Unterschicht und einer kleinen sich im Wohlstand sonnenden Oberschicht. Merkel macht aus diesem Land das China Europas, wie es die anderen EU-Staaten schon nennen. Ihre Nachfolger werden zu Zeiten unserer Kinder daraus ein großes Bangla-Dash machen.

    Gut, dass ich keine Kinder habe.

  • B
    Brandt

    Ich glaube, hier wird etwas nicht genau vom Artikelschreiber verstanden. Die deutsche Regierung braucht preiswerte Solar-Bauteile für die Energiewende. Ja, es geht da auch um Standortwettbewerb. Denn wenn die Bundesregierung es schafft die Emissionsziele für die neuen EU-Mitglieder hochzusetzen, dann werden sie niemals wettbewerbsfähig in der EU mit der BRD werden. Um sich dafür selber eine weisse Weste anzulegen, braucht man erst einmal einen ordentlichen Anteil Solarstrom im Energiemix. Dann sollte man auch daran denken, dass die US Navy aus dem Nahen Osten abzieht. Sehr lange hat die USA kein Interesse der BRD das Trittbrettfahren zu erlauben beim freien Zugang zu Öl und Gas im Nahen Osten. Hinzu kommt noch das Problem mit den US-Fonds, die den EURO attackieren - man ist auf chinesische Stützkäufe angewiesen. So Schwarz-Weiss wie der Artikelschreiber es darstellt liegt die Sache nicht. Eine Wertegemeinschaft ist die EU mit Sicherheit nicht. Das merkt man schon an der Unterschiedlichung Auslegung europäischer Werte durch Briten und Polen. Während Briten darunter Protestantismus und Liberalität verstehen, meinen Polen Katholizismus und Autorität.

  • E
    ello

    Gehts noch blöder? Wäre das rein wahltaktisch, dann müßten Merkel & Co für die Strafzölle sein - Arbeitsplatzerhalt fängt Wählerstimmen. Sie lassen aber die Subventionsleiche Solar hoffentlic bald wirklich sterben. Gute liberale Politik. Natürlich nix für linke Staatsfans.

  • BA
    Blauer Apfel

    Die Logik ist nicht einsichtig. Die EU-Kommission ist die Vertretung der Mitgliedsstaaten. Wie kann die Kommission gegen den Willen ihrer eigenen Mitglieder agieren? Da ist ein Fehler im System.

    Chinesische Firmen (hier rächt sich, daß China inzwischen eine Marktwirtschaft ist), haben Überkapazitäten aufgebaut, arbeiten mit minimalen Gewinnspannen. Dumping ist das nicht.

    Eine deutsche Solarfirma hat gute Lobbyarbeit in Bruessel geleistet.

    Wenn sie damit durchkommt verlieren alle, chinesische Firmen, europäische Zulieferer und Installateure, europäische Verbraucher und vor allem der Klimaschutz.

    Es geht nicht darum, sich wegen China von der EU zu entfernen. Aber die EU und China sollten enger zusammenstehen. In vielen Fragen kann Europa sehr viel besser zusammenarbeiten als mit den alten Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantiks.