Debatte Datenschutzpanne bei Facebook: Gefährlich praktisch
Facebook kreiert immer neue Datenskandale, Besserung ist nicht in Sicht. Im Zweifel können sie einem das Leben ruinieren. Was tun? Gehen oder bleiben?
E r hat es getan. Schon wieder. Mark Zuckerberg hat erneut die Konten von Millionen Facebook-Nutzer*innen denen preisgegeben, die dort nichts verloren haben. Von Betrug sprechen die einen, von Vertrauensbruch – und ein hämisches Hab-ich-doch-schon-immer-gesagt –, die anderen.
Vor rund einer Woche musste Konzernchef Zuckerberg eingestehen, dass die Funktionen, die seine Plattform anbietet, vor Hackern nicht sicher sind. Offenbar konnten die virtuellen Eindringlinge den Digitalschlüssel etlicher User*innen stehlen und hatten somit theoretisch Zugriff nicht nur auf deren Facebook-Konto, sondern auch auf Apps, Nachrichtendienste oder Spiele. Wer auf Tinder ist, online Poker spielt oder bei Amazon einkauft, kann sich über Facebook einloggen und den Zugriff jederzeit offenlassen. Das ist einfach, praktisch. Und gefährlich.
Unternehmensangaben zufolge nutzen rund 2,2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt Facebook. Sie posten Nachrichten, Texte, die sie gut oder blöd finden, führen Kampagnen. Sie lassen die Welt teilhaben an ihrer Liebe, ihrer Wut, an ihrem Mittagessen, Urlauben, schönen und weniger schönen Momenten mit mehr oder weniger wichtigen Menschen. Manche betreiben Geschäfte über die Plattform, andere arbeiten an ihrer Karriere, für wieder andere ist das soziale Medium die wichtigste, wenn nicht die einzige Möglichkeit, mit Menschen in den virtuellen Dialog zu gehen.
Datenschützer*innen warnen, seit es Facebook gibt, vor dem Datensauger. Rena Tangens von Digitalcourage bezeichnete Facebook schon bei der Verleihung des BigBrotherAwards 2011 an die deutsche Niederlassung des Konzerns als „Gated Community“ – als einen geschlossenen Raum, in dem zwar viele Menschen freiwillig zusammenkommen, aber Überwachung und Zwangsangebote mit zum Deal gehören. Das System Facebook ist kein schwarzes Loch, die Nutzer*innen kennen den Preis, den sie dafür zahlen, seit Langem.
Ungewollte Einkäufe, angedichtete Liebschaften
Also hilft nur mehr Mut zur digitalen Einsamkeit? Der Kontaktabbruch zu Freund*innen im australischen Outback, zu denen, die sich vor allem über Facebook kritisch zu Regime und Menschenrechtsverletzungen äußern können, zur kranken Bekannten, die im schwäbischen Dorf sitzt und für die bei „Facebook sein“ Teilhabe am sozialen Leben bedeutet? Auf alternativen Plattformen wie Diaspora oder nebenan ist kaum einer unterwegs. Ähnlich ist es bei den Internetdiensten signal, wire oder threema. Es geht um eine Grundsatzentscheidung.
Als der Hack vergangenes Wochenende bekannt wurde, wollten Zuckerberg und seine Führungsriege beweisen, dass sie schnell auf die Sicherheitslücke reagieren können. Bereits wenige Tage nach der Attacke aus dem Web kam die Botschaft aus Menlo Park, dem Firmensitz Facebooks: Das Problem ist behoben. Die Hacker drangen über die View-as-Funktion in die Konten der Nutzer*innen ein und konnten so Informationen zu Name, Wohnort, Geschlecht, vielleicht auch Nachrichten abgreifen. Kenntnisse über eine Manipulation der Kontoeinträge liegen dem Konzern nicht vor, lässt die Firmenspitze mehrfach mitteilen. Aber ausschließen kann sie es auch nicht.
Ungewollte Einkäufe, angedichtete Liebschaften bis hin zum Rufmord und finanzieller Abzocke – rein technisch kann das eigene Profil unbemerkt zur Falle werden. Die üblichen Ich-habe-doch-nichts-zu-verbergen-Sprüche schützen nicht vor Manipulation. Weder im virtuellen noch im realen Leben. Es ist Zeit zu handeln.
Die Politik hat ganz sachte gezeigt, wie es gehen kann. Nach dem Skandal um Cambridge Analytica musste sich Zuckerberg im Frühsommer nicht nur vor dem US-Kongress, sondern auch vor der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament erklären. Stundenlang verhörten die Abgeordneten Zuckerberg. Schließlich hatte er nichts weniger erlaubt als die Zusammenarbeit mit einer britischen Beratungsfirma, die Geld mit der Analyse, dem Ausschlachten persönlicher Informationen, macht und damit gezielt in politische Prozesse eingreifen konnte.
Manche sprechen von einer Zerschlagung Facebooks
Zum Beispiel in den US-Präsidentschaftswahlkampf oder in die Kampagne zum Austritt der Briten aus der EU. Die Resultate beider Abstimmungen lösten Schockwellen aus, sorgten für Kopfschütteln und Fassungslosigkeit. Nicht zuletzt wegen der bitteren Erkenntnis, dass der eigene Auftritt auf der Plattform eines sozialen Mediums indirekt tatsächlich mitschuldig sein könnte an den politischen Entscheidungen.
Zuckerberg entschuldigte sich für die Datenkooperation, gelobte Besserung. Tatsächlich ist einiges passiert. Facebook aktualisierte seine Datenschutzbestimmungen, informierte in großangelegten Werbekampagnen die Nutzer*innen darüber, wie passgenaue Werbung auf dem eigenen Profil erscheint. Vermutlich war die Angst vor dem Kurseinbruch, vor der Wut der Anleger*innen und dem drohenden Bußgeld bei Datenschutzverstoß, in der EU über die Datenschutzgrundverordnung, Treiber der Kampagnen.
Die Politik hat auf den jüngsten Facebook-Fail schärfer reagiert als zuvor. Selbst Manfred Weber (CSU), EVP-Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament, spricht von einer Zerschlagung Facebooks oder zumindest von einer umfassenden Untersuchung der Unternehmensstruktur. Es ist kein Geheimnis mehr, dass der US-Konzern allein mit der Übernahme der Internetdienste WhatsApp und Instagram eine Monopolstellung innehat.
Doch vorerst bleibt den Nutzer*innen nur, selbst aktiv zu werden. Mit ein paar Klicks sind die Datenschutzeinstellungen des Profils verschärft, der Zugriff Dritter deutlich eingeschränkt. Muss ich meine Facebook-Freund*innen wirklich über jeden Jobwechsel informieren oder am Ende einer Liebe teilhaben lassen? Nein, wer Facebook nutzt, braucht einen Deal. Weniger Daten, dafür trotzdem bleiben. Mark Zuckerberg, es bleibt kompliziert mit uns beiden.
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