Deal zwischen Israel und Hamas: Weitere Geiseln freigelassen
Die Islamisten haben am Samstag insgesamt sechs israelische Staatsbürger ans Rote Kreuz übergeben. Derweil wurde bestätigt, dass es sich bei der an Israel ausgehändigten Toten um Schiri Bibas handelt.
Die israelische Armee hatte mitgeteilt, sie habe die drei Freigelassenen Elija Cohen (27), Omer Schem Tov (22) und Omer Wenkert (23) im Gazastreifen in Empfang genommen. Die Hamas hatte die drei Männer in Nuseirat an das Rote Kreuz übergeben, das sie dann nach Angaben eines Reporters der Nachrichtenagentur AFP in einem Konvoi fortbrachte.
In Rafah hatte die Palästinenserorganisation zuvor Avera Mengistu (39) und den österreichisch-israelischen Doppelstaatler Tal Schoham (40) an das Rote Kreuz übergeben. Sie wurden ebenfalls zu Fahrzeugen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) eskortiert.
Die ersten fünf freigelassenen Geiseln waren in Rafah und Nuseirat von vermummten und bewaffneten Hamas-Kämpfern auf Bühnen lauter Musik und palästinensischen Fahnen präsentiert worden, bevor sie an das Rote Kreuz übergeben wurden. Schoham wurde gezwungen, einige Worte zu sagen. Ähnliche Inszenierungen der Hamas bei früheren Geiselübergaben waren international auf scharfe Kritik gestoßen.
Während der gesamten Geiselhaft angekettet
Terroristen entführten Omer Schem-Tov, Omer Wenkert und Elija Cohen am 7. Oktober 2023 vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geisel-Familien, in dem sie sich unter Leichen versteckte. Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten.
Tal Schoham, der auch österreichischer Staatsbürger ist, wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 als Teil eines damaligen Abkommens zwischen Israel und der Hamas frei.
Wie Hischam Al-Sajid war auch der in Äthiopien geborene Mengistu auf eigene Faust in den Gazastreifen gelang. Er war bereits seit 2014 in der Gewalt der Hamas ist. Beide Männer sollen unter psychischen Problemen leiden. Die Hamas veröffentlichte auch Aufnahmen der beiden, im Jahr 2022 wurde al-Sajid etwa in einem Bett mit Sauerstoffmaske gezeigt. In Israel sorgte dies für Entsetzen.
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Kibbuz bestätigt die Übergabe von Schiri Bibas
Unterdessen wurde eine am Freitagabend von der Hamas übergebene Frauenleiche identifiziert. Der Kibbuz Nir Oz bestätigte am Morgen, es handele sich um die Leiche der verschleppten Geisel Schiri Bibas. Die sterblichen Überreste der Deutsch-Israelin hätten eigentlich zusammen mit denen ihrer beiden kleinen Söhne am Donnerstag an Israel übergeben werden sollen. In dem Sarg, den die Hamas an dem Tag an das Rote Kreuz ausgehändigt hatte, befand sich jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung – ob wissentlich oder versehentlich – hatte in Israel große Empörung ausgelöst.
Schon in der Nacht zu Freitag hatte die israelische Armee den Tod von Schiris beiden kleinen Kindern Ariel und Kfir Bibas bestätigt. Sie seien bereits im November 2023 von den Kidnappern ermordet worden. Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.
602 inhaftierte Palästinenser sollen freikommen
Im Gegenzug soll Israel nach palästinensischen Angaben im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung insgesamt 602 inhaftierte Palästinenser freilassen. Darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen.
Die Hamas ließ drei der sechs Geiseln früher als geplant frei. Drei Männer sollten gemäß dem Waffenruhe-Abkommen ursprünglich erst kommendes Wochenende freigelassen werden. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Mitglieder der Terrororganisation aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien. Laut der US-Nachrichtenseite Axios gibt es sowohl aufseiten der palästinensischen Terrororganisation als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste, sechswöchige Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte – und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben.
Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bislang 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.
Erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden
Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Damit wird der Austausch von Geiseln gegen Inhaftierte der ersten Phase abgeschlossen. Die erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden.
Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bislang, anders als vorgesehen, noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase der Vereinbarung geführt. Ob sie zustande kommt, ist ungewiss. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Im Gazastreifen werden noch mehr als 60 Geiseln festgehalten, etwa die Hälfte davon ist nach israelischen Informationen nicht mehr am Leben.
Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48.300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige.
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