Datenschutzbericht 2023: Digitalisierung auf Abwegen
Berlins Datenschutzbeauftragte kritisiert bei der Vorstellung des Jahresberichts einen Unwillen der Verwaltung. Ein Streitpunkt: das Sozialticket.
Meike Kamp, Beauftragte für Datenschutz
Das gilt anscheinend auch für die Senatssozialverwaltung. Die hatte vor einer Woche mitgeteilt, dass die geplante App, die das Fahren mit dem Sozialticket erleichtern sollte, „wegen noch ungeklärter Fragen“ mit dem Bundes- und der Landesbeauftragten für Datenschutz „bisher nicht umgesetzt werden“ konnte. Also müssen Menschen, die Sozialleistungen beziehen, weiterhin ihre Armutsnachweise mit sich führen, um mit dem vergünstigten 9-Euro-Monatsticket fahren zu können.
Die Datenschutzbeauftragte Kamp bezeichnete das als „nicht nachvollziehbar“. Seit anderthalb Jahren berate man „intensiv“ die Senatssozialverwaltung und habe den Rechtsrahmen klar abgesteckt. Auch habe man ein „niedrigschwelliges Verfahren“ in Form eines QR-Codes auf den Leistungsbescheiden vorgeschlagen. Dieses hatte sich allerdings als nicht praktikabel erwiesen, weil die Ämter mit dem Versenden der Bescheide nicht hinterherkommen.
Mindestens 10.000 Menschen kassierten dadurch ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ von 60 Euro. Die App wiederum will Kamp nicht, weil die Weitergabe personenbezogener Daten durch Sozialleistungsbehörden an die BVG mit dem Datenschutz nicht vereinbar sei. Die Senatssozialverwaltung und die BVG sind da anderer Meinung.
Sozialticket in Gefahr
Ein Großteil der Bußgelder betraf Polizist*innen, die für private Zwecke illegal die Polizeidatenbank nutzten. 35 Verfahren wurden eingeleitet, 32 Bußgelder verhängt – doppelt so viele wie 2022.
Gegen private Stellen wurden Bußgelder in Höhe von 549.410 Euro erlassen. Darunter 215.000 Euro gegen ein Kulturunternehmen, das den Gesundheitszustand seiner Beschäftigten dokumentierte, die einen Betriebsrat gründen wollten, um ihnen zu kündigen. 300.000 Euro muss eine Bank zahlen, die sich geweigert hatte, die Ablehnung eines Kreditkartenantrags zu begründen. 4.000 Euro Bußgeld gingen gegen ein Unternehmen, das Praktikant*innen mit einer in einer Steckdose angebrachten Videokamera überwacht hatte. (mfr)
Bis Anfang des Jahres hatte als Nachweis für das Sozialticket der Berlin Pass gereicht. Der wurde jedoch abgeschafft, um die Bürgerämter zu entlasten und die Verwaltung zu digitalisieren. Für die Datenschutzbeauftragte ist dennoch fraglich, „warum das bewährte Verfahren zum Berlin Pass überhaupt aufgegeben wurde“. Die Pläne für die Digitalisierung des Verfahrens würden viele komplexe datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen. Auch Politiker*innen von Linken, Grünen und SPD fordern eine Rückkehr zum Berlin Pass, die CDU ist dagegen.
Eine Lösung sei jedoch dringend notwendig, heißt es im Bericht. Denn das Vorzeigen der Leistungsbescheide gegenüber Kontrolleur*innen sei für die Betroffenen häufig sehr unangenehm, da dies anderen Fahrgästen nicht verborgen bleibe. „Wir haben gegenüber der Senatsverwaltung deutlich gemacht, dass die Verwendung der originalen Leistungsbescheide beendet werden muss.“
Laut dem Beschluss von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) wird die derzeitige Praxis der Vorlage der Leistungsbescheide bis zum 30. Juni 2025 fortgeführt. Möglicherweise würden jedoch bald „neue technische Lösungen geschaffen“, so ein Sprecher zur taz.
Ob es die dann noch braucht, wird sich zeigen: Am Donnerstag erklärte Kiziltepe im Abgeordnetenhaus, dass angesichts der Haushaltsverhandlungen derzeit nicht klar sei, ob das Sozialticket überhaupt über dieses Jahr hinaus angeboten werden könne. „Als Sozialsenatorin kämpfe ich für den Erhalt des Sozialtickets, welches Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit wenig Geld ermöglicht“, stellte Kiziltepe am Dienstag auf taz-Anfrage klar.
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