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Datenschutz versus ExtremismusWhatsapp soll überwacht werden

Der Verfassungsschutz soll künftig auf Messenger-Chats von Ex­tre­mis­ten zugreifen können. Der Bundestag debattierte nun darüber.

Staatstrojaner für Whatsapp – so sieht es ein Gesetzentwurf der Groko vor Foto: Rupak De Chowdhuri/reuters

Freiburg taz | Die Große Koalition will, dass der Verfassungsschutz auch die Messenger-Kommunikation von Ex­tre­mis­t:in­nen überwachen kann. An diesem Freitag diskutierte der Bundestag den entsprechenden Gesetzentwurf in erster Lesung. Koalitionsabgeordnete bezeichneten die gemeinsame Opposition von AfD, FDP, Linken und Grünen als „Sicherheitsrisiko“.

„Es ist doch absurd, dass der Verfassungsschutz bisher zwar SMS aus dem Handy auslesen darf, aber keine Whatsapp-Nachrichten aus dem Smartphone“, erklärte Thorsten Frei, der Fraktionsvize von CDU/CSU. „Wie soll der Verfassungsschutz mit den Methoden von gestern die Anschläge von morgen verhindern?“, fragte der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Anpassung des Verfassungsschutzrechts“ sieht vor, dass der Inlands-Geheimdienst die verschlüsselte Messenger-Kommunikation direkt an der Quelle, also vor der Verschlüsselung, erfassen darf. Hierzu muss er nicht nur eine Spähsoftware („Staatstrojaner“) auf dem Smartphone installieren. Diese Software muss auch bereits abgespeicherte Nachrichten erfassen können.

Die AfD, die sich und ihr Umfeld als Hauptbetroffene der Maßnahmen sieht, warf der Bundesregierung vor, der Verfassungsschutz werde zum „Unterdrückungsinstrument“, so der Abgeordnete Jens Meier. Für die FDP warf Benjamin Strasser der Koalition vor, sie wolle Sicherheitslücken auf Smartphones absichtlich offenlassen und gefährde damit die Sicherheit aller Bundesbürger:innen. Der Linke André Hahn warnte vor einem „völlig unverhältnismäßigen“ Eingriff und Konstantin von Notz (Grüne) sprach von einem „offen verfassungswidrigen Kuckucksei“.

Einzelpersonen stärker im Visier

Der Gesetzentwurf sieht neben der Erlaubnis zur Messenger-Überwachung auch vor, dass sich der Verfassungsschutz künftig um Einzelpersonen kümmert, die nicht Teil von Gruppen sind und noch nicht als gewaltbereit erkannt wurden. So sollen Extremisten, die sich selbst im Internet radikalisieren, wie die Attentäter von Hanau und Halle, besser entdeckt werden. Zudem soll der Datenaustausch zwischen dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem Verfassungsschutz verbessert werden.

Der Gesetzentwurf, auf den sich CDU/CSU und SPD schon im letzten Herbst geeinigt hatten, lag lange auf Eis. Die SPD blockierte die Befassung im Bundestag, weil sich die Unions-Fraktion beharrlich weigerte, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung für Unternehmenssanktionen auf die Tagesordnung zu setzen.

Nach einer Klärung durch die Fraktionsspitzen hat die SPD nun akzeptiert, dass mit der CDU/CSU eine stärkere Sanktionierung von rechtswidrig handelnden Unternehmen, zum Beispiel im Falle von Steuerbetrug oder Schwarzarbeit, nicht zu machen ist. Stattdessen hat die SPD jetzt mit der Union vereinbart, dass das Lieferkettengesetz und das Betriebsrätestärkungsgesetz noch in dieser Wahlperiode beschlossen werden.

Zum Verfassungsschutz-Recht wird es noch im Mai eine Experten-Anhörung im Innenausschuss des Bundestags geben.

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9 Kommentare

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  • Es fängt immer an mit den nur ganz, ganz wenigen Schwerstverbrechern und Top-Terroristen, die man überwachen möchte und 10 Jahre später ist es dann eine Routineüberwachung von allen. Man erinnere sich an die staatliche Kontoabfrage.

  • Dieses Gewäsch von Frei und Grötsch kann ich nicht mehr hören. Gebetsmühlenartig wird kalter Kaffee nochmal aufgebrüht.

    Es gelingt ja noch nicht mal den Sumpf der Onlinebetrüger auch nur ansatzweise trocken zu legen - obwohl die Gesetze hierzu völlig ausreichen.

    (Ich empfehle hierzu die XV-Sondersendung über Onlinebetrug)

    Es wird immer Staaten geben zu denen selbst der lange Arm der Strafverfolger zu kurz ist - und da liegt der Hase im Pfeffer.

  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Warum Whatsapp direkt in der Schlagzeile. Zumindest wird das halb im restlichen Artikel zurechtgerückt.

    Generell wäre es schön mal in der TAZ eine Zusammenfassung aller Aushebelungen der Privatsphäre, die entweder schon durchgesetzt sind oder noch in der Queue sind zu lesen. Vielleicht so ein Themenspecial mit einer Zeitspanne von 2001 - heute.

    Ist ja nicht so, als wäre das hier ein einzelnes Thema.

  • Schon auffällig, wie sich die AfD bei solchen Themen ins Zeug legt. Wären die Fachos an der Macht, was wäre dann wohl alles möglich? Abhören von "Volksverrätern" nennt man das dann!

  • Gut so. Sonst ist der Kampf ggn Rechts leider etwas zahnlos. Wo verabreden und planen sie denn?

    • @Wonneproppen:

      Was wäre denn, wenn die sich Briefe schreiben? Schaffen wir dann das Postgeheimnis ab?

  • Wie wäre es damit, den Verfassungsschutz aufzulösen?



    Nach Schmücker, Celle, NSU und vielen weiteren Skandalen ist es an der Zeit.

    • @Toto Barig:

      Wenn selbst die SPD grundsätzlich nichts dagegen hat .. "Die SPD blockierte die Befassung im Bundestag, weil sich die Unions-Fraktion beharrlich weigerte, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung für Unternehmenssanktionen auf die Tagesordnung zu setzen."

      Ich begrüße das. Entweder man geht gegen Extremisten vor oder nicht. Und die Hauptplattformen für Hass und Hetze sind nunmal Messenger.