Datenschutz in der Corona-Krise: Dem Virus auf der Spur
Könnten Handy-Ortungen und Funkzellenabfragen auch in Deutschland ein probates Mittel sein, um das Coronavirus einzudämmen?
Rein technisch ist das ohne Weiteres möglich. Jeder und jede, die ein Mobiltelefon mit sich rumschleppt, hinterlässt sozusagen eine Datenspur. Damit ist leicht festzustellen, an welchem Ort sich jemand aufgehalten hat – und zwar jedes Mal, wenn Empfang geortet wird, ohnehin wenn das GPS für die Suche nach dem Weg eingesetzt wird oder wir online gehen, um zu chatten oder zu mailen. Also: Es ist technisch einfach nachzuzeichnen, dass ich zuerst U-Bahn gefahren bin, mich dann bei einem Arzt aufhielt, später in den Supermarkt ging und schließlich längere Zeit auf einer Freifläche verbrachte.
In China, Südkorea und jetzt auch in Israel werden Handyortung und Tracking von Infizierten ganz gezielt eingesetzt, um die Verbreitung des Virus aufzuhalten. Auch in Österreich soll ein Mobilfunkanbieter Medienberichten zufolge angeboten haben, solche Bewegungsströme der Handynutzer:innen freizugeben. Damit soll aufgezeigt werden, ob die aktuellen Ausgangsbeschränkungen Wirkung zeigen oder nicht.
In Deutschland ist die Ortung von Handy-Standortdaten, um Bewegungsprofile von infizierten Personen zu erstellen, ein heikles Thema. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber spricht von einem massiven Eingriff in die Privatsphäre. Allerdings ist es für ihn nicht ausgeschlossen, eine solche Maßnahme zu rechtfertigen: „Etwa wenn die Datenerhebung auf Basis einer datenschutzkonformen Einwilligung der betroffenen Personen erfolgt“, sagte Kelber der taz. Das bedeutet: Bevor es eine Datenerhebung gibt, muss die Person informiert werden und freiwillig zustimmen.
Was passiert mit den Daten?
Zur Information gehört auch, dass die Datenspender:innen wissen, warum ein Profil erstellt wird, was mit den Daten passiert und wie lange sie gespeichert werden. Auf diese Fragen gibt es derzeit keine konkreten Antworten. Sicher sind die Forschungseinrichtungen und Gesundheitsbehörden an den Informationen interessiert, doch wer noch an deren Verarbeitung beteiligt sein könnte, ist unklar. Aus dem Robert-Koch-Institut heißt es derzeit, dass keine Stellungnahme zum Thema Handyortung von Corona-Infizierten möglich sei. Wenn das Thema konkreter werde, soll es dazu umfassendere Informationen geben.
Datenschützer Kelber hält einen staatlich erzwungenen Zugriff auf die Handydaten von Infizierten für rechtlich sehr problematisch. Ohnehin stellt sich die Frage, welchen Mehrwert dieser „schwere Grundrechtseingriff“ bringt. Ist die Ortsangabe nicht präzise genug, sind auch die Daten nicht so wertvoll wie gedacht. Zugleich bliebe aber der Eingriff in die Privatsphäre bestehen.
Ähnlich sieht das auch Rena Tangens von Digitalcourage. „Auswertungen von Funkzellendaten helfen nicht, um Kontakte von Corona-Infizierten zu finden“, sagte Tangens gegenüber der taz. Die Zahl der dabei Gefundenen sei viel zu groß und die meisten von ihnen würden sich gar nicht in der Nähe der Person aufhalten.
Eine Krise ist kein Normalfall
WLAN- oder GPS-Auswertungen könnten allerdings genauere Daten liefern. Auch Apps, die Sensoren des Smartphones nutzen und somit zum Beispiel den Neigungswinkel des Smartphones zu anderen Personen bestimmen, könnten Details liefern. „Aber sie sind brandgefährlich“, sagt Tangens. Gezielte Maßnahmen könnten temporär sinnvoll sein. Trotzdem: „Krisenregelungen dürfen nicht zum Normalfall werden“, sagt die Datenschutzexpertin. Bei allen Maßnahmen müsse der Datenschutz unbedingt mitgedacht werden. Dazu zählen Löschmöglichkeiten, die Rechte der Betroffenen oder auch die Sicherheit der Daten.
„Eine generelle Überwachung der Bevölkerung ist nicht sinnvoll und notwendig“, sagt auch Dieter Janecek, Digitalexperte der Grünen im Bundestag. Die Maßnahmen, die jetzt getroffen wurden, seien richtig und machten eine Verfolgung in die Privatsphäre von Personen nicht nötig. Derzeit würden ohnehin nur noch Menschen mit eindeutigen Symptomen, die auf eine Infizierung schließen lassen, getestet. In diesen Fällen seien Umfeldrecherchen sinnvoll. Die könnte man über digitale Technologien vereinfachen. Der Datenschutz gelte. Allerdings wurden bereits Daten von Personen gesammelt, die in Clubs waren oder bei Veranstaltungen. Diese Informationen sollen zunächst bei den Gesundheitsämtern und den zuständigen Behörden bleiben und dann gelöscht werden, sagt Janecek. Andere Behörden sollten darauf keinen Zugriff bekommen.
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