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Datenschützer gegen Corona-Bußgelder„Auf die harte Tour“

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar kritisiert die geplante Bestrafung falscher Selbstauskünfte bei Gastronomiebesucher*innen.

Zettel für den Wirt: Steht was Falsches drauf, drohen Bußgelder Foto: Marijan Murat/dpa
Marco Carini
Interview von Marco Carini

taz: Herr Caspar, was halten Sie davon, wenn Gäste in Bars und Gaststätten Bußgelder in Höhe von 150 Euro zahlen müssen, wenn sie Falschangaben bei der coronabedingten Selbstauskunft machen?

Johannes Caspar: Zweifellos ist es angesichts der Gefahren der Pandemie inakzeptabel, dass einzelne Personen ihre Kontaktdaten falsch angeben. Gleichwohl hätte ich mir ein Konzept der Kontaktdatenerfassung gewünscht, das Selbstverantwortung über Fremdkontrolle stellt.

Was kritisieren Sie?

Die Einführung einer Bußgeldregelung setzt nun die Datenerhebung auf die harte Tour durch. Dabei hätte durchaus die soziale Akzeptanz der bestehenden Regelungen erhöht werden können, indem der Kranz der Kontaktdaten beschränkt oder eine ausdrückliche Regelung in die Strafprozessordnung eingefügt worden wäre, wonach Strafverfolgungsbehörden nur aus Anlass von besonderen Straftaten auf die Daten zugreifen dürfen. Auch die aktive Werbung für eine Angabe der Daten als Bürgerpflicht und der Hinweis auf das starke Eigeninteresse der Betroffenen, vor Infektionsrisiken gewarnt werden zu werden, hätte durchaus Sinn gemacht.

Wurden Sie beteiligt?

Nein, obwohl es nach der Beteiligungsrichtlichtlinie des Senats vorgesehen ist. Derartige Kommunikationsprobleme sind befremdlich. Gerade mit Blick auf die Schwierigkeiten, die es bei der Auslegung der Regelungen gab. Die Politik sollte eigentlich über Expertenrat froh sein.

Noch ist unklar, wie die Regelung umgesetzt werden soll.

Offenbar hat nun eine Plausibilitätsprüfung durch die Gastronomiebetreiber zu erfolgen. Das konkretisiert die bisherige Regelung, nach der unklar war, was eigentlich genau von Betreibern verlangt wird. Gleichzeitig sind falsche oder unvollständige Angaben durch Gäste künftig bußgeldbewehrt. Ferner besteht eine Befugnis der Behörden, sich bei anlasslosen Kontrollen die Kontaktdaten vorlegen zu lassen, auch ohne Infektionsgeschehen. Datenabgleiche ins Blaue hinein, etwa mit dem Melderegister, um nur einmal zu schauen, ob die Gäste wirklich richtige Angaben gemacht haben, sind mangels einer originären Verpflichtung der Betreiber zu einer inhaltlichen Kontrolle und ohne gesetzliche Grundlage unzulässig.

Die Gastronomen sollen die Angaben ihrer Gäste in Zukunft stärker kontrollieren.

Die Gastronomiebetreiber haben künftig keine Pflicht, selbst Identitätskontrollen bei ihren Gästen durchzuführen. Das hätte deren Situation wesentlich erschwert.

dpa
Im Interview: 

Johannes Caspar,

58, der habilitierte Jurist ist Landesdatenschutzbeauftragter in Hamburg und legte sich unter anderem schon mit Google und Facebook an.

Und bei falschen Angaben?

Das lässt sich nicht verhindern. Zur Abschreckung müssten flächendeckende Identitätskontrollen durch die Behörden durchgeführt werden. Das ist aufwendig und bürokratisch und wird den Besuch von Gaststätten unattraktiver machen.

Sie lehnen die Bußgeldverordnung also ab?

Intelligente Regelungen nehmen die Bürgerinnen und Bürger mit. Die Herausforderungen der Pandemie sollten nicht durch soziale Kontrolle, sondern vermehrt durch Verantwortung, Bürgersinn und Selbstbestimmung gelöst werden.

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7 Kommentare

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  • der gesunde menschenverstand sollte ausreichen ...

    seine kontaktdaten wahrheitsgemäß anzugeben.

    der besuch eines restaurants, eines kleinen konzertes oder einer lesung birgt keinen straftatbestand !

    wem dies zu viel ist und er sich verschleiern wollte, der soll sich 'ne pizza aus dem tiefkühl beschaffen und zuhause eine alte dvd einwerfen !

  • Zitat: „Die Einführung einer Bußgeldregelung setzt nun die Datenerhebung auf die harte Tour durch. [...] Die Politik sollte eigentlich über Expertenrat froh sein.“

    Wie dumm kann man sich eigentlich stellen als Beauftragter einer Macht, die (sehr viel mehr recht als schlecht) davon lebt, dass Fremdkontrolle über Selbstverantwortung steht?

    Nein, es gab kein „Kommunikationsproblem“. Es gab nur einen Konflikt. Diesen Konflikt haben die „Verantwortlichen“ auf die ihrer Ansicht nach einfachste und sicherste Art gelöst: durch Ignoranz und Arroganz. Alles andere hätte viel zu viel Zeit gekostet und unschöne Kratzer auf dem hochglanzpolierten Ego hinterlassen.

    Und sehen wir es doch mal positiv: Der Hamburger Senat hat offenbar unterstellt, dass er seinem Datenschutzbeauftragten einen Gefallen tut. Und zwar damit, dass er ihn nicht zwingt, sich zu entscheiden zwischen der Richtlinie, die seinem Dasein die Berechtigung gibt, und dem Senat, der dem Beauftragten die Macht verliehen hat, die Richtlinie anzuwenden.

    Als besonders dankbar hat sich der vor sich selbst beschützte Beauftragte allerdings nicht erwiesen. Aber Dankbarkeit hat der Senat vermutlich auch gar nicht erwartet. Dass sein Beauftragter sich bei der taz beschwert, kann er gut aushalten, nehme ich an. Passiert ihm ja nichts dadurch. Und wenn der Frust-... äh: der Datenschutz-Beauftragte sich öffentlich ausgekotzt hat über ihn, hat der Senat gefühlt wieder was gut bei seinem Mündel.

    So sind mal wieder alle wichtigen Leute zufrieden. Es kann also alles bleiben, wie es eh schon war: ziemlich beschissen, aber immerhin lukrativ.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Angesichts der Gefahr, die Corona mit sich bringt, ist es höchste Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, die einer Verbreitung des Virus massiv entgegenwirkt.



    Ob das dann immer zu 150% demokratische ist, ist mir persönlich egal.



    Ich will keine feiernden Dummköpfe mehr mit der Flasche Bier in der Hand vor irgendeiner Kneipe sehen!

    • 1G
      19071 (Profil gelöscht)
      @17900 (Profil gelöscht):

      In Hamburg gilt:



      Ohne Mindestabstand dürfen diese Personen oder Gruppen in der Öffentlichkeit zusammen sein:



      ...



      4. Bis zu 10 Personen aus beliebig vielen Haushalten an öffentlichen Orten.

      Es ist also absolut erlaubt, sich mit anderen Leuten mit einer Flasche Bier in der Hand vor eine Kneipe zu stellen.

      www.hamburg.de/cor...4/das-ist-erlaubt/

  • Ich gebe in Kneipen u.ä. immer einen falschen Namen usw., und eine korrekte Emailadresse an. Meiner Meinung nach sollte das zu Informationszwecken ausreichen. In der Kantine im Bürgeramt Mitte wird z.B. nur der vollständige Name sowie die Telefonnummern oder E-Mail-Adresse, nicht jedoch die Anschrift, Bezirk oder die Gemeinde des Wohnortes oder die Anwesenheitsdauer und Tischnummer der Gäste abgefragt.

    Moch würde auch mal eine offizielle Begründung für die Datenerhebung interessieren, was hat man z.B. im konkreten Fall mit den Daten vor, will man mir nur mitteilen, dass ich möglicherweise Kontakt zu einem Coronainfizierten hatte, oder mich gleich verhaften??

  • Kurze Frage, wieso muss man seine richtigen Daten angeben. Kann/darf ich nicht im Hinblick auf Datenschutz z.B. eine Emailadresse angeben, unter der ich erreicht werden kann, die aber nicht meinen Namen enthält. Würde doch reichen, wenn die Behörde, oder wer auch immer, an XYZ@wasauchimmer.de schreibt, was Sache ist. Geht es nicht darum, den Betroffenen die Information zukommen zu lassen? Danke vorab für eine konstruktive Meinung / Einschätzung dazu. Grüße!

    • @Werner_H:

      Vermutlich ist das wie bei der taz. Die Daten, die sie von ihren Leser.innen erhebt, nutzt sie auch nicht nur selber. Sie gibt sie auch an Dritte weiter.

      Die Neugier nützt also nicht nur den Kunden der Tageszeitung und ihrem „Blatt“. Sie nutzt auch Leuten, die die Kunden weder kennen noch mögen würden, würden sie sie kennen lernen. Und gäbe es nicht ein Gesetz, das die taz neuerdings zwingt, ihren Leser.innen wenigstens mitzuteilen, wessen „berechtigte Interessen“ sie bedient unter Zugriff auf die Nutzerdaten ihrer Leser.innen, würde das nicht einmal jemandem auffallen.

      Aber schon klar: Ist alles nur zu unserem Besten. Auch, dass wir für unmündig gehalten werden und nicht selber entscheiden sollen, was unser Bestes ist und mit wem wir es ggf. teilen möchten. Das Motto lautet schlicht: „Stell dich mal nicht so an! Ich weiß doch, dass du es auch willst!“

      It‘s Patriarchat, stupid! „Berechtigte Interessen“ haben da nur die „Großen“, die mit der Macht. Wer nicht mit einem „empfindlichen Übel“ drohen kann und auch nicht unbedingt mitpokern will, ist einfach noch zu klein um selbst etwas zu wollen. Für den müssen Leute entscheiden, die davon leben, dass die Kleinen nicht nein sagen dürfen/können/wollen. Babysitter halt.