Daten des Ostausschusses: Russland-Handel bricht stark ein
Getrieben vom Gaslieferstopp orientieren sich deutsche Firmen um: Das Geschäft mit Zentralasien boomt, auch das Geschäft mit der Ukraine nimmt zu.
Ansonsten ist der deutsche Handel mit Russland eingebrochen. Das zeigen Zahlen des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen, traditionell stark im Geschäft mit Osteuropa, orientieren sich neu: Zentralasien wird wichtiger, die Ukraine ebenso.
Allein im ersten Halbjahr brachen die Einfuhren aus Russland um 89 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein – getrieben vom Importstopp für Gas und Öl. Bei manchen Produktgruppen liegt das Minus weit über 90 Prozent, was auch den Sanktionen geschuldet ist. Auch der Wert der Exporte schrumpfte um 40,5 Prozent. Geliefert werden noch chemische Erzeugnisse, Medikamente, Nahrungsmittel. „Die Entflechtung vom russischen Markt läuft in hohem Tempo“, sagte Catharina Claas-Mühlhäuser, Vorsitzende des Ostausschusses. „Wir beobachten eine tiefgreifende Neuordnung unserer Wirtschaftsbeziehungen mit und in der Region.“
So nimmt der Handel vor allem mit zentralasiatischen Ländern zu. Vor allem Kirgisistan (368,5 Prozent im ersten Halbjahr) und Tadschikistan (112,5 Prozent) gewinnen. Auch der Handel mit Armenien, Belarus und Georgien wuchs jeweils deutlich. Die Geschäfte mit Russland gleicht das jedoch nicht aus: So legte der gehandelte Warenwert mit den erwähnten Ländern zwischen erstem Halbjahr 2022 und erstem Halbjahr 2023 um rund eine Milliarde Euro zu, gleichzeitig schrumpfte der Handel mit Russland um 26,7 Milliarden Euro.
Sonderkonjunktur in Russlands Nachbarländern
In den Nachbarländern Russlands gebe es eine gewisse Sonderkonjunktur, sagte Claas-Mühlhäuser. Zahlreiche Russen hätten sich dort nach der Flucht aus ihrer Heimat angesiedelt. Außerdem würden Produkte jetzt direkt geliefert, bis zum Kriegsausbruch seien sie über Russland gekommen. Den Schluss, dass Unternehmen im großen Stil die Sanktionen gegen Russland umgingen, lassen die Daten nicht zu. Eine Erklärung, warum die Sanktionen womöglich nicht so gut greifen, hatte Claas-Mühlhäuser trotzdem parat: „Die Liste der Staaten, die die Sanktionen nicht unterstützen, ist länger als die der Staaten, die sie unterstützen.“ Sie forderte mehr Personal für das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle.
Vor allem die kriegserschütterte Ukraine hat aus Sicht des Ostausschusses Wachstumspotenzial. Der Wiederaufbau könne nicht warten, sagte Claas-Mühlhäuser. Hier verspricht sich die deutsche Wirtschaft Aufträge. Bereits jetzt denken Firmen trotz des Krieges über neue Investitionen in dem Land nach. So investiert beispielsweise der Agrar- und Pharmakonzern Bayer rund 60 Millionen Euro in eine Saatgutfabrik. Auch ein Windparkprojekt ist geplant. Im ersten Halbjahr 2023 legte der Handel um fast 25 Prozent zu – wobei in den Zahlen auch Rüstungsgüter enthalten sind, die nicht gesondert ausgewiesen werden.
Eine Großaufgabe wird es sein, das Energienetz der Ukraine wiederherzustellen und mit neuer Technik effizienter aufzustellen. Immer wieder stehen Elektrizitätswerke unter Beschuss der russischen Armee. Christian Bruch, stellvertretender Vorsitzender des Ostausschusses, sieht große Chancen für die Ukraine im Energiesektor und bei Windanlagen und Solarparks. So habe die Ukraine bereits vor dem Krieg daran gearbeitet, Wasserstoff mittels erneuerbarer Energien herzustellen.
Claas-Mühlhäuser sagte, der Wiederaufbau solle eng mit dem EU-Beitrittsprozess verknüpft werden. Das stelle sicher, dass gleiche Normen und Standards gälten. Und es bringe Transparenz. Bisher würde vor allem die allgegenwärtige Korruption im Land bremsen. Hier sieht die Vorsitzende des Ostausschusses allerdings Bewegung: Zuletzt hatte Präsident Wolodimir Selenski seinen Verteidigungsminister wegen Korruptionsvorwürfen ausgetauscht.
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