Das war die Woche in Berlin II: Zwangspause für die Chefideologin
Die Berliner AfD macht ein bisschen auf hauptstadtcool – ganz im Widerspruch zur fundamentalistischen Parteichefin Storch.
Die AfD hatte große Schwierigkeiten, eine Werbeagentur zu finden, die für sie arbeiten will, erzählt Georg Pazderski freimütig. Passt ja auch gut zur Opferrolle, die die Rechtspopulisten so gerne geben. Letztlich habe sich doch eine bereit erklärt, so der Spitzenkandidat der Berliner AfD am Donnerstag bei der Wahlkampf-Pressekonferenz. Ab Sonntag hängt das Ergebnis: Dann dürfen alle Parteien mit Postern um Stimmen bei der Abgeordnetenhauswahl am 18. September werben.
Die meisten Plakate der AfD sind wenig überraschend: mehr Sicherheit, sprich mehr Polizei, Islambashing billigster Art, angebliche Bürgernähe, Einsatz für Russlanddeutsche. Das dürfte leider schon reichen für das Überspringen der Fünfprozenthürde.
Doch jenseits des Dumpfbackigen hat sich die Partei mehr getraut, als man erwarten durfte: Auf einem Poster wirbt ein schwules Pärchen für die AfD, auf einem anderen ein Kiffer. Sie bedienen dabei zwar andere Feindbilder der Partei, indem sie über Muslime und den Sozialstaat herziehen; auch sind die platten Slogans à la „Mein marokkanischer Dealer kriegt sein Leben komplett vom Staat finanziert“ anfällig für Hohn und Spott. Aber die Plakate versuchen zumindest eine Verbindung von AfD und hauptstädtischer Liberalität herzustellen – was zwar falsch, aber neu wäre. Und gefährlich, weil erfolgversprechend, da es der Partei einen toleranten Touch geben würde.
Dies wiederum dürfte der christlich-konservativen Beatrix von Storch, Ko-Chefin des Berliner Landesverbands, kaum gefallen. Die soll zwar im Wahlkampf eine Rolle spielen – aber offenbar keine große. Schließlich kandidiert sie auch nicht fürs Abgeordnetenhaus.
Zuletzt hatte sich Storch zu einem unkontrollierbaren Ego-Shooter entwickelt, dessen stets schrill-fundamentalistische Thesen in einer Stadt wie Berlin kaum vermittelbar sind. Je weniger sie in den nächsten Wochen auftritt, desto erfolgreicher dürfte die AfD abschneiden. Das Umfärben von Braun in Blau – mit letzterer Farbe wirbt die AfD –, es hätte funktioniert.
Diese Kampagne macht es den anderen Parteien eher schwerer: Sie müssen stetig zeigen, dass es auch die andere AfD gibt: die auf Flüchtlinge schießen will und der Homophobie Vorschub leistet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten