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Das neue Mietrecht in der PraxisSchlupflöcher für Vermieter

Die Koalition will Mieter entlasten. Könnte die Neuregelung gegen Luxussanierung und Kostenexplosion schützen? Eine Analyse aus Sicht einer Betroffenen.

Unaufhaltsame Aufwertung: Häuser am Prenzlauer Berg. Bild: imago/Schöning

BERLIN taz | Jetzt sind die Balkone dran. Breite Austritte mit nostalgischen Metallgittern, von der ersten bis zur dritten Etage. Wochenlang standen Gerüste vor dem Haus, grüne Gaze-Planen raubten den Wohnungen dahinter das Licht. Das dritte Mal in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Für die Balkone wurden tiefe Löcher ins Mauerwerk gebohrt, direkt unter den Fenstern der Mieter.

Das Haus im Gentrifizierungskiez Helmholtzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg wird seit Jahren „aufgewertet“. So sehen das zumindest die beiden jungen Eigentümer, ein Start-up-Unternehmer mit viel Geld und ein Immobilienfachmann mit viel Know-how. Dachgeschossausbau, Fahrstuhleinbau, Treppenhäuser mit Kokosläufern.

Bis zum Sommer wohnte ich in dem Haus am Helmholtzplatz. Dann bin ich ausgezogen. Regelmäßig schickten die Eigentümer Modernisierungsankündigungen: absenkbare Klodeckel, begrünter Hof, Fahrradständer. Die Mieten nach den „Wohnwertverbesserungen“ kann sich im Haus kaum jemand leisten.

Problem Luxussanierung: Die aufwendige Umbau lohnt sich für den Vermieter. Bisher kann er 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Jetzt will die künftige Bundesregierung Abhilfe schaffen. Bei den Koalitionsverhandlungen hat die Arbeitsgruppe Verkehr, Bauen und Infrastruktur vereinbart, dass künftig nur noch 10 Prozent der Kosten umgelegt werden dürfen. Dafür sollen Eigentümer künftig weniger Steuern zahlen, wenn sie ihr Haus energetisch sanieren.

Geringere Mieterhöhung? Die Bewohner in meinem alten Haus entlastet das kaum. Ihre Mieten verdoppeln sich auf 900 und 1.200 Euro nach der Sanierung ihrer Wohnungen, in denen viele seit über 20 Jahren leben – und die sie meist selbst in Schuss gebracht hatten.

Koalition zum Städtebau

Förderung: Union und SPD wollen die Kommunen in den nächsten fünf Jahren mit 700 Millionen Euro beim Städtebau unterstützen. Bis jetzt waren es nur 455 Millionen Euro.

Akzent: Das Programm soziale Stadt, mit dem benachteiligte Viertel gefördert werden, soll dabei zum Leitprogramm werden. Statt bis jetzt 40 Millionen Euro wird es 150 Millionen Euro schwer sein.

Entmilitarisierung: Außerdem soll es einen Fonds zur Hilfe von notleidenden Kommunen sowie für die Umnutzung von Bundeswehrstandorten geben.

Altbauwohnungen sind in der Hauptstadt laut Mietspiegel zuletzt um jährlich 6 Prozent teurer geworden. 2010 gaben Berliner durchschnittlich 28 Prozent ihres Einkommens für die Kaltmiete aus, hat der Chef des Berliner Mietervereins, Rainer Wild, ausgerechnet. Inzwischen sei es noch mehr. Auch weil jede frei gewordene Wohnung deutlich teurer vermietet wird.

Problem Nachmieter zahlen drauf: Hier will die künftige Regierung mit einer Preisbremse gegensteuern. Bei Neuvermietungen darf die Miete nur noch 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen.

Den Bewohnern im Haus am Helmholtzplatz dürfte die Mietpreisbremse nicht helfen. Vermieter werden nach wie vor Interesse an den Gutverdienenden haben, die noch stärker in die nun für sie preisgünstigeren Wohnungen drängen. Schufa-Auskunft? Kein Problem für ein Doppelverdienerpaar ohne Kinder. Mietschuldenfreiheitsbescheinigung? Schwierig, wenn man sich mit dem bisherigen Vermieter wegen Mietminderungen infolge von Baumaßnahmen streitet. Außerdem kann der Eigentümer die Miete später ja hochsetzen.

Problem Mietenexplosion: Ein weiteres Plus aus der Koalitionsvereinbarung. Bisher darf die Miete im Laufe von drei Jahren um maximal 15 Prozent steigen, künftig soll das nur noch alle vier Jahre möglich sein. Das soll aber nur gelten, wenn die jeweiligen Bundesländer das so wollen.

Die Mieter vom Helmholtzplatz finden kaum neue Wohnungen, so intensiv sie auch suchen. In den Großstädten wie Berlin, München, Hamburg fehlt bezahlbarer Wohnraum.

Problem Wohnungsmangel: Schwarz-Rot will Anreize für Investoren schaffen. Mit der sogenannten degressiven Abschreibung können sie die Kosten in den ersten Jahren nach dem Bau stärker von der Steuer absetzen als bisher. Das soll reichen, damit jährlich 250.000 Wohnungen gebaut werden können. Bisher sind es rund 220.000. Die SPD hatte eine solche Regelung wegen der hohen Kosten im Bundesrat noch abgelehnt. Würde sie für das ganze Bundesgebiet gelten, verlöre der Staat in fünf Jahren 500 Millionen Euro Steuereinahmen. Da auch hier die Länder entscheiden, für welche Regionen die Regelung gelten soll, werden die Kosten niedriger sein.

Wie sich das auf den Wohnungsbau auswirkt, ist ungewiss. Außerdem soll die von Union und SPD vereinbarte Mietbremse nicht gelten, wenn Wohnungen zum ersten Mal vermietet werden, etwa nach einem Neubau oder nach einer Sanierung. Wohnungen werden also teuer bleiben.

Das alles hilft den Bewohnern des Hauses am Helmholtzplatz nicht. Sie brauchen jetzt eine Wohnung. Aber wie eine finden? Mit Hilfe eines Maklers?

Problem Maklergebühren: Wer bestellt, soll auch bezahlen – dieses Prinzip gilt jetzt auch, wenn ein Makler beauftragt wird. Mietern können Maklergebühren künftig nicht mehr aufgebrummt werden, wenn der Vermieter den Makler bestellt.

Ich hatte großes Glück und fand meine neue Wohnung ohne Makler. Als ich auszog, ergatterte ich eine Abfindung. Unser Anwalt, der im Laufe der Jahre so etwas wie eine wohntherapeutische Instanz wurde, holte raus, was rauszuholen war. Ich habe unterschrieben, die Summe nicht zu verraten.

Im Sommer nach meinem Auszug hörte ich Geschichten von Leuten mit ähnlichen Schicksalen: Ein Mann bekam 55.000 Euro dafür, dass er seine 80-Quadratmeter-Wohnung aufgab, ein anderer ertrotzte 90.000 Euro für 90 Quadratmeter. Beide Wohnungen im Kiez um die Ecke.

Problem Umwandlungen in Eigentumswohnungen: Solche Abfindungen sind fast nur möglich, wenn die Wohnungen anschließend teuer verkauft werden. Gegen solche Umwandlungen steht im Koalitionskompromiss nichts.

Und außerdem: Was macht man mit solchen Summen? Die Bewohner im Haus Helmholtzplatz sind ratlos. Eine teure Wohnung bezahlen, so lange, bis das Geld alle ist? Kaufen? Dafür reicht es nicht. Zu einer Genossenschaft tragen und darauf hoffen, in einer solchen Anlage eine Wohnung zu ergattern? Die Wartelisten dort sind lang.

Jeden Morgen fahre ich an meinem alten Haus vorbei. Heute Morgen stand der Architekt vor der Tür, der für all die Umbauarbeiten zuständig ist. Unter seiner Achsel klemmte eine dicke Mappe. Er unterhielt sich mit einem Mann, der seinen Blick neugierig an den Wänden hochklettern ließ. Im Hof wird ein neues Gerüst hochgezogen: für Balkone an der Rückfront.

Ich radelte rasch vorbei und dachte: Hört das denn nie auf?

Mitarbeit: Lisa Schnell

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Würden die Gerichte endlich die vom Grundgesetz geforderte Sozialbindung des Eigentums konsequent verwirklichen, bräuchte man sich hier nicht zum x-ten Male mit lächerlichem Gesetzes-Flickwerk zu beschäftigen. Leider sind den deutschen Gerichten die Interessen der Sparkassen und Banken grundsätzlich wichtiger als die Interessen der bereits Besitzlosen, oder der von Besitzlosigkeit akut bedrohten.

  • F
    FROST

    In diesem Schacherstaat möchte ich gern mal erleben,dass etwas Gutes für die Mehrheit herauskommt. "Der Plutokrat regiert,die Mehrheit verliert". Wer sagt denen endlich mal, dass Plutokratie keine Volksherrschaft ist. Das Virus der FDP grasiert immer noch in den "Volksparteien".Da hätte man die auch weiterhin als Störfaktor wählen können.

  • RS
    Ralf Schlott

    Ralf Schlott

    Durch Zufall habe ich heute diesen Artikel gelesen. Das Thema Mietrecht und vor allem Mieten treibt einen ja immer um. Wohnen in der Stadt wird unbezahlbar. Seit kurzem wohne ich wieder (nach 13 Jahren) in Berlin. Hier beginnt nun, was in Hamburg schon längst am Laufen ist. Dort bekommt man schlechte Wohnungen mittlerweile auch kaum unter 900€ warm. Wer soll sich das leisten?

     

    Lustigerweise habe ich einen ähnlichen Artikel geschrieben: http://www.prenzlweb.com/2013/11/keine-profite-mit-miete-hamburger-wohnungsmarkt/

    Ich hoffe ich darf den mal verlinken!

  • TR
    Trürgen Rittin

    Lässt der Eigentümer das Haus verfallen, Meckern die Mieter. Saniert der Eigentümer, meckern die Mieter. Die ganzen Populisten, die etwas von Mietpreissteigerungen rumtröten, sollten sich mal an die DDR-Zustände erinnern: Vergammelte Wohnungen mit Aussenklo. Der Staat hatte null Kohle, die Wohnungen instand zu halten.

    • L
      LarsLpz
      @Trürgen Rittin:

      Ich weiß nicht, wo Sie das Gruselmärchen herhaben. Aussenklo? Kenne ich nicht. In Leipzig geboren 1965. Vergammelte Wohnungen kenne ich auch nicht.Standard war es allemal oder Platte. Und eins war mir, bis zu meinem Umzug nach München, vollkommen unbekannt. Schimmel. Ach, wir hatten Kunststoff-Fenster.

  • M
    MichiF

    >Hört das denn nie auf?

    Das denke ich auch manchmal, wenn ich derartige Artikel lese.

     

    >>

    Im Sommer nach meinem Auszug hörte ich Geschichten von Leuten mit ähnlichen Schicksalen: Ein Mann bekam 55.000 Euro dafür, dass er seine 80-Quadratmeter-Wohnung aufgab, ein anderer ertrotzte 90.000 Euro für 90 Quadratmeter.

     

  • M
    Max

    Tja, Peterwolf, das ist der Unterschied zwischen einem sozial bewussten Menschen und Dir.

    Du glaubst, eine günstige Miete wäre eine Gnade, auf die man keinesfalls ein Recht haben könne.

    Andere Menschen finden, dass Wohnen kein Luxus sein darf und nicht jedes Eiegntum dazu berechtigt den größtmöglichen Gewinn auf Kosten Dritter daraus zu ziehen.

    Was machst du eigentlich hier bei der Taz?

    • P
      PeterWolf
      @Max:

      Schlicht, um mal klarzustellen, dass nur die einen Mieter, nämlich die mit den günstigen Mieten, überhaupt "Abfindungen" kassieren können, ergo doppelt profitieren.

      Die anderen Mieter haben weder noch.

      Was jetzt an den ersteren "sozial bewusster" ist, erschließt sich mir nicht.

      Genauso wenig, wie die horrenden "Ablösen" für wertloses Inventar, die Mieter, die das Privileg haben, eine günstige Wohnung selbst einem Nachmieter zu übergeben, zuweilen verlangen.

  • wer glaubt denn im Ernst das es irgendwelche Verbesserungen für Mieter geben wird, ich nicht. Aber solange die Deutschen in der Mehrheit uninteressierte Spießer sind haben sie´s nicht anders verdient. Es wird sich sicher was ändern, wie immer wenn´s fast zu spät ist (also wenn die ersten dann wirklich Wohnecken auf der Straße einrichten müßen). Aber in dem Zusammenhang finde ich es wieder lustig das wir zu wenig Kinder kriegen, wo sollen die denn noch alle wohnen?

  • P
    PeterWolf

    Erstaunlich, für wie selbstverständlich Mieter es halten, erst jahrelang eine günstige Wohnung zu haben und sich zum Auszug auch noch die ganze Miete als Abfindung wieder erstatten zu lassen.

    Den Fehler, eine Wohnung zu billig zu vermieten, werden die Eigentümer jetzt ganz bestimmt nicht mehr machen.

    • H
      Hans
      @PeterWolf:

      Sehr, sehr lustig, was Sie da schreiben!

      • P
        PeterWolf
        @Hans:

        Ich finde es sehr, sehr traurig.

  • D
    DerNikolaus

    Ich stecke gerade in der selben Situation und erfreue mich sehr dieses äußerst interessanten Artikels.

    Danke für das genaue herausarbeiten der Schlupflöcher in der "Mietpreisbremse".