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Das Leben als trans FrauKeine Akzeptanz erreicht

Unsere Autorin möchte einfach ihren Alltag als Mutter meistern. Doch als trans Frau muss sie ständig ihr Geschlecht beweisen.

Nicht nur per Gesetz, auch in den Medien werden trans Personen diskriminiert Foto: Jorge Sanz/imago

Eigentlich möchte ich als trans Frau einfach in Ruhe gelassen werden. Kein Spielball in gesellschaftlichen Debatten über Geschlecht sein, nicht von einem menschenverachtenden Gesetz aus den 1980ern drangsaliert werden, überhaupt: mein Geschlecht nicht anderen Menschen gegenüber beweisen müssen. So wie die meisten anderen Menschen auch. Ich würde gerne einfach den Familienalltag bewältigen, mein Zweijähriges beim Aufwachsen begleiten und durch die Coronapandemie bringen, sowie mein Leben mit etwas weniger Wut auf eine Gesellschaft genießen, die es mir tagtäglich erschwert.

Die steigende gesellschaftliche Sichtbarkeit von trans Personen führt zu einem stärkeren öffentlichen Bewusstsein für uns – im Guten wie im Schlechten. Die Whistleblowerin Chelsea Manning oder Schauspielerinnen wie Laverne Cox („Orange Is The New Black“) bringen Repräsentation für das Thema in die Popkultur. Spätestens seit der Einführung des dritten deutschen Geschlechtseintrags „divers“ müssen sich die Menschen in Deutschland damit auseinandersetzen, dass ihr binäres Verständnis von Geschlecht noch nie der materiellen Realität entsprach und inzwischen auch inkompatibel mit der juristischen ist.

Maya mit Kind

Die Autorin twittert unter @MayaMitKind. Ihr bürgerlicher Name wird in diesem Text aus Schutz vor transfeindlicher Gewalt nicht genannt

Für viele cis Personen – also all diejenigen, deren eigenes Geschlechtsempfinden mit dem übereinstimmt, was ihnen zu Beginn ihres Lebens in ihre Geburtsurkunde eingetragen wurde – bricht diese neue Realität mit ganz fundamentalen falschen Prämissen: damit, dass es eben nur zwei Geschlechter gebe, dass alle Frauen zwei X-Chromosomen hätten oder dass eine Person mit Penis stets ein Mann sei. Das ist unbequem für alteingesessene Weltbilder und sorgt für Widerstände.

Manche nehmen die Herausforderung des Wandels gut an. Und warum auch nicht: Für cis Personen ändert die Akzeptanz von trans Personen eigentlich ähnlich wenig wie die gleichgeschlechtliche Ehe für Heterosexuelle. Menschen mit Respekt zu begegnen, selbst wenn sie von der gesellschaftlichen Norm abweichen, sollte wirklich nicht schwierig sein: Benutze einfach den richtigen Namen, die korrekte Anrede, das richtige Pronomen und stelle uns keine invasiven Fragen über unseren Genitalbereich – wie bei den cis Menschen in deinem Umfeld auch – und schon hast du bei den meisten trans Personen einen Stein im Brett.

Zwangsgeoutet als trans

Besonders freue ich mich, wenn cis Personen ebenfalls empört über das „Transsexuellengesetz“ sind, das seit fast 40 Jahren in Deutschland die Diskriminierung von trans Personen sicherstellt. Für den Sachbearbeiter im Bürgeramt letztens ergab es beispielsweise keinerlei Sinn, dass ich, amtlich eine Frau wie jede andere, in der Geburtsurkunde meines Kindes weiterhin als „Vater“ eingetragen bleibe und zudem mit einem nicht mehr genutzten Namen, der keinem gültigen Ausweisdokument entspricht. Für ihn war es einfach maximal verwirrend – für mich als trans Mutter ist es traurige Realität, dass ich an jeder Stelle, für die die Geburtsurkunde relevant ist, als trans zwangsgeoutet werde. Nicht zuletzt bei Auslandsreisen mit meinem Kind.

Diese Absurdität ist nur ein Aspekt des Gesetzes. Es besagt auch, dass wir für die simple Änderung unseres eingetragenen Namens und Geschlechts vor Gericht mit zwei unabhängigen psychotherapeutischen Gutachten beweisen müssen, dass wir „unter dem Zwang stehen“, in unserem Geschlecht zu leben. Das ist an sich schon eine bemerkenswerte Verdrehung der Tatsachen, denn üblicherweise ist unser Leidensmoment ja gerade der von außen auferlegte Zwang, im uns bei Geburt eingetragenen falschen Geschlecht zu leben. Ob sich Frau Merkel wohl zum Frausein gezwungen fühlt? Wenigstens musste sie nicht wie ich über 1.000 Euro Prozesskosten bezahlen, um es juristisch feststellen zu lassen.

Auch im medizinischen System verbessert sich bisher wenig – noch immer wird pathologisiert, noch immer verlangen die meisten Krankenkassen zwangsweise eine Psychotherapie, bevor Hormontherapie oder Operation erlaubt werden. Wie bei den obigen Gutachten steht dahinter der Grundgedanke, dass das Geschlechtsempfinden einer Person von außen verifiziert werden könnte. Dabei ist das völlig absurd – abprüfen lassen sich dort höchstens Klischees wie Kleidung und geschlechterstereotypes Verhalten in der Kindheit. Das Geschlecht von Menschen hängt aber doch nicht davon ab, ob sie früher lieber mit Puppen oder mit Autos gespielt haben.

Sich einer fremden Person psychisch zu öffnen, die gleichzeitig über unseren Zugang zu medizinischen Maßnahmen entscheidet, ist ein großes Risiko. Im juristischen Bereich würde niemand es in Ordnung finden, wenn wie hier jemand gleichzeitig die Rolle als Rechtsbeistand und als Richter innehat.

Auch außerhalb des rechten Randes

Neben dieser vom Staat vorge­schriebenen Diskriminierung von trans Personen ist leider auch gesellschaftlich noch lange keine Akzeptanz erreicht. Unter anderem wird das an der öffentlichen Debatte deutlich, die sehr selten die transfeindlichen Zustände kritisiert, aber häufig jeglichen Versuch problematisiert, etwas an ihnen zu ändern.

Die Logik dahinter scheint zu sein, dass jegliche transfreundliche Verbesserung nur dann akzeptabel ist, wenn sich keine einzige cis Person davon gestört fühlt oder sich vielleicht etwas umgewöhnen muss – als wenn trans Personen bloß Menschen zweiter Klasse wären. Anstatt beispielsweise nüchtern die Realität zu betrachten, dass trans Frauen im Profisport keinesfalls das Feld dominieren, wird eifrig eine Debatte darüber geführt, ob ihre Teilnahme nicht eigentlich verboten werden müsste. Ähnlich ist es bei Diskussionen über unseren Zugang zu Frauenhäusern oder Damenumkleiden. Anders als bei cis Frauen wird unser Frausein stets als verhandelbar dargestellt – selbst wenn es um so etwas Banales geht wie die Frage, auf welcher öffentlichen Toilette wir pinkeln.

Wir müssen nicht mal bis zum rechten Rand der Gesellschaft schauen, um Delegitimierung oder glatte Falschinformationen zu finden. Das findet in fast allen Medien statt. So definiert beispielsweise Jan Feddersen in dem Magazin FuturZwei aus dem taz Verlag trans als „Mensch, der seine Identität für flüssig hält, weitgehend dauerhaft“ – völliger Quatsch. Überhaupt ist in der Berichterstattung häufig von „Transfrauen“ statt trans Frauen zu lesen. Doch trans ist ein Attribut, wie „blond“ oder „groß“ – ich bin nicht Teil einer anderen Spezies, sondern einfach eine Frau wie jede andere. Niemand würde „Blondfrau“ oder „Großfrau“ schreiben.

Selbst in der queeren Community existieren einflussreiche Stimmen, die die Legitimität von trans Personen für diskutierbar halten. So hat die Initiative Queer Nations (IQN) vor Kurzem eine transfeindliche Veranstaltung beworben, die im Gebäude der taz hätte stattfinden sollen und in der Trans-Sein als „Irrweg“ und die medizinische Transition von trans Jungen als „Sterilisierung und Verstümmelung der Körper junger Mädchen“ beschrieben wurde. Nach heftiger öffentlicher Kritik wurde die Veranstaltung zwar abgesagt, doch die IQN fand es weiter diskutierbar, welche „Problematik“ sich aus der „Transkultur“ ergeben könne. So was macht mich traurig.

Ich bin fest davon überzeugt, dass eine echte Akzeptanz von trans Personen das gesellschaftliche Verständnis von Geschlecht nur bereichern kann – weg von Stereotypen, hin zu Selbstbestimmung. Es würde gut tun, wenn cis Personen diesem Wandel eine Chance geben könnten, anstatt sich misstrauisch Möglichkeiten herbeizufantasieren, wie er cis Personen schaden könnte. Dann müsste an diese Sache mit dem Geschlecht auch nicht mehr so viel Druckerschwärze verschwendet werden.

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17 Kommentare

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  • Davon abgesehen, dass ich a) die Autorin und ihre Wünsche verstehen kann und es mir b) nicht schwerfällt, eine Person mit dem von ihr gewünschten Namen und Personalpronomina anzusprechen, habe ich doch einen Punkt, den ich in der Argumentation nicht verstehe:



    „…müssen sich die Menschen in Deutschland damit auseinandersetzen, dass ihr binäres Verständnis von Geschlecht noch nie der materiellen Realität entsprach und inzwischen auch inkompatibel mit der juristischen ist.“



    Es wird – auch in anderen Artikeln – immer wieder das Unvermögen der CIS-Personen beklagt, dass sie sich nicht vom binären Geschlechtssystem trennen können. Gleichzeitig wird vehement eingefordert, als Frau oder Mann anerkannt zu werden. Nur die Zuordnung ist eine andere. Für gewöhnlich wurde das Geschlecht anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale zugeordnet (oder der Chromosomen) und jetzt soll es nach der gefühlten Geschlechtsidentität anerkannt werden. Aber es bleibt doch binär, oder? Wo ist mein Denkfehler?

    • @Artischocke:

      Es ist inzwischen seit Jahrzehnten bewiesen, dass nicht Genitalien, Gonaden oder Chromosomen das Geschlecht eines Menschen bestimmen, sondern das Gehirn durch seinen anatomischen Aufbau und die Art wie es bestimmte Stimuli verarbeitet.



      Geschlecht ist also kein "Gefühl", sondern das Ergebnis von Selbstwahrnehmung, genau so wie man wahrnimmt, dass man 2 Arme hat (oder gegebenenfalls eben nicht).

      trans- und nonbinärgeschlechtliche Personen haben das Problem, dass unsere Gesellschaft das Geschlecht Neugeborener ERRÄT (mehr als raten ist es nicht), nachdem dem Säugling aufs Genital geglotzt wurde; bei trans- und nonbinären Personen wurde ganz einfach falsch geraten.

      cisgeschlechtlich (von lat. "cis" = "diesseitig"):



      Die Zuweisung bei Geburt hat zufälligerweise gestimmt.

      transgeschlechtlich (von lat. "trans" = "jenseitig"):



      Die Zuweisung bei Geburt hat nicht gestimmt.

      nonbinärgeschlechtlich: Das tatsächliche Geschlecht ist NICHT 100% männlich oder weiblich, sondern ganz oder teilweise vom binären Geschlechterbild abweichend.

      Sprich: alle nonbinären Persoenen sind per Definition auch trans Personen, aber nicht alle trans Personen sind notwendiger Weise nonbinär.

      Was wir fordern, ist das Ende der staatlichen Diskriminierung durch zB das "Transsexuellengesetz" und die im Artikel erwähnte Elternrechtsproblematik und eine Anerkennung unseres tatsächlichen Geschlechts und nicht der von außen aufgezwungen Zuweisung.



      Das kann männlich oder weiblich sein oder auch eins der vielen nonbinären Geschlechter, die seit 2017 durch den Personenstand "divers" oder die Streichung des Geschlechtseintrags mehr Sichtbarkeit und Anerkennung erlangt haben.

      Fazit, um Deine Frage zu beantworten: trans Menschen KÖNNEN binärgeschlechtlich sein, aber eben genauso gut auch nicht.

      Gez: eine nonbinäre trans Frau (100%ig Frau, aber nicht ganz so, wie der binäre Stereotyp, wie eine Frau zu sein hat, vorsieht)

      • @Gretchen:

        @Gretchen Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Richtig gelöst ist mein Knoten im Kopf dennoch nicht. Ich möchte mich gerne nochmal erklären.



        Ich habe die Forderung von Maya und das Dilemma mit der Geburtsurkunde absolut verstanden. Das ist nicht die Ursache meines Gehirnknotens. Und bin auch absolut dafür die Diskriminierung abzuschaffen und gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Ich verstehe den Leidensdruck, auch wenn ich ihn als Cis Person nicht habe. Und jetzt kommt das ABER: Ich wäre eher eine Verfechterin der Möglichkeit das Geschlecht in den Hintergrund zu rücken. Wir sind nicht Mutter ODER Vater, sondern Eltern. Und statt noch weitere Geschlechter in Unterlagen zu erfassen, lassen wir sie einfach weg. Perspektivisch. Ich würde mir wünschen, mich mit deutlich weniger Geschlechtszuschreibungen herumschlagen zu müssen statt mit mehr.



        Und mein Gefühl ist, dass durch Erklärungsansätze wie „Es ist inzwischen seit Jahrzehnten bewiesen, dass nicht Genitalien, Gonaden oder Chromosomen das Geschlecht eines Menschen bestimmen, sondern das Gehirn durch seinen anatomischen Aufbau und die Art wie es bestimmte Stimuli verarbeitet.“ sich die Fronten eher verhärten. Zum einen, weil mir keine wissenschaftlichen Studien bekannt sind, die das eindeutig beweisen. Im Gegenteil – auch wenn oft von bahnbrechenden Erkenntnissen der Gehirnforschung berichtet wird, ist es doch noch sehr im Nebel, wie genau das menschliche Gehirn arbeitet. Zum anderen, weil wir doch auch dann wieder ein bisschen im binären unterwegs sind – nur eben „abgelesen“ am Gehirn. Und meiner Erfahrung nach sind die Unterschiede innerhalb der Gruppe größer als zwischen den Gruppen – soll heißen: egal, wie wir den Maßstab ansetzen, wir haben immer viel mehr Grautöne als reines Schwarz oder Weiß.

        • @Artischocke:

          06063 / 501 72891

          "Ich wäre eher eine Verfechterin der Möglichkeit das Geschlecht in den Hintergrund zu rücken."



          Langfristig bin ich da ganz bei Dir, aber es wird vermutlich noch Jahrzehnte dauern, bis die Bundesregierung endlich so weit ist, von der Bevölkerung ganz zu schweigen.



          Wir trans Personen warten seit der Weimarer Republik auf gleiche Rechte, wir haben lange genug gewartet.



          Demzufolge haben wir jedes Recht zu verlangen, in der Geburtsurkunde unserer Kinder korrekt eingetragen zu werden.

          "Und mein Gefühl ist, dass [...] sich die Fronten eher verhärten."



          Ja. weil cis Menschen dazu tendieren, mit der Wahrheit über Geschlecht nicht klar zu kommen, weil das (widerlegte) binäre Zweigeschlechterbild einfach zu fest internalisiert ist.



          Nicht die Fakten verhärten die Fronten, sondern der mangelnde Wille, die Tatsachen anzuerkennen.

          "Zum einen, weil mir keine wissenschaftlichen Studien bekannt sind, die das eindeutig beweisen."



          Dick Swaab - Sie sind Ihr Gehirn (ISBN lässt sich in 5sek googeln)



          Das ist sowas wie Hawkings kurze Geschichte über die Zeit, nur über Geschlecht.



          Parallel dazu empfehle ich die Arbeiten von Zhou, Diamond und (wenn Du bei den absoluten Basics anfangen willst) Hirschfeld.



          Dass Geschlecht nicht vom Genital bestimmt wird, wurde in der westlichen Wissenschaft seit den 1850ern! vermutet, seit den 1910ern postuliert und Ende der 1970er mit Einführung der Computertomographie erstmals bewiesen.



          In anderen Kulturkreisen ist das schon seit Jahrhunderten, teilweise seit Jahrtausenden bekannt.



          Es gibt archäologische Funde, bei denen ein Skelett (von westlichen Wissenschaftler_Innen) aufgrund des Beckenknochens einem Geschlecht zugewiesen wurden, die Grabbeigaben aber typisch für ein anderes Geschlecht waren.



          (Sprich: Selbst Zog, der Neanderthaler wusste mehr über Geschlecht als das gros der heute lebenden Homo Sapiens.)



          Das binaristische Zweigeschlechterbild in der heutigen strikten, nachgerade faschistoiden Form ist ein Machwerk der christlichen

          • @Gretchen:

            Mir sind die Thesen aus der Hirnforschung seit vielen Jahren bekannt. Vieles klingt nachvollziehbar und vieles zu kurz gefasst. Letztendlich wird doch nur versucht, dass was wir von außen wahrnehmen durch Gehirnscans zu verifizieren. Letztendlich bleiben wir aber doch immer in unseren alten Denkmustern.



            Für mich ist Geschlecht ein Konstrukt. Männlich und weiblich sind Pole eines Kontinuums - und damit nicht binär.



            In deiner Argumentation lese ich nur, dass wir vom äußeren Genital nicht das Geschlecht ableiten können. Welches Geschlecht können wir denn im MRT entdecken? Und wie sieht die Referenzgruppe aus?



            Wie erwähnt: Ich bin froh über diesen Austausch hier und verstehe das Anliegen. Nur der Vorwurf an cis Personen und ihr binäres Denken ist für mich noch immer nicht geklärt...

        • @Artischocke:

          Ich stimme dir vollumfassend zu, dass ein in den Hintergrund treten von Geschlecht als gesellschaftlich so allumfassende, so wirkmächtige Kategorie sicherlich sehr vielen Menschen helfen würde. In diese Richtung geht auch mein Appell am Ende des Artikels: dass die Gesellschaft aufhört, trans Personen so argwöhnisch zu betrachten und die Übertretung der ihnen zugeteilten Geschlechterstereotype zu problematisieren, ist der absolut notwendige erste Schritt, um geschlechtliche Emnazipation zu erreichen. Solange uns Zugänge verwehrt werden oder es an unserer Akzeptanz mangelt, ist die Gesellschaft definitiv nicht an dem Punkt, dass sie Geschlecht in den Hintergrund rückt. Und das macht es für unsereins ziemlich anstrengend und ja, auch gefährlich.

          Trans Personen als kleine gesellschafltiche Minderheit haben keine Macht, das umzusetzen. Es macht keinen Sinn, bei uns da anzufangen - cis Personen müssen damit anfangen und das umsetzen, das können wir nicht alleine. Wir sind im Gegenteil sehr stark davon abhängig, wie in der sonstigen Gesellschaft mit Geschlecht umgegangen wird - locker oder repressiv?

          Aber siehst du irgendwie eine Mehrheit der cis Personen fordern, dass nicht mehr nach "Mutter" und "Vater" in der Geburtsurkunde unterschieden wird? Tja. Der Wunsch nach dem in den Hintergrund rücken von Geschlecht ist bisher der Wunsch einiger weniger cis Menschen. Viele wollen die Rolle von Geschlecht gar nicht in der Form hitnerfragen, für sie ist es bequem, wie es ist. Weiter unten beschreibt z.B. Dima, dass er eben als Vater und nicht als "Elter1" oder "Elter2" gelten will.

          Diese Menschen, die müssten ihre Meinung mehrheitlich ändern. Sonst bewegt sich da nix. Und bis cis Personen den Stellenwert von Geschlecht nicht verändern, haben wir trans Personen keine Wahl, als in diesem System (Cistem) zu leben und uns teilweise daran anzupassen.

          Wir sind aber nicht dafür verantwortlich, dass du dich mit Geschlechtszuschreibungen herumschlagen musst. Das sind cis Personen.

  • So definiert beispielsweise Jan Feddersen in dem Magazin FuturZwei aus dem taz Verlag trans als „Mensch, der seine Identität für flüssig hält, weitgehend dauerhaft“ – völliger Quatsch. -Feddersen hat wohl den term "genderfluid" einfach übersetzt.

    • @Bandari:

      trans und genderfluid sind nicht dasselbe. Heißt "einfach übersetzt", man übersetzt mal einfach irgendeine Definition von irgendwas?

  • Mir persönlich ist es vollkommen egal, ob jemand trans oder bio (ich bevorzuge den Ausdruck bio statt cis) ist.

    Nur die Aufregung bezüglich der Geburtsurkunde des Kindes kann ich nicht richtig nachvollziehen. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Änderung des eigenen Personenstandes nicht den Personenstand des Kindes ändert. Das Kind hat nunmahl nicht zwei Mütter, sondern eine Mutter und einen Vater. So sieht es im übrigen auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2011.

    Die Debatte um das gesellschaftliche Geschlecht könnte in dieser Frage meines Erachtens nur beendet werden, wenn die Nennung des Geschlechtes in der Geburtsurkunde wegfällt. Ich persönlich bin jedoch Vater meiner Kinder und nicht Elter1 oder Elter2.

    Aus meiner Sicht wäre es gangbar, bei übereinstimmender Erklärung beider Eltern auf eine geschlechstspezifische Nennung zu verzichten; also die wahlweise Einführung der Nennung Elter1/Elter2. In dieser Erklärung müssten die Eltern dann auch die Nummerieung angeben.

    • @DiMa:

      Wenn Du cis Menschen als "bio" bezeichnest, sagst Du im direkten Umkehrschluss, trans Menschen seien NICHT bio.



      Das ist (auch wenn Du es vermutlich nicht so meinst) eine Entmenschlichung.



      trans Menschen sind genauso "bio" wie cis Menschen, schließlich werden trans Menschen nicht im Spritzgussverfahren aus ABS hergestellt.

      Und das Kind HAT zwei Mütter.



      Du sprichst einer davon gerade das Frausein ab.



      Und Deine Interpretation des BVerfG-Urteils von 2011 ist - Verzeihung - völliger Murks.



      Das BVerfG hat das Gegenteil von dem geurteilt, wie Du es scheinbar verstanden hast.



      Das Urteil hebt den in §7TSG verlangten Genital-OP-Zwang, mit der Begründung, dass der Zwang zum einen in das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingreift und zum anderen, dass man das Geschlecht eines Menschen eben nicht am Genital ablesen kann, weil das Genital nicht geschlechtsbestimmend ist.

      Also nochmal: beide Mütter sind Frauen und folglich Mütter, weil beide Frauen Frauen sind.

      Du darfst gerne Vater Deiner Kinder sein, aber dann lass auch diese BEIDEN Mütter MÜTTER ihrer Kinder sein und sprich nicht einer davon das Geschlecht ab. Danke.

    • @DiMa:

      Hallo Dima,



      das sehe ich anders; mein Kind hat einfach keinen Vater, sondern mehrere Mütter. Das entspricht schlicht unserer gelebten Lebensrealität; mein Kind hat mich nie als Mann gesehen, wie sollte ich jemals für mein Kind als "Vater" gelten? Und welches Interesse sollte mein Kind an solch einem Eintrag haben - sorgt es doch nur dafür, dass die Wahrscheinlichkeit zur Diskriminierung steigt (was dann nicht nur mir, sondern auch dem Kind schadet)? Die lebenspraktischen Nachteile dieses andauernden Zwangsoutings sind eben einfach da. Dagegen hätte der Staat überhaupt keinen Nachteil davon, mich eben *nicht* als Vater einzutragen. Ob jetzt als zweite Mutter oder beide Eltern neutral - gegen beides verwehrt sich Deutschland bislang. Das finde ich belastend.

      Bei lesbischer Stiefkindadoption passiert übrigens meines Wissens genau das, was du vorschlägst, also die Eintragung der beiden Eltern ohne geschlechtliche Zuordnung. Es ist schon irgendwie absurd: wenn eine cis Frau mit einer cis Frau verheiratet ist, können sie für die gemeinsamen Kinder eine solche "neutrale" Geburtsurkunde erhalten. Aber wenn eine cis Frau mit einer trans Frau ein biologisches Kind bekommt - egal ob verheiratet oder nicht - dann muss die trans Frau mit einem falschen Geschlecht eingetragen werden.

      Ich wäre mit einer neutralen Geburtsurkunde jedenfalls zufrieden, weil das die praktischen Probleme lösen würde. Insofern finde ich deinen Vorschlag einen guten Kompromiss.

      • @MayaMitKind:

        Du siehst Dich - nachvollziehbarer Weise - in der jetzigen Situation einem Zwangsoution ausgesetzt.

        Nutzt jedoch Dein Kind später die in Deinem Sinne etwaig geänderte Geburtsurkunde (Mutter/Mutter), beispielsweise bei einer Bewerbung bei Behörden, dann kommt es dort zu einem möglicherweise ungewollten Zwangsouting. Der Inhalt der Geburtsurkunde betrifft halt mindestens zwei (in der Regel jedoch drei) Personen und diese können unterschiedliche Interessen haben.

        Vor dem Hintergrund der verschiedenen möglichen Interessen habe ich meinen Kompromiss zur Diskussion gestellt. Für die meisten ändert sich dann nichts, insoweit sollte es sie auch nicht weiter interessieren. Für die "Betroffenen" (ein in diesem Sinne blöder Ausdruck) sehe ich hingegen eine erhebliche Erleichterung.

        • @DiMa:

          "dann kommt es dort zu einem möglicherweise ungewollten Zwangsouting"



          Es läuft genau anders herum.



          Gerade dadurch, dass eine Mutter als angeblicher Vater bezeichnet wird, wird sie als trans geoutet.



          Wenn da einfach nur wahrheitsgemäß zwei Mütter eingetragen sind, kann niemand sagen, ob es zwei cis Lesben sind, von denen eine künstlich befruchtet wurde, oder ob eine der beiden trans ist und die Befruchtung übernommen hat, oder ob beide trans sind und das Kind adoptiert haben.

          Der FALSCHE Eintrag als angeblicher Vater ist hingegen eine maximale Bloßstellung der trans Mutter.

  • "Anstatt beispielsweise nüchtern die Realität zu betrachten, dass trans Frauen im Profisport keinesfalls das Feld dominieren,"

    Ich könnte hier eine ganze Reihe Beispiele nennen, wo trans Frauen erfolgreich in bestimmten sportlichen Disziplinen agieren - zugegebenermaßen noch eher im Amateurbereich. Gleichwohl habe KEIN Beispiel gefunden, bei dem ein TRANS MANN irgendeinen Erfolg im Herren-Bereich verzeichnen könnte.

    Ein klares Indiz, dass die Befürchtung, trans Frauen könnten zukünftig im Damen-Bereich dominieren/Frauen deutliche Nachteile haben, nicht vollständig aus der Luft gegriffen ist.

    • @gyakusou:

      Vielleicht brauchen wir etwas mehr Fantasie für eine Transition [1]?

      Ja, aktuelle Realität ist, dass Männer irgendwie dickere Klumpen sind als Frauen -- und vielleicht trans Personen etwas "von der anderen Seite" mitgebracht haben.

      Andererseits ist es wohl nicht zu leugnen (ausser vielleicht für Ewiggestrige), dass wir unser binäres Weltbild hinterfragen müssen. Trans, aber auch Menschen, die sich keiner Seite zuordnen können (oder wollen).

      Dieser Herausforderung muss sich nun mal der Sport, als gesellschaftliche Erscheinung stellen.

      Wie wär's z.B. mit Gewichtsklassen (wie beim Boxen längst üblich)? Oder mit einem Handicap, wie im Golf oder beim Segeln?

      "Es ist schon immer so gemacht worden" ist nur ein Synonym für Aufgeben.

      [1] Pun intended

  • Liebe Leser*innen,



    vielen Dank, dass ihr euch mit meinem Artikel befasst habt! Ich hoff, ich konnte den einen oder anderen Denkanstoß geben. Am ehesten sehe ich eure Kommentare bei Twitter, aber ich versuche auch hier reinzuschauen und respektvolle (!) Kommentare zu lesen und ggf. zu kommentieren.

    Alles Liebe,



    Maya