Das Ende von „Wetten, dass...?“: Nur noch Erinnerungen
Die Sendung war weniger das „Lagerfeuer der Nation“ als kollektive Regression. Heute nimmt das Sinnlose Überhand, Talente werden anderswo gecastet.
Es war Hape Kerkeling, der am Samstag auf der Couch wohl eher versehentlich schilderte, was einmal den Reiz von „Wetten, dass...?“ ausgemacht haben muss. Wie er, der heute Fünfzigjährige, als Kind samstags „von der Mutter gewaschen“ und danach in einen blauen „Frottee-Schlafanzug“ gesteckt wurde, bevor er im Kreise der Familie ausnahmsweise noch ein wenig länger fernsehen durfte.
Wenn nun pathetisch vom Ende einer 33-jährigen, dem Untergang eines Flaggschiffs oder von einem „TV-Monument“ die Rede ist, das „vom Sockel“ stürzt, sollte zweierlei beachtet werden. Erstens liegt es in der Natur einer jeden Ära, eines Tages zu enden. Und zweitens schnurrt auch ein „TV-Monument“ wie „Wetten, dass...?“ mit den Jahren naturgemäß ohnehin zusammen – auf die von Kerkeling beschworene vage und leicht erhitzte Erinnerung an Geborgenheit, Heimeligkeit, Sauberkeit und familiäre Harmonie.
Hier nahm uns ein freundlicher Onkel bei der Hand, machte es sich die „große weite Welt“ auf dem Sofa bequem, das immer nur die Verlängerung unseres eigenen Sofas sein sollte. Und jeder, der etwas Absurdes konnte, durfte es hier zeigen. Morgen vielleicht auch ich?
Alles Kommende war Unterhaltung, kommende Filme, kommende Platten. Alles Vergangene war, wie die Oma uns, hin und wieder dösender Ehrengast. Und die Gegenwart in dieser durch „Außenwetten“ ausgreifenden Arena ließ sich, auch dies ein kindlicher Spaß, entgegen allen Regelns des engen Programmschemas schier endlos überdehnen.
Kurios statt spannend
Die Wetten als Wettbewerbskern waren freilich nie wirklich spannend, eher kurios genug, um anderntags auf dem Schulhof als Gesprächsstoff zu dienen. Ob man auch eine Wärmeflasche durch Aufblasen zum Platzen bringen könnte? Wie toll wäre es, ebenfalls mit dem Bagger fahren und damit ein Streichholz anzünden zu dürfen! Und lassen sich Buntstifte wirklich an ihrem Geschmack erkennen? Nur wenn ein Satiriker schummelt – womit „Wetten, dass...?“ damals seinen ersten Skandal hatte, der darin bestand, dass das einvernehmliche Kontinuum des Staunens durch schnöden Betrug aufgebrochen wurde.
Vor fünf Jahren schon schrieb Georg Seeßlen darüber in der taz schön illusionslos: „Gezeigt werden darf beinahe alles, vorausgesetzt, es hat keinen Sinn.“ Die Sendung war weniger das „Lagerfeuer der Nation“ als vielmehr die kollektive Regression, die man am Ende einer langen Arbeitswoche sich erlauben durfte.
Die Regression gibt es noch immer, die Arbeitswoche sowieso, das Sinnlose nimmt Überhand und die bizarren Talente werden längst anderswo gecastet. Es ist die sinnstiftende Kraft des Kollektiven, die sich mit dem Verschwinden von „Wetten, dass...?“ ein wenig mehr ins Illusionäre auflöst. Und das ist doch eigentlich recht erfreulich.
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