Das Ende einer Berlinale-Ära: Fast gar nicht traurig
Dieter Kosslick, Herr der Internationalen Filmfestspiele Berlin seit 18 Jahren, stellt zum letzten Mal der Presse das Programm vor.
Ein bisschen wehmütig wirkt er schon, trotz der guten und der eher halbgaren Witze, die Dieter Kosslick wie gewohnt reißt. Es ist das achtzehnte Mal, dass der 70-jährige gebürtige Pforzheimer am Dienstagvormittag vor Pressevertretern aus aller Welt das fertige Programm der am 7. Februar beginnenden Berlinale präsentiert – und es muss ja auch so sein, dass mindestens melancholisch ist, wer sein Baby in die Volljährigkeit entlässt.
Nun wird es manchen Cineasten geben, der aufgeatmet hat, als letztes Jahr bekannt wurde, dass Dieter Kosslick aufhören wird und 2020 an seine Nachfolger Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian übergibt.
Oft wurde in dieser Stadt gespottet über Kosslick, den Mann mit der Aura eines Sparkassenfilialleiters und dem very German accent, der sich allzu gern mit Stars auf dem roten Teppich fotografieren ließ. Die Rolling Stones in Berlin, wer braucht so was?
Zuletzt wünschten sich in einem offenen Brief 79 Filmschaffende einen Führungswechsel, weil Kosslick zu wenige Visionen habe: Dem Festival fehle ein „künstlerisches Herz“.
Ein Festival für alle
Auf der Pressekonferenz aber werden keine kritischen Stimmen mehr laut. Jetzt, da Kosslick das letzte Mal die Berlinale präsentiert, scheint plötzlich allen klar geworden zu sein, wie es ihm aller Kritik zum Trotz gelungen ist, das Festival zu prägen.
Die Berlinale ist das größte Publikumsfestival der Welt geworden. Während auf anderen Filmfestivals gar kein normales Publikum erwünscht ist oder Kinotickets ein Vielfaches kosten, ist es hier relativ einfach, an Tickets zu kommen.
So mancher Berliner, der es unterm Jahr alle paar Wochen in einen Hollywoodfilm schafft, ist bei der Berlinale bereit, sich auch mal zwei chinesische Underground-Filme nacheinander anzusehen, der eine vier Stunden lang, der andere praktisch ohne Dialoge.
Tatsächlich zeigt sich Kosslick am Dienstagmorgen nur einmal ehrlich traurig: 13 Euro sollen die Tickets jetzt kosten statt wie bisher 12 Euro. Na klar: Auch das Publikum ist der Star, das war Kosslicks Devise. Es wäre schade, wenn das nun ausgerechnet in Zeiten, wo das Netz dem Kino immer stärkere Konkurrenz macht, vorbei wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!