■ Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich darf nicht in Betrieb gehen: Ein Sieg der Vernunft
Es war der klassische Sieg der BürgerInnen gegen den Atomstaat. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat gestern entschieden, daß Gesetze auch für die Errichter und Betreiber von Atomkraftwerken gelten. Wie bei anderen gefährlichen Industrieanlagen auch, müssen Sicherheitsbedenken im Prinzip ausgeräumt werden, bevor gebaut werden darf. Das gilt ganz bestimmt dann, wenn man wie in Mülheim- Kärlich ein Atomkraftwerk in ein erdbebengefährdetes Gebiet bauen will. Geschieht das nicht, ist der Betrieb nicht Rechtens – selbst wenn hinter dem Projekt der größte Stromkonzern der Republik, die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE), steht.
Das Urteil von Berlin ist ein Sieg des Vorsorgeprinzips, das unnötige Gefahren von den Bürgern abwenden will, gegen das Prinzip der Kapitalverwertung. Sieben Milliarden Mark hat RWE am Rhein verbaut. Und dennoch hat es der Konzern auch im zweiten Anlauf für eine Baugenehmigung nicht für notwendig gehalten, die Ängste der BürgerInnen und die Sicherheitsbedenken unabhängiger Experten ernst zu nehmen.
Der Konzern, der mit den großen Parteien der Republik kräftig verfilzt ist, fühlte sich sicher und hat allein auf die normative Kraft der Großinvestition gesetzt. Nicht einmal als den Konzernherren nachgewiesen wurde, daß sie den Meiler an einer anderen Stelle als der genehmigten gebaut haben, stellten sie das Projekt auf den Prüfstand. Keine Garage würde so genehmigt, aber die Konzernherren von RWE waren sicher, ihren Schwarzbau im idyllischen Rheintal durchzusetzen. Den Makel, daß es sich in Mülheim-Kärlich um einen Reaktor vom Bautyp Harrisburg handelt, haben sie vermutlich nicht einmal empfunden.
Gesunde Selbstzweifel hätten eine weniger arrogante Atomindustrie und eine kluge Bundesregierung dazu bringen müssen, schon vor Jahren den Stecker zu ziehen. Schließlich wird in 19 anderen Atomkraftwerken der Republik weiter Strom erzeugt. Sie alle stehen nach dem Urteil von Berlin mindestens politisch erneut auf dem Prüfstand: Sicherheit vor Kapitalverwertung. Statt dessen hat der größte deutsche Stromkonzern im Verein mit der Bundesregierung und ihrem rheinland-pfälzischen Kanzler Helmut Kohl an der Spitze die Niederlage der Mächtigen provoziert. Eine Niederlage mit Vorbildcharakter. Hermann-Josef Tenhagen
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