Dammbruch in brasilianischer Mine: Hoffnung auf Überlebende schwindet
Nach dem Dammbruch suchen Rettungskräfte weiterhin Überlebende. Für die in der Region lebenden Menschen wiederholt sich ein Alptraum.
Rund 250 Menschen wurden nach dem Unglück in Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais noch immer vermisst, wie die Feuerwehr am Samstag mitteilte. Gouverneur Romeu Zema sagte, es sei unwahrscheinlich, noch viele Überlebende zu finden. Die Zahl der Todesopfer dürfte deshalb weiter steigen. Mit einbrechender Dunkelheit stellten die Einsatzkräfte ihre Arbeit ein. Die Suche sollte am frühen Sonntagmorgen fortgesetzt werden. Rund 200 Feuerwehrleute und 13 Hubschrauber waren an den Such- und Bergungsarbeiten beteiligt. Insgesamt wurden über 180 Menschen lebend gefunden und in Sicherheit gebracht.
Der Damm an der Mine des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale war am Freitag gebrochen. Eine tödliche Mischung aus Wasser, Geröll und Erde rollte über Häuser und Menschen hinweg. Fernsehbilder zeigten dramatische Szenen: Ein Zug wird von den Massen erfasst und zerquetscht. Retter ziehen von Hubschraubern Menschen aus dem Schlamm. Den Angaben der Rettungskräfte zufolge werden sowohl Arbeiter der Eisenerzmine als auch Anwohner aus der umliegenden Gegend vermisst.
Wie es genau zu dem Unfall kam, sei noch unklar, sagte Vale-Präsident Fábio Schvartsman. Das Umweltministerium kündigte eine Strafe in Höhe von 250 Millionen Reais, umgerechnet 58 Millionen Euro, gegen Vale an. Medienberichten zufolge sollten zur Sicherheit Vermögenswerte des Konzerns über eine Milliarde Reais blockiert werden.
Zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich schockiert angesichts der Katastrophe. „Der Generalsekretär ist zutiefst betrübt über den schrecklichen Verlust von Menschenleben und die erheblichen Schäden an Häusern und der Umwelt, die durch den Bruch des Damms in Brumadinho verursacht wurden“, hieß es in einer Erklärung. „Die Vereinten Nationen sind bereit, die brasilianischen Behörden bei der Suche zu unterstützen“. Auch Israel bot Hilfe bei den Rettungsarbeiten an.
Der Unglücksort liegt rund 450 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro. Die Schlammmassen hatten sich über Teile der Eisenerzmine und eines Wohngebiets gewälzt. Insgesamt ergossen sich nach Angaben von Vale rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm über die Anlage und die nahe liegenden Siedlungen. Dabei wurden wahrscheinlich Dutzende weitere Menschen mitgerissen.
Auf Luftaufnahmen wurde das Ausmaß des Unglücks sichtbar, die Schlammlawine hatte sich kilometerweit ihren Weg gebahnt. Die braune Schlammflut erreichte auch die Wohngegend Vila Forteco und begrub teilweise ganze Häuser unter sich. Mindestens 81 Menschen wurden durch das Unglück obdachlos.
Präsident Jair Bolsonaro flog im Hubschrauber über das Unglücksgebiet und machte sich ein Bild von der Lage. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Opfern zu helfen, die Schäden gering zu halten, die Fakten zu ermitteln, für Gerechtigkeit zu sorgen und diese Tragödien für die Brasilianer und die Umwelt künftig zu verhindern“, schrieb er auf Twitter.
„Kein Unfall, sondern ein Umweltverbrechen“
Der rechtspopulistische Präsident steht im Ruf, den Unternehmen weitgehend freie Hand zu lassen und von strengen Umweltschutzbestimmungen wenig zu halten. Naturschutzverbände forderten eine strengere Kontrolle. „Brasilien muss die Regierungsbehörden stärken, die die wichtige Aufgabe haben, die wirtschaftlichen Aktivitäten mit hohem Risiko für Umwelt und Gesellschaft zu überwachen“, sagte der Direktor der Naturschutzorganisation WWF in Brasilien, Mauricio Voivodic.
Im Jahr 2015 gab es in Minas Gerais bereits ein ähnliches Unglück. Bei der „Tragödie von Mariana“ kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Es gab mehrere Anklagen und Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge, bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe.
„Diese neue Katastrophe ist die traurige Konsequenz davon, dass die brasilianische Regierung und die Bergbauunternehmen nichts dazugelernt haben“, sagte Nilo D'Ávila von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Das ist kein Unfall, sondern ein Umweltverbrechen, das bestraft werden muss.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut