Dänen-Ampel bleibt bestehen: „Mehrheit ist Mehrheit“
Schleswig-Holsteins Verfassungsgericht bestätigt die Sonderrolle des Südschleswigschen Wählerverbandes, rügt aber eine „Überkompensation“.
![](https://taz.de/picture/144250/14/a00web-junge-union-sh-aufm-weg-ins-gericht-dpa.jpg)
Klage abgewiesen, Regierung stabil: Kurz nachdem das Landesverfassungsgericht in Schleswig bestätigt hatte, dass der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) als Partei der dänischen Minderheit zurecht von der Fünfprozentklausel befreit ist und daher seine für die Mehrheit der Koalition aus SPD, Grünen und SSW entscheidenden Landtagssitze behält, klangen die VertreterInnen der Regierungsfraktionen wieder entspannt.
Die Opposition solle endlich ihre Rolle annehmen, denn Gerichte werden sie nicht retten, sagte Ralf Stegner, SPD-Landes- und Fraktionschef, während sich Lars Harms (SSW) in seiner Haltung bestätigt sah und Eka von Kalben (Grüne) sich über die „überraschende Deutlichkeit“ des Richterspruchs freute.
Dabei waren sich die PolitikerInnen, ganz gleich welcher Partei, vor dem Urteil keineswegs sicher: Drei Monate hatten sich die sieben RichterInnen Zeit gelassen, um über die Beschwerden zur Sitzverteilung nach der Landtagswahl 2012 zu entscheiden. Und deutlich fiel die Entscheidung keinesfalls aus: Drei schlugen sich mit einem Minderheitenvotum teilweise auf die Seite der Kläger.
„Verfassungsrechtlich unhaltbar“ sei das Urteil, befand Trutz Graf Kerssenbrock, der Prozessbevollmächtigte mehrerer Beschwerdeführer von der Jungen Union. Zwar hielt seine Argumentation, der SSW sei gar nicht Partei der Minderheit, nicht stand – alle sieben RichterInnen erklärten deutlich, dass der SSW die Minderheit politisch vertrete –, in einem anderem Punkt verloren die Kläger aber nur knapp: Es ging um die Frage, ob das Wahlrecht einzelnen Stimmen – hier für den SSW – mehr Gewicht zumisst als anderen.
Politisch motiviert
Ja, fanden drei RichterInnen, und sahen eine „Überkompensation“ für den SSW. Die Frage der „Erfolgswertgleichheit“ hatte das Verfassungsgericht 2010 bewogen, die Landtagsmehrheit von CDU und FDP für verfassungswidrig zu erklären, es folgten Neuwahlen. „Das Gericht zeigt seine Unberechenbarkeit“, so Kerssenbrock. Das Urteil sei „politisch motiviert“. Torge Schmidt von der Piratenpartei – die gegen die Fünfprozentklausel insgesamt geklagt hatte – sah das anders: „Mehrheit ist Mehrheit.“
Der SSW gehört dem Landtag seit 1947 durchgehend an. Gegen seine Sonderrolle protestierte die Junge Union schon 2005. Und für Beschwerdeführer Kerssenbrock ist die Debatte keineswegs beendet: Rechtsmittel gebe es zwar keine, das Urteil stehe – „aber 2017, nach der nächsten Wahl, ist das Thema wieder da“. Jedenfalls, wenn die Stimmen des SSW gebraucht werden.
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