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Dänemark und Pandemie-MaßnahmenNur mit „Coronapass“

Dänemark will die Einschränkungen bis Ende Mai schrittweise wieder zurücknehmen. Aber nur für jene, die eine digitale „Eintrittskarte“ vorweisen.

Mette Frederiksens Regierung hat einen Zeitplan für die Öffnung aufgelegt. Am Montag geht es los Foto: dpa

KOPENHAGEN taz | „Ich glaube und hoffe, dass Ostern ein Wendepunkt werden wird“, hatte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im Hinblick auf Corona in ihrer Neujahrsansprache gesagt: „Wohl noch nicht das Ende, aber ein Wendepunkt.“ Wenn alles gutgeht, könnte sich ihre damalige Hoffnung sogar erfüllen. Frederiksens Regierung hat einen Zeitplan vorgelegt, wie in den kommenden sieben Wochen nahezu alle bisherigen ­coronabedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder aufgehoben werden sollen.

Am 6. April geht es mit der ersten Etappe los. Da wechseln Schulen bis zur 8. Klasse wieder zum Präsenzunterricht und Serviceeinrichtungen wie Friseure und Spas dürfen öffnen. Eine Woche später sind die Läden in Einkaufszentren dran, ab 21. April Bibliotheken und Museen. Außerdem dürfen Restaurants und Cafés dann wieder draußen servieren, ab 6. Mai auch drinnen. Auch Kinos und Theater können ab da wieder aufmachen.

Ende Mai, das ist laut der Impfplanung gleichzeitig der Zeitpunkt, bis zu dem allen BürgerInnen über 50 Jahren ein Impfangebot gemacht worden sein soll, soll Dänemark wieder offen sein. Jedenfalls „mit wenigen Ausnahmen“ (Fredriksen).

Dänemark verfolgt damit einen ehrgeizigen Plan. Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit landesweit nämlich bei 162. Allerdings ist die Situation in der Intensivpflege entspannt und Dänemark hat eine der niedrigsten Raten an Covid-Toten innerhalb der EU. Es testet außerdem so viel wie kaum ein anderes EU-Land, und mit 7 Prozent Fertiggeimpften und 13 Prozent mit erster Impfdosis liegt das Land ebenfalls in der Spitzengruppe.

„Nun sollen wir Polizei spielen“

Die Meinungen über den Öffnungsplan gehen trotzdem auseinander. Manche EpidemiologInnen warnen, er gehe zu schnell und zu weit, viele Geschäftsleute meinen, man könne ruhig etwas mutiger sein.

Vor allem wird aber die „Eintrittskarte“ für die meisten der geplanten Öffnungsschritte kontrovers diskutiert: der digitale „Coronapass“. Mit dem muss man nachweisen, dass man entweder geimpft ist, eine Infektion überstanden hat oder innerhalb der letzten 72 Stunden einen negativen Coronatest absolviert hat. Friseur oder Gastwirtin müssen den „Coronapass“ prüfen, bevor sie KundInnen ihre Dienste anbieten dürfen.

„Das ist schon irritierend“, sagt Marianne Kolos von der Ko­penhagener Konditorei „La Glace“: „Nun sollen wir Polizei spielen.“ Natürlich sei es erfreulich, dass man vom Takeaway wieder zum Servieren übergehen könne, aber die Frage sei doch, wie viele der noch nicht geimpften KundInnen sich vor jedem Cafe- oder Restaurantbesuch immer erst den „Coronapass“ mit einem neuen Negativtest aktualisieren wollten. Geschäftstreibende machen sich auch strafbar, falls sie gegen die Regeln verstoßen. Es drohen für jeden Einzelfall Bußgelder zwischen umgerechnet 400 und 1600 Euro, die im Wiederholungsfall auf bis zu 6.000 Euro steigen können.

„Die Situation erinnert an die Kriegszeit, wo man immer Papiere dabei haben musste, um zu beweisen, wer man ist“, kritisiert Anne-Marie Axø Gerdes, die Vorsitzende von Dänemarks „Ethischem Rat“. Problematisch sei, dass nicht alle BürgerInnen gleiche Möglichkeiten hätten, die Pass-Voraussetzungen zu erfüllen und man in einer freien und offenen Demokratie nun ständiger Kontrolle ausgesetzt werde. In so einer Öffnungsphase wie der aktuellen sei das vielleicht vertretbar, aber die Anwendung des Passes müsse schnellstmöglich wieder begrenzt und dieser ganz abgeschafft werden, sobald es die Gesundheitslage zulasse.

Schnelltests seien „keine grüne Karte“

Wie lange negative Schnelltests noch als „Eintrittskarte“ ausreichen werden, steht seit dem Wochenende ebenfalls in Frage. Am Samstag veröffentlichte das staatliche Serum-Institut SSI die Ergebnisse einer Untersuchung, wonach es bei den Antigen-Tests gegenüber den PCR-Tests zu 47 Prozent falsch negative und zu 45 Prozent falsch positive Resultate gegeben hat. Ein negativer Antigen-Test könne also „keine grüne Karte in Bezug auf Coronarestriktionen sein“, sagt die SSI-Abteilungsdirektorin Tyra Grove Krause.

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