DJV-Sprecher über Pauschalisten: „Das ist kein Kavaliersdelikt“
Verlage sparen viel Geld, wenn sie Pauschalisten statt Redakteure beschäftigen, so Hendrik Zörner. Dabei könnten sie sich Festangestellte durchaus leisten.
taz: Herr Zörner, taz-Recherchen haben ergeben, dass scheinselbstständig beschäftigte Pauschalisten in deutschen Verlagen eher Regel als Ausnahme sind. Haben Sie das gewusst?
Hendrik Zörner: Wir wissen um das Problem, aber können ja nur aktiv werden, wenn unsere Mitglieder uns darum bitten. Und das ist genau der Punkt. Das tun viele nicht.
Warum nicht?
Die Allermeisten haben Angst, ihre Auftraggeber zu verlieren. Aus unserer Sicht ist das bedauerlich. Wir wären froh um jeden, der bereit ist, für seine Rechte zu kämpfen. Das würde auch unsere Position stärken.
Was versprechen sich die Verlage davon, statt Redakteuren lieber Pauschalisten zu beschäftigen?
Sie sparen Geld. Seit vielen Jahren schon sind die Verlage sehr erfinderisch. Man denke nur an die Praxis, angestellte Redakteure aus den Tarifverträgen auszulagern.
Von Verlagsseite wird den Mitarbeitern oft vermittelt: Nur so können wir uns die Redaktionen angesichts wirtschaftlich schwerer Zeiten überhaupt noch leisten. Stimmt das?
Das Argument teile ich nicht. Verlage machen in Deutschland immer noch gutes Geld. Zwar sind die Renditen nicht mehr so hoch wie früher. Aber die Verlage sind immer noch im Plus.
Welche Nachteile hat das Pauschalistendasein für die so beschäftigten Kollegen und Kolleginnen?
In erster Linie geht es um die soziale Absicherung. Als Festangestellter kann man krank werden und man hat Urlaubsansprüche. Darüber hinaus ist ein festes Beschäftigungsverhältnis nicht einfach so kündbar. Es gibt auch Nachteile bei der Bezahlung. Redakteure verdienen im Zweifel mehr als Pauschalisten.
Nach unseren Recherchen ist das bei vielen Pauschalisten nicht der Fall. Deren Honorar orientiert sich am Tarifgehalt.
Wenn das wirklich flächendeckend stimmen würde, gäbe es kein Problem. Aber so ist es leider nicht.
Welche Folgen hätte eine Anzeige für den Verlag?
Der Verlag müsste entsprechend in die Kassen greifen, mehr Geld für seine Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Das ist aus unserer Sicht dringend erforderlich. Darüber hinaus kann es passieren, dass Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind. Auch eine Geldstrafe ist denkbar. Wer bei einem Verfahren letztlich haftet, hängt von der gesellschaftsrechtlichen Verfassung des Verlags ab, und davon, welche juristischen Kompetenzen die Chefredaktion hat.
Auch die Gesellschaft nimmt Schaden: Steuergelder werden dafür aufgewendet, die Sozialversicherungsbeiträge der Pauschalisten zu bezahlen – obwohl dafür eigentlich die Verlage zuständig wären. Warum unternehmen die Behörden nichts?
Das kann ich schlecht beurteilen. Es ist Aufgabe der Behörden, Rechtsverstöße zu ahnden. Das ist ja kein Kavaliersdelikt. Das Problem ist: Sowohl die Künstlersozialkasse als auch die Rentenversicherung sind riesige Apparate mit begrenztem Personalkontingent. Mehr als Stichproben können die oft gar nicht leisten.
DuMont hat die Zollfahndung im Haus, der Axel-Springer-Verlag hat sich mittlerweile selbst angezeigt. Welche Schlüsse werden die Verlage daraus ziehen?
Ich hoffe, dass die Verlage den einzig richtigen Schluss ziehen, nämlich ihr Kernkapital, den Qualitätsjournalismus, zu stärken. Das funktioniert nicht, wenn sie in ihrer Personalpolitik gegenüber ihren Journalisten hart am Rand der Legalität segeln.
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