DJ Adolf frei im Netz

Nazis nutzen Internet-Musikbörse „Napster“ zum Verbreiten illegaler Musik. Behörden sind machtlos: Anbieter und Nutzer sind schwer zu lokalisieren  ■ Von Heike Dierbach

Das Suchwort „Juden“ reicht. Schon präsentiert der Computer eine lange Liste mit Musiktiteln: „Juden beseitigen“ und „Juden töten“ von „DJ Adolf“, „SS, SA Germania“ von den „Zillertaler Türkenjägern“, „Nationaler Widerstand“ von der Gruppe „Stahlgewitter“ – zum bequemen Herunterladen auf die heimische Festplatte: Über die Internet-Musikbörse „Napster“ ist es kein Problem, an rechtsradikale Musik zu gelangen, die zum Teil in Deutschland auf dem Index steht. Nach Erkenntnissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes hat sich die Börse zur zentralen Plattform für den Austausch dieser Musik entwi-ckelt. Die Anbieter strafrechtlich zu belangen, ist schwierig, weil die Börse grenzübergreifend funktioniert.

Napster hat seinen Sitz in den USA, unterhält aber seit Oktober eine „strategische Allianz“ zur Hamburger Bertelsmann eCommerce Group. Erfunden hat das Angebot im vergangenen Jahr der 20-jährige Student Shawn Fenning. Napster verfügt über kein eigenes Internet-Angebot, sondern verbindet Privatleute untereinander. Den Song lädt man sich direkt vom Computer eines anderes Users herunter – alles kostenlos bislang. Und ohne Kontrolle, wer was anbietet. Rund 40 Millionen nutzen das Angebot bereits, von Klassik über Jazz bis Hip-Hop und Eso-Musik ist alles zu haben. „Napster ist wie jeder Internet-Provider oder die Post lediglich die Transport-Plattform“, sagt der Präsident der Bertelsmann eCommerce Group (BeCG), Andreas Schmidt.

Nach den Nutzungsbedingungen verpflichtet sich zwar jeder User, die Gesetze seines Landes zu respektieren. Wer dagegen verstößt, wird rausgeschmissen. Nur: Naps-ter existiert weltweit, und die Gesetze sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. In den USA ist es erlaubt, Nazi-Lieder zu verbreiten, in Deutschland macht man sich damit strafbar. Also könnte man doch einfach alle deutschen User sperren, die diese Lieder anbieten oder herunterladen? Theoretisch ja, sagt BeCG-Sprecher Frank Sarfeld. Aber nur die deutschen. Und wo die Festplatte wirklich steht, ist schwer zu ermitteln. Denn die IP-Adresse richtet sich nach dem jeweiligen Provider: Wer sich bei T-Online anmeldet, bekommt eine deutsche, wer AOL wählt, eine amerikanische. Und in Amerika macht sich der User ja nicht strafbar...

Auch das Bundesjustizministerium sieht keine Möglichkeit, gegen den Tausch von Nazi-Musik bei Napster vorzugehen, weil die Gesetze der einzelnen Länder so unterschiedlich sind. Dennoch verspricht BeCG-Präsident Andreas Schmidt, man werde eng mit den Strafverfolgunsbehörden zusammenarbeiten: „Wir und Napster verurteilen den Missbrauch von Napster auf das Schärfste.“

Das Problem lösen könnte das Gesetz der Marktwirtschaft. Denn die BeCG will Napster in ein kos-tenpflichtiges Angebot umwandeln – diesem Zweck dient auch die Allianz. Im Gegenzug will die Bertelsmann Music Group (BMG) ihre Klage gegen Napster wegen Urheberrechtsverletzung zurückziehen. Auch in den USA klagt die Musikindustrie deshalb gegen die Börse. Nach den Plänen der Allianz sollen künftig auf Napster nur noch jene Titel kursieren, die die Musikunternehmen lizensiert im Programm haben – was wohl auf keinen Nazi-Titel zutrifft. Aber, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: „Es gibt alternative Anbieter ähnlicher Dienste.“

Kleiner Trost: Über Napster kommt man auch leicht an antifaschistische Musik. Unter Suchwort „Nazis“ beispielsweise bieten einem gleich mehrere User den Song „Nazis raus“ der Hamburger Gruppe „Slime“.

Mehr Infos unter:

www.napster.com

www.bsi.de

www.bertelsmann.de