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DIE VERNICHTUNG DER AKTEN IN KOHLS KANZLERAMT IST EIN SKANDALKohl muss Mandat abgeben

Also doch. Im Kanzleramt in Bonn wurden nach den verlorenen Wahlen 1998 Akten und Dateien manipuliert und vernichtet – und mit ihnen wesentliche Informationen zu den Entscheidungen über Leuna, den Panzer-Deal mit Saudi-Arabien und die Privatisierung von Eisenbahnerwohnungen. Für die Aktenmanipulationen gibt es weder eine rechtliche Handhabe noch einen vernünftige Rechtfertigung. Der einzige denkbare Grund ist: Kanzler Kohl und/oder seine Gefolgsleute wollten das Parlament und die neue Regierung hintergehen und auf diesem Wege illegale Vorgehensweisen vertuschen.

Derartige Manipulationen in einem Kanzleramt sind einzigartig in der bundesdeutschen Geschichte – ja, ein einzigartiger Skandal. Denn die Akten und Dateien aus Kohls Büro wurden nicht für die Auswertung der Historiker in fünfzig Jahren angelegt (selbst wenn Kohl sicher auch daran gedacht haben mag). Nein, die Dokumente des Kanzleramts waren und sind Grundlage demokratischer Kontrolle, etwa durch Untersuchungsausschüsse und staatsanwaltliche Ermittlungen. Wer also hier trickst und täuscht, der will lügen und betrügen. Was sonst? Schließlich fehlen die Akten zu den Entscheidungen, bei denen die Kohl-Regierung der Bestechlichkeit verdächtigt wird.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Vertuschungaktionen des Kanzleramtes noch weit über das bislang bekannte und vermutete Maß hinausgehen: Sie weisen somit auf untersuchungswürdige Themen hin: die Privatisierung der Rostocker Reederei oder der Motorradwerke Zschopau. Dieser Fälle sollten sich Untersuchungausschuss und Staatsanwaltschaft bald annehmen.

Ob sich die Bestechlichkeit der Regierung Kohl in dem einen oder anderen Fall nachweisen lässt? Das ist kaum noch auszuschließen. In jedem Fall ist klar: Kohl & Co. haben der Demokratie mehr geschadet als jede andere Bundesregierung. Dieser Schaden ist irreparabel, weil er das Vertrauen in den Rechtsstaat auf unabsehbare Zeit erschüttert hat. Das ist keine Kleinigkeit, auch wenn manche Zyniker das oft einwenden. Die erste Konsequenz aus dem Skandal: Kohl muss endlich sein Bundestagsmandat abgeben. DANIEL HAUFLER

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