DIE USA MÜSSEN SCHARON AN EINEM NEUEN RACHEFELDZUG HINDERN: Die Lehre des Jitzhak Rabin
Wir müssen den Terror bekämpfen, als gäbe es keinen Frieden, und den Friedensprozess fortsetzen, als gäbe es keinen Terror. Das war die Leitlinie von Israels Premierminister Jitzhak Rabin, bevor er ermordet wurde. Mit dieser zweigleisigen Strategie ist er sehr weit gekommen, wenn er auch sein Ziel selbst nicht mehr erreichte. Rabin hatte ein vergleichbar leichtes Spiel, denn zu seinen Lebenszeiten galt Jassir Arafat als Partner für den Frieden, was ihm die heutige israelische Führung rundum abspricht.
Es ist zweifellos richtig, wenn Außenminister Schimon Peres sagt, dass es um die Glaubwürdigkeit des Palästinenserführers nicht gerade gut steht. Und doch signalisierte Arafat gerade in den vergangenen Tagen und Wochen neue Kooperationsbereitschaft, so wenn er die Palästinenser zur Einstellung der Gewalt aufruft und Reformen ankündigt, die er zumindest in Ansätzen auch realisiert. Volkes Willen zum Trotz entschied er zudem diese Woche gegen die vom Obersten Gerichtshof verhängte Freiheit für PFLP-Chef Achmad Saadat.
Gleichzeitig lehnten die islamischen Fundamentalisten Arafats Angebot ab, Teil seiner neuen Regierung zu werden. Und sie lehnten eine Einstellung des Terrors ab. Zeichnet sich hier ein Aufbrechen der seit Beginn der Intifada im Herbst 2000 bestehenden palästinensischen Einheitsfront ab?
Genau werden wir das erst wissen, wenn Arafat seiner Verurteilung des gestrigen Terroranschlags Taten folgen lässt und diejenigen, die für die Bluttat die Verantwortung übernahmen, hinter Gitter bringt. Das Letzte, was ihn dazu motivieren wird, ist eine israelische Vergeltungsaktion nach dem Modell „Operation Schutzwall“, die sich bereits anbahnt.
Die Vereinigten Staaten sind aufgerufen, das zu versuchen, was einst Bundesaußenminister Joschka Fischer gelang: einen militärischen Rachefeldzug zu verhindern. Der für den Sommer geplante Nahostgipfel birgt echte Chancen. Sie zu vertun wäre unverantwortlich. Doch dazu wird US-Präsident George W. Bush seinen israelischen Amtskollegen an dessen Vorgänger Rabin erinnern müssen, der den Frieden trotz des Terrors nie aus den Augen verlor. SUSANNE KNAUL
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