DIE PROSA DER PARTEIEN: Grüne sind gerecht für alle
Die Bremer Grünen wollen am 22. Mai auf "20 plus" kommen und die CDU überrunden - vermutlich trotz eines Wahlprogramms ganz ohne strittige Forderungen.
Die Bremer Grünen haben ihr Wahlprogramm offiziell verabschiedet - verbunden mit der Hoffnung, dass sie im Aufwind des baden-württembergischen Wahlergebnisses nicht nur über 20 Prozent kommen, sondern auch die Bremer CDU überflügeln. Wer sich die Mühe macht, die 76 Seiten Wahlprogramm zu lesen, muss den Eindruck gewinnen: An dem jedenfalls wirds am Ende nicht gelegen haben - so oder so. Kontroverse Forderungen nämlich fehlen darin - und so spielte Streit auch beim Programmparteitag vergangene Woche keine Rolle.
"Wir wollen die Strom- und Wärmeversorgung für das Land Bremen zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme umstellen", heißt es nun im Programm gleich nach der Einleitung - allerdings nur "bis spätestens 2050". Der CO2-Ausstoß in Bremen soll "bis 2020 um 40 Prozent verringert" werden.
Hinter solchen Sätzen steht sicherlich viel guter Wille. Eine Konkretisierung, welche Maßnahmen welche Effekte erzielen könnten, wäre allerdings auch schön gewesen, in einem Programm. Bloß: Die gibt es nicht.
Das Harmoniepotenzial des Wahlkampfs lässt sich aus den Programmen im Vergleich mit der stärksten Partei (SPD) ableiten.
SPD: 64 S., 248,5 kB, Kurzfassung: 5 Punkte, Harmoniepotenzial: 5/5
CDU: 58 S., 1,0 MB, Kurzfassung 10 Punkte, Harmoniepotenzial 8/10
Grüne: 79 S., 549,8 kB, Kurzfassung: 11 Punkte, Harmoniepotenzial: 10,5/11
Die Linke: 72 S., 647 kB, Kurzfassung: 16 Punkte, Harmoniepotenzial: 12/16
FDP (Entwurf): 66 S., 1,6 MB, Kurzfassung: -, Harmoniepotenzial: ~45/66 (+/- innere Konflikte)
Bürgerinwut: 20,4 kB, nur Kurzfassung: 14 Punkte, Harmoniepotenzial: nicht zu ermitteln* (taz)
*Forderungen wie: "gegen Sozialismus und Kapitalismus, für […] einen dritten Weg" fehlt für Abgleich nötige inhaltl. Bestimmtheit.
Da sind Sätze wie: "Grüne rücken die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund" schon dankbarer, sie versprechen nichts, was konkretisiert werden müsste. Vor vier Jahren hat das grüne Wahlprogramm schlicht "Armut bekämpfen" plakatiert. Der konkreteste Punkt unter dieser Überschrift lautete: "mehr Familienhebammen". In dem neuen Wahlprogramm ist an die Stelle der lauten Forderungen eine Beschreibung von Armut getreten. "Die rot-grüne Koalition hat einen ,Armuts- und Reichtumsbericht' vorgelegt, der die Problemlagen von Menschen in schwierigen Lebenslagen beschreibt", heißt es da.
Während der Bereich Schulen vor vier Jahren mehrere Seiten umfasste, ist dieser Punkt in dem neuen Wahlprogramm knapp gehalten: "Wir setzen uns für gerechte Lernmöglichkeiten für alle ein", heißt es da. War die von der SPD-Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper umgesetzt Schulreform nun das, was den Grünen vorschwebte? Die Antwort fehlt. Nachgeliefert wird sie in den jetzt hinzugefügten "11 Punkten": "Den Umbau des Bremer Schulsystems mit gemeinsamem Lernen in der Oberschule setzen wir wie beschlossen fort", heißt es da. Bekenntnisse zur "Eigenständigkeit der Schule" als "Musterbeispiele einer demokratischen Kultur" fehlen 2011, auch die Ankündigung, man wolle "viele Verordnungen, die die Handlungsfreiheit der Schulen einschränken, außer Kraft setzen".
Vor dem Hintergrund, dass die Grünen den für Verkehrspolitik zuständigen Senator stellen, sind die Aussagen zu Konfliktpunkten in diesem Bereich besonders interessant. "Wir wollen erreichen, dass die Zeit des überdimensionierten Straßenbaus zu Ende geht", heißt es da. Eine Anspielung auf die Planungen für die A 281? "In Kattenturm wird mit uns der Bau einer Querspange zur Kattenturmer Heerstraße nicht möglich sein", donnert das Wahlprogramm. Ein Glück für die Grünen, dass ihr Bausenator den Prozess vor dem Bundesgerichtshof verloren hat!
Ein wunderschöner Satz aus dem Wahlprogramm 2007 fehlt 2011 leider: "Die Grünen bekennen sich zu dem Erhalt der Selbstständigkeit Bremens, auch wenn es schwer wird."
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