DFB-Präsidium wird weiblicher: „Starkes Zeichen“
Silke Sinning wird DFB-Vizepräsidentin und schaltet den mächtigen Funktionär Rainer Koch aus. Sie kämpft insbesondere für mehr Teilhabe von Frauen.
Nach ihrer Wahl zur DFB-Vizepräsidentin war Silke Sinning überrascht. „Mit diesem Ergebnis habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich wollte Mut zeigen“, sagte sie. Mit diesem Mut müssen die Gremien im DFB nun weiter rechnen. Viele der 163 Stimmen für sie waren zwar dem selbstdemaskierenden Auftritt ihres Kontrahenten Rainer Koch geschuldet. Sinning ist aber alles andere als ein nützliches Werkzeug zur Abwicklung personeller Altlasten, sondern eine profilierte Sportwissenschaftlerin und Verbandsfunktionärin, für die Demokratisierung ein Kernanliegen ist.
„Es geht vor allem darum, dass der DFB wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt. Das gelingt nur, wenn die Menschen sich mehr beteiligen können“, sagte die Professorin der Uni Koblenz-Landau im Vorfeld des DFB-Bundestags. „Wenn Frauen, Jugendliche oder Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen selbst bestimmen können, wie sie ihren Sport betreiben. Der DFB hat auch einen Bildungs- und Demokratieauftrag.“
Wie ernst es ihr damit ist, zeigte ihre Kandidatur selbst, mit der sie die Spitze ihres hessischen Landesverbands gegen sich aufbrachte. Die hatte sich wie fast alle Regionalverbände frühzeitig auf die Wahl von Bernd Neuendorf festgelegt. Sinning gehörte dagegen zum Team von Peter Peters, dem kaum Chancen eingeräumt wurden. „Wir wollen vorleben, wofür wir stehen: Indem wir den Mut haben zu kandidieren, eine offene Diskussion anstoßen und für geheime Wahlen eintreten“, erklärte Sinning. Das zog sie auch nach der Niederlage von Peters durch und kandidierte gegen Koch um den Platz im Präsidium, der dem Süddeutschen Fußballverband zusteht. „Zahlreiche Verantwortliche aus den Verbänden und Vereinen haben mich kontaktiert und den Wunsch geäußert, dass ich auf jeden Fall antreten soll.“
Bereits im letzten Jahr hatte Sinning sich mit Teilen des Hessischen Fußballverbandes (HFV) angelegt, als sie als Vorsitzende des Mädchen- und Frauenausschusses dafür kämpfte, dass Frauen künftig autonom über ihren Spielbetrieb entscheiden können. Die Abstimmung über eine entsprechende Satzungsänderung verlor sie.
Mitnahme durch Mitbestimmung
Mitbestimmung beginnt für die ehemalige Spielerin und Trainerin nicht erst in Verbandsgremien, sondern auf dem Fußballplatz bei den Jüngsten. Mit dem Erfinder der Fair-Play-Liga im Kinderfußball, Ralf Klohr, hat sie das Projekt „Miteinander“ initiiert, das jetzt in die Erprobungsphase geht. Dabei lernen D-Jugendliche (10–12 Jahre), wie sie bestimmte Entscheidungen auf dem Platz im Dialog und ohne Schiedsrichter: innen treffen.
Wie sich dieses Projekt in den letzten Jahren durch verschiedene Beteiligungsformen Akzeptanz an der Basis verschafft hat, stellt es im Kleinen einen Kontrapunkt zum umfassenden „Projekt Zukunft“ des DFB dar. Das ist von Experten ersonnen worden, um den „deutschen Fußball dauerhaft in der Weltspitze zu etablieren“, stößt an der Basis aber auf Widerspruch.
„Wir brauchen einen Generationenvertrag und müssen den DFB so aufstellen, dass er für die Jugendlichen langfristig interessant ist. Wer mitbestimmen kann, ist länger dabei“, lautet das Credo von Sinning. Im Gespräch betont sie, dass es ihr nicht um Posten, sondern um Inhalte gehe. Dazu zählt sie neben der Jugendarbeit vor allem die Themen Nachhaltigkeit und Diversität.
Mit Sabine Mammitzsch für den Frauen- und Mädchenfußball sowie Celia Sasic für Vielfalt und Diversität stehen ihr dabei zwei weitere neugewählte Vizepräsidentinnen zur Seite. Dazu kommen DFL- Geschäftsführerin Donata Hopfen und die neue Generalsekretärin Heike Ullrich – so dass jetzt fünf von fünfzehn Präsidiumsmitgliedern Frauen sind – gegenüber einer in der alten Besetzung.
„Das ist ein starkes Zeichen“, sagt Sinning. „Aber das Vertrauen müssen wir jetzt auch zurückzahlen. Deshalb ist für uns Frauen ein Schulterschluss wichtig, wir müssen uns im Präsidium gegenseitig unterstützen.“
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