DDR-Kunst im internationalen Kontext: Praktisch romantisch
Eine Ausstellung im Albertinum Dresden zeigt DDR-Kunst und ihre Verbindungen zu sozialistischen Bruderstaaten. Sie schillert in viele Richtungen.
Kunst der DDR vermittelte man nach 1990 gern entlang fester Argumentationslinien: Beachtenswert sei eigentlich nur, was aus den schummrigen Ecken der DDR-Gesellschaft gekommen, was gegen die staatliche Kulturpolitik und ihre ästhetischen Vorgaben des Sozialistischen Realismus entstanden war. Galt die Arbeit politisch anerkannter Künstler:innen vornehmlich als anti-intellektuell und provinziell, versprach die Subkultur eine gewisse Auflehnung und einen an westlichen Diskursen geschulten Internationalismus.
Es ist wichtig, Künstler:innen zu würdigen, die vom DDR-Apparat verfolgt und zensiert wurden. Aber man kann mittlerweile auch differenzierter auf eine Kunst schauen, die mit dem Realsozialismus konform ging. Denn auch sie ist häufig in einer Grauzone entstanden, liegt irgendwo zwischen politisierter Kulturförderung und persönlichem künstlerischem Wollen – und sie war so global vernetzt wie der Sozialismus es auch war. Das alles zeigt gerade die Ausstellung „Revolutionary Romances?“ im Dresdener Albertinum.
Beim Besuch der Schau wird schnell die Verzahnung von Außen- und Kulturpolitik der DDR deutlich: Als sich im revolutionären Kuba der Marxismus-Leninismus durchsetzte und Anfang der 1960er Jahre in Afrika viele Länder von den europäischen Kolonialmächten unabhängig erklärten, schien die Vorstellung einer weltumspannenden sozialistischen Bewegung in greifbare Nähe zu rücken.
Internationale Solidarität und Völkerfreundschaft wurden in der DDR als offizielle Losungen herausgegeben – auch für Künstler:innen. Ähnlich fällt dann das Bildvokabular derjenigen aus, die im offiziellen Auftrag eine Verbundenheit mit diesen Ländern bekundeten und derjenigen, die es aus persönlicher Anteilnahme taten: Erhobene Fäuste und Waffen, ein stilisierter Marx oder Lenin und zeitgenössische Helden wie Che Guevara finden sich gleichermaßen auf den poppigen Postern oder figurativen Malereien.
Kunst aus den Bruderstaaten wurde von Museen in der DDR gesammelt – und ist seit 1990 häufig in ihren Depots verschwunden. Die Dresdener Ausstellung holt sie wieder hervor. Zu sehen ist nun etwa die agitative Comicästhetik eines Mankeu Valente Mahumana, der aus Mosambik als Vertragsarbeiter in die DDR kam. Ausgemergelte Menschenmassen drängen sich auf seinem „Das Volk im Jahr 1974“. Das Bild entstand während des mosambikanischen Unabhängigkeitskampfes gegen Portugal.
Abwertende Stereotype
Als DDR-Bildhauer Walter Arnold allerdings 1967 mit „Vorwärts und nicht vergessen – die Solidarität“ seine Unterstützung für die Kommunisten im Vietnamkrieg mit einer Holzfigur zum Ausdruck brachte, ließ er darauf den vietnamesischen Soldat ausdruckslos hinter einem kräftigen, europäischen Beschützer verschwinden. Als „Socialist Chromatism“ bezeichnet der kanadische Historiker Quinn Slobodian solch abwertende Stereotype, die immer wieder in sozialistischen Bildfindungen auftauchen.
„Revolutionary Romances? Globale Kunstgeschichten in der DDR“: Albertinum Dresden, bis 2. Juni 2024
Die hatten ohnehin blinde Flecken: Während in der BRD Künstler wie Klaus Staeck mit Protestpostern gegen den von den USA unterstützten, chilenischen Diktator Pinochet als rebellisch durchgingen, gehörten ähnlich plakative Künstler-Statements in der DDR zum guten anti-amerikanischen Ton, über gleichermaßen imperialistische Umtriebe der Sowjetunion schaute man jedoch gern hinweg.
Abstrakte Bilder entweichen dem Vorwurf eher, politisch gelenkt zu sein. Als geometrisches Muster schien 1975 Margarita Pellegrin viele Rot- und Brauntöne auf einem Wandteppich komponiert zu haben, doch es zeichnet menschliche Silhouetten mit erhobenen Händen nach. „Demonstration“ heißt die Textilarbeit, mit der die Dresdnerin ihre Eindrücke aus Chile verarbeitete, das sie nach dem Putsch von Pinochet 1973 gemeinsam mit ihrem chilenischen Ehemann Hernando León verlassen musste. Künstler León sollte noch bis 1992 an der Kunsthochschule in Dresden lehren.
Politische Anerkennung in der DDR
Geknüpft waren internationale Kontakte an eine gewisse Konformität. Lea Grundig, die als Jüdin und Kommunistin von den Nazis verfolgt worden war, genoss in der DDR politische Anerkennung, war Kunstprofessorin und Präsidentin des Verbands Bildender Künstler. Auf ihren Reisen nach China oder Kambodscha akquirierte sie Kunstwerke für DDR-Sammlungen und fertigte selber Zeichnungen an. 1960 brachte sie die „Schiffe auf einem Fluss bei Wuhan“ in flüchtigen, schwarzen Pinselstrichen als diesige Landschaftsansicht auf ein Blatt.
Weniger im DDR-System etablierte Künstler:innen mussten für internationale Kontakte auf die Post zurückgreifen: Mail Art, eine Art Kettenbrief, wurde zur künstlerischen Strategie der Opposition, um Informationen auszutauschen. Etwa bis zum US-Amerikaner Blaster Al Ackerman. Der eignete sich 1978 so selbstironisch wie regimekritisch das Kunstgenre an, als er eine Boxershorts mit seinem Konterfei bemalte und an die bekannte Galerie Arkade in Ostberlin adressierte.
Die nüchternen Lithografien der Vietnamesin Trịnh Kim Vinh schließen die Dresdener Ausstellung mit einem kaum bekannten Kapitel der DDR-Kunstgeschichte ab. Vinh studierte als eine von über 50 Gaststudierenden aus Asien, Afrika und Lateinamerika bis 1973 an der Dresdener Kunsthochschule. In braun-schwarzer Schraffur porträtierte sie zu der Zeit kämpfende Frauen im Vietnamkrieg – die Waffe geschultert, der Blick leer. Keine Männer, keine Heroen. Vinhs Arbeit ist vielleicht exemplarisch für die Ambivalenzen einer offiziellen Kunst der DDR. Trotz ihrer politischen Instrumentalisierung kann darin auch ein individueller, kritischer Blick sichtbar werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt