DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT STELLTE ERFOLGREICH FRAGEN: Karlsruher Gesprächstherapie
Wenn Ehepaare nur noch aneinander vorbeireden und drängende Fragen bewusst undeutlich beantwortet werden, dann könnte es Zeit für eine Paartherapie sein. Eine Therapie, bei der die Interessen offen auf den Tisch kommen und endlich wieder ein konstruktives Gespräch geführt wird.
Im Rechtsstaat muss manchmal das Bundesverfassungsgericht die Therapie übernehmen und im Verfahren um den Kauf von 73 neuen Militär-Airbussen ist dies auch hervorragend gelungen: Alle Beteiligten haben das Gefühl, dass sich der Besuch bei Frau Professor Limbach gelohnt hat.
Friedrich Merz hat endlich Antwort auf seine Fragen aus dem Bundestag bekommen, und er kann sich zugute halten, dass er die Parlamentsrechte kompromisslos verteidigt hat. Jetzt steht fest: Die Bundesregierung wird sich beim Kauf der Militärtransporter erst rechtlich binden, wenn das Haushaltsverfahren im Bundestag grundgesetzkonform abgewickelt ist.
Aber auch Rudolf Scharping, der sich gerne auf Kosten des Parlaments durchgemogelt hätte, kann mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden sein. Er ist um den gefürchteten Nachtragshaushalt herumgekommen und kann die noch fehlenden 3,5 Milliarden Euro wie geplant im Haushalt 2003 verbuchen. Nach seiner klaren Antwort in Karlsruhe kann Scharping nun sagen, dass er nie das Parlament austricksen wollte und Merz ihn im Bundestag nur nicht richtig verstanden hat.
Nur: Manchmal gibt es Dritte, auf deren Kosten die Einigung zustande kommt. Etwa die beteiligten Nato-Staaten, die bis zum 31. Januar eine rechtsverbindliche Zusage Deutschlands haben wollten. Jetzt bekommen sie nur die Auskunft, dass der Bundestag das Projekt gut findet und im nächsten Jahr bei der Finanzierung klärt.
Vor einer Woche noch hätte das wohl niemand genügt. Jetzt aber scheint ein Scheitern des Projektes nicht mehr zu drohen. Warum? Offensichtlich muss die Karlsruher Mediation indirekt auch für die Nato-Partner hilfreich gewesen sein. Wenn Scharping seinen politischen Willen vor dem höchsten deutschen Gericht wiederholt, dann wirkt das im Ausland wohl schon wie ein notariell beglaubigtes Kaufversprechen.
Wurde hierbei aber nicht das Verfassungsgericht von der Politik instrumentalisiert? Diesmal dürfte es eher milde lächeln. Schließlich hat sich das Gericht selten mit so wenig Arbeit so wirkungsvoll profilieren können. Eine Stunde geduldiges Zuhören, drei kluge Fragen und ein souverän präsentierter Vorschlag, so einfach ist die Karlsruher Gesprächstherapie. CHRISTIAN RATH
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