Cyberangriffe auf Bundestagwahl 2021: Gut gerüstet gegen Hacker?
Die Bundestagswahl könnte Ziel von Cyberangriffen und Desinformationen werden. Die Behörden sehen sich gegen Attacken aber gewappnet.

Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), formuliert die Lage vorsichtig, aber eindringlich: „Die IT-Sicherheitslage im Wahljahr 2021 ist möglicherweise bedrohlicher als sonst.“ Schuld daran ist auch die Coronapandemie. Da direkte soziale Kontakte viele Monate deutlich eingeschränkt wurden, verlagerte sich die Kommunikation ins Netz. Zudem schreitet die Digitalisierung auf allen Ebenen voran.
Aufmerksam beobachteten die Behörden auch Wahlen im Ausland. Via Twitter versuchten im Jahr 2020 Anhänger:innen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und er selbst mit der Kampagne „Stop the Steal“, das Wahlergebnis zu diskreditieren. In Frankreich wurden die Präsidentschaftswahlen 2017 durch die Macron-Leaks beeinflusst. Zwei Tage vor der Wahl wurden mehr als 20.000 E-Mails gehackt, die in Zusammenhang mit Macrons Wahlkampagne standen, und über die sozialen Medien verbreitet. Solche Angriffe seien auch in Deutschland „attraktiv“, die Bedrohungslage sei komplex.
Wie, zeigt das Thema Briefwahl. Sie sei manipulierbar, Wahlurnen könnten unbemerkt geöffnet werden und Erstwähler:innen hätten die Chance auf ein Gewinnspiel, wenn sie ihren Namen auf den Stimmzettel schreiben. Solche Aussagen wurden vor wenigen Monaten über soziale Medien verbreitet. Auf der Webseite des Bundeswahlleiters hat die Behörde diese Beispiele veröffentlicht und hält mit den Fakten dagegen. Zum Beispiel damit, dass die Urnen der Briefwahl genauso gesichert seien wie die im Wahllokal.
Für den Notfall gibt es das „rote Telefon“
Laut Bundeswahlleiter Georg Thiel gibt es keinen Zweifel am korrekten Ablauf der Briefwahl. Seit 1957 gibt es die Möglichkeit, per Brief zu wählen. Man habe seitdem keine Ansatzpunkte dafür, dass die Wahlen dadurch manipulationsanfälliger geworden seien. IT-Alltagsprobleme gibt es ohnehin zuhauf: Schwachstellen bei der Exchange Software von Microsoft, Datenklau bei Facebook, Phishing-Mails oder fehlende VPN-Verschlüsselungen für den Datenaustausch. Für die IT-Sicherheitsbehörden ist das „business as usual“.
Mehr Beispiele bleiben die Behörden der Öffentlichkeit schuldig, verständlicherweise. Dasselbe gilt für Maßnahmen gegen Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Aber die Botschaft lautet: In die Wahlinfrastruktur wurde investiert oder es wurden zumindest Sicherheitsempfehlungen ausgesprochen, überall wird informiert, es gibt Schulungen für Parteikandidat:innen, das Personal beim Bundeswahlleiter wurde aufgestockt, alle Sicherheitsbehörden arbeiten zusammen.
Und 700.000 Helfer:innen werden am Wahltag im Einsatz sein, um die richtige Durchführung der Wahl abzusichern. Für den Notfall gibt es das „rote Telefon“, die Hotline zu den IT-Sicherheitsverantwortlichen von Google, Twitter, Facebook und Co. Schönbohm und Kolleg:innen schalten sich im Ernstfall mit den Unternehmen zusammen.
Am Ende bleiben den beiden Behördenleitern doch nur ein paar schnöde Ratschläge und ein vehementer Appell an die Bevölkerung: Alle Geräte auf dem neuesten Sicherheitsstand halten, nicht alles glauben, was im Netz steht, und dubiosen Quellen nicht folgen. Wir alle seien gefordert, diese demokratische Wahl zu verteidigen, sagt BSI-Chef Schönbohm. Jeder könne helfen, Angriffe zu erschweren oder zu verhindern.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Politiker boykottiert Radio Bremen
Zu links, zu grün, zu schlecht
EU-Antwort auf Putin und Trump
Zu wenig und zu spät
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
USA in der Ukraine
Geheime Verhandlungen mit der Opposition
Kopftuchstreit in Spanien
Glaube und Feminismus
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?