Cristiano Ronaldo im Fokus: Tränen für das Portemonnaie
Cristiano Ronaldo ist der bestbezahlte Influencer der EM. Kicken kann er nicht mehr so gut und doch dreht sich vieles nur um ihn.
Die Reichweitenmesser beim Sportartikelhersteller Nike haben gewiss schon ermittelt, wie oft das bekannte Markenlogo auf der Spielerbrust zu sehen war und wie viele Menschen sich darüber im Netz unterhalten haben. Reden wir also über Cristiano Ronaldo, den immer noch Fußball spielenden Markenbotschafter, die wandelnde Werbefigur, die längst selbst eine Marke geworden ist!
Es ist ihm nicht auszukommen bei einem Spiel der portugiesischen Nationalmannschaft. Beinahe jede Nahaufnahme zeigt den mittlerweile 39 Jahre alten Mann, der früher gewiss einmal zu den besten Fußballern des Planeten gehörte. Schon vor der Hymne geht diese merkwürdige Hypeshow um „CR7“ los. Die Reporterin, die für Magenta TV das Achtelfinale kommentiert hat, verwendete doch tatsächlich dieses Kürzel aus den Initialen und der Rückennummer Ronaldos, wenn sie über den Stürmer gesprochen hat. Parfüm, Unterhosen, Brillen und Uhren werden unter dem Label CR7 vertrieben – gewiss nicht zum Schaden Ronaldos.
Schon vor dem Anpfiff weisen die Reporter aufgeregt darauf hin, dass man doch bitte auf die Kinder schauen solle, die, von einem Lebensmitteldiscounter mit hässlichen Klamotten ausgestattet, als Begleiter für die Fußballer auf den Platz geschickt werden. Neulich habe es da doch eine zuckersüße Szene mit einem dieser sogenannten Einlaufkinder gegeben.
Rührstück um eine Berührung
Das Turnier hatte ein Mädchen einfach nur glücklich gemacht, weil sie die Gelegenheit hatte, den großen Ronaldo, das Idol, den erfolgreichsten Influencer der Welt, mit ihrer eigenen Hand zu berühren. Über 600 Millionen Follower hat Ronaldo auf Instagram, seine Posts erzeugen Milliarden von Interaktionen, so viele, dass Sportartikelhersteller Nike den in die Jahre kommenden Kicker mit einem frischen „Milliardenvertrag“ ausgestattet hat, wie etliche Sportnachrichtenschleudern im Herbst verkündet haben, in der Hoffnung, im Rennen um Klicks von der Popularität des Portugiesen ein Stückchen abzubekommen.
Ronaldos Popularität ist längst völlig losgelöst von seinen spielerischen Fähigkeiten. Es kann schon sein, dass er bei seinem Klub Al-Nassr in Saudi-Arabien, der ihn gewiss gut entlohnt, mal ein gutes Spiel macht, bei dieser EM ist ihm das noch nicht gelungen. Seine Mitspieler versuchen unermüdlich, ihn in Szene zu setzen, damit er endlich ein Tor erzielt.
Damit wäre er der erste Fußballer, der bei sechs Europameisterschaften einen Treffer erzielt hat, was vor ihm noch keinem gelungen ist – und was gewiss dazu führen würde, dass ihm noch mehr Unterhosen, Parfüms, Uhren und Brillen abgekauft werden. Ein ums andere Mal flanken seine Kollegen in seine Richtung, auch wenn sie wissen, dass sein Timing nicht mehr das beste ist.
Und so verpasst er so manches Anspiel oder segelt unter Flanken hindurch, woraufhin er mit seinen Kollegen schimpft, weil er deren Anspiele für ungenügend hält. Auch jeden Freistoß darf er schießen, aber längst wissen die Fans, die auf den Tribünen hinter dem Tor sitzen, dass sie tunlichst in Deckung gehen sollten, wenn Ronaldo zum Freistoß antritt. Denn meistens drischt er den Ball irgendwohin – nur nicht Richtung Tor.
Die Bewunderung für alles, was er tut, ist bei seiner Followerschaft dennoch ungebrochen. Kaum vergeht ein Spiel, in dem sich nicht einer auf den Platz schleicht, um ein Selfie mit Ronaldo zu machen. Und niemand aus seiner blinden Anhängerschaft macht sich Gedanken darüber, dass Ronaldo nur auf dem Platz steht, weil er sich ein teures Heer von Anwälten leisten kann. Hätte er diese Fixer nicht, säße er vielleicht längst wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis und wäre in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, als ihn eine Frau mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert hat.
Am Freitag, beim Viertelfinale gegen Frankreich, wird das nächste Kapitel dieser unwürdigen Ronaldo-Show geschrieben. Möge es das letzte sein!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf