Covid-19 in Großbritannien: Langsam aus dem Lockdown
Mit einem Stufenplan will Boris Johnson die Coronamaßnahmen beenden. Denn das Impfprogramm ist erfolgreich.
Impfminister Nadhim Zahawi hatte schon am Montagmorgen wichtige Punkte bestätigt. Damit der Ausstieg gelingt, müssen vor Beginn jeder neuen Stufe die folgenden Hürden genommen werden: Erstens müsse das Corona-Impfprogramm weiter erfolgreich laufen. Bis dato sind rund 17,5 Millionen Menschen, also ein Drittel der erwachsenen britischen Bevölkerung, mindestens mit der ersten Dosis geimpft worden. Bis April will das Vereinigte Königreich allen über 50-Jährigen und bis Ende Juli sogar allen Erwachsenen eine Impfung verabreicht haben. Durchschnittlich ließen sich 85 Prozent der Berechtigten die Spritzen geben. Das sei weltweit eine der höchsten Impfbereitschaften, so Zahawi. Laut einer Ipsosstudie seien sogar 89 Prozent aller Brit*innen bereit, sich impfen zu lassen.
Zweitens brauche es ausreichend Nachweise, dass die Impfungen die Notwendigkeit von Krankenhausaufenthalten sowie die Anzahl der Todesfälle ausreichend reduzierten. Die Anzahl der an Covid-19 Verstorbenen und die Infektionsraten seien aufgrund des Impfprogramms in Großbritannien stark zurückgegangen, heißt es. Laut am Montag von der Universität Edinburgh veröffentlichten Daten senken die Impfungen, egal ob von Biontech oder AstraZeneca, die Krankenhausaufnahmen infolge von Covid-19 um 94 Prozent.
Die Pandemie hat in Großbritannien mehr als 120.000 Menschen das Leben gekostet – so viele wie sonst nirgends in Europa. Doch der 7-Tages-Durchschnitt der täglichen Covid-19-Todesfälle ist vom 21. Januar bis zum 21. Februar von über 1.200 auf 488 gesunken.
Die dritte Bedingung für das Fortschreiten im Stufenplan sei, dass Infektionsraten nicht zu einem Anstieg von Krankenhausaufenthalten führten, welcher das Gesundheitssystem überlaste. Viertens dürfe sich die Risikoeinschätzung nicht fundamental aufgrund neuer Virusmutationen ändern.
Als erstes können nun in zwei Wochen alle zehn Millionen englischen Schüler*innen in die Schulen zurückkehren und obendrein Schulsport im Freien machen. Dies sei für die Bildung, aber auch für ihre mentale und physische Gesundheit entscheidend, erklärte Boris Johnson. Darüber hinaus könnten sich zwei Personen treffen, aber nur im Freien.
Johnson gab weiter an, dass die nächste Stufe frühestens ab dem 29. März beginnen würde, zu der sich zwei Familien aus zwei Haushalten oder nicht mehr als sechs Personen aus verschiedenen Haushalten unter freiem Himmel treffen könnten. Zur selben Zeit könnte auch Sport im Freien wieder für alle erlaubt sein. Alle anderen Schritte wie die Wiedereröffnung von Sportstätten, Friseursalons, Kneipen und Restaurants sowie aller anderen Geschäfts- und Wirtschaftssektoren folgen danach, frühestens ab Mai, mit Ende der letzten Beschränkungen am 21. Juni – wenn es keine Rückschritte in der Pandemiebekämpfung mehr gibt.
Maßnahmen gelten vorerst nur für England
Obwohl die Maßnahmen im Vergleich zu vorherigen Lockdown-Ausstiegen in Großbritannien viel langsamer sind, mit vier bis fünf Wochen zwischen jeder Stufe, erntete Johnsons Regierung Kritik der Gewerkschaften im Bildungsbereich. Sie fordern, dass die Rückkehr in Schulen noch langsamer vonstatten gehen solle. Zahawi erklärte dazu, dass an englischen Schulen 15 Millionen Schnelltests verteilt worden seien, um Schüler*innen durchgehend zu testen. Manche Schulen sehen das Testen allein als eine überwältigende Herausforderung.
Labour-Oppositionsführer Keir Starmer mahnte im Parlament zur Vorsicht: die Regierung habe schon mehrfach lockerungen verfügt und sie wieder zurücknehmen müssen. Aber auch er nannte den Erfolg des Impfprogramms „Licht am Ende des Tunnels“ und befürwortete den Schulbeginn für alle am 8. März.
Die Maßnahmen gelten nur für England, doch es wird nicht erwartet, dass andere Landesteile grundsätzlich andere Wege gehen. Downing Street 10 gab an, dass die einzelnen Teile des Vereinigten Königreichs ihre eigenen Pläne ausarbeiteten, „es wird aber eng miteinander gearbeitet“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“