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Coronavirus im Iran„Gott wird euch helfen“

Im Iran gibt es sehr viele Infizierte. Selbst führende PolitikerInnen sind erkrankt. Die Regierung spricht von einer feindlichen Verschwörung.

Teils mit Maske: Frauen in einem Bus in Teheran Foto: reuters

Berlin taz | Iran hat nach China derzeit die meisten Opfer durch den Coronavirus zu beklagen. Laut neuesten Angaben des Teheraner Gesundheitsministeriums sind bislang 34 Menschen an ihm gestorben. 388 Personen seien positiv getestet worden. Gemessen an der Zahl der Bevölkerung liegt Iran damit sogar vor China. Zu den Erkrankten gehören auch die Vizepräsidentin Massumeh Ebtekar, zuständig für Frauen und Familie, und der stellvertretende Gesundheitsminister Iradsch Harirtschi, der für den Kampf gegen den Virus zuständig ist.

Die Zweifel an den Angaben der Regierung sind in der iranischen Bevölkerung sehr groß. Nach den Ereignissen der vergangenen Monate, vor allem nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine im Januar, als das Volk drei Tage lang belogen und betrogen wurde, ist das Vertrauen zwischen der Bevölkerung und der Staatsführung stark zerstört. Das öffnet Gerüchten und Verschwörungstheorien Tor und Tür.

Auch Experten schätzen die Zahl der Toten und der Infizierten weit höher als von der Regierung angegeben. Der Abgeordnete Gholamali Dschafarsadeh Imanabadi bat die Verantwortlichen inständig um Transparenz. „Die angegebenen Zahlen sind nicht korrekt. Sagt dem Volk die Wahrheit. Man kann doch die Gräber nicht verstecken“, sagte er.

Das persischsprachige TV-Programm der BBC mit Millionen Zuschauern in Iran sprach am Freitagabend unter Berufung auf Angaben der Krankenhäuser von mindestens 210 Toten in Iran, mehr als hundert allein in der Hauptstadt Teheran.

Aber selbst wenn die Angaben der Regierung stimmen sollten, bleibt die Frage, warum gerade Iran so stark von der Lungenkrankheit heimgesucht wurde. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst steht es fest, dass die Regierung viel zu spät die Krankheit ernst genommen und erforderliche Maßnahmen dagegen eingeleitet hat.

China ist wichtigster Handelspartner

Trotz Protesten wurde der Luftverkehr zwischen China und Iran bis vor kurzem nicht eingestellt. China ist derzeit der größte Handelspartner der Islamischen Republik, die Märkte in Iran sind überfüllt von chinesischen Waren. Ein User schrieb im Internet: „Nun könnte sogar mein Tod made in China sein.“

Auch andere Vorbeugemaßnahmen, wie die Isolierung von Infizierten oder die Absage von größeren Veranstaltungen und Versammlungen, wurden viel zu spät und dann auch zögerlich getroffen.

Die heilige Stadt Ghom, von der aus die Krankheit sich verbreitete, wird täglich von Tausenden Pilgern besucht, die sich in den Moscheen versammeln. Doch bis heute wird darüber gestritten, ob man den Moscheebesuch verbieten dürfte. Dasselbe gilt für die Teilnahme am Freitagsgebet.

Der Freitagsprediger von Ghom, Mohammad Saidi, meinte, die Feinde Irans wollten Ghom als eine unsichere Stadt darstellen. „Wir betrachten die Moscheen als Orte, die körperlich und psychisch Kranke gesund machen. Gerade jetzt müssen die Menschen in die Moschee kommen“, sagte er.

Suren lesen soll helfen

Bislang hat keine wichtige religiöse Instanz den Gang zu den Moscheen untersagt. Als Ayatollah Hossein Wahid Chorasani gebeten wurde, den Gläubigen zu empfehlen, hygienische und medizinische Vorbeugemaßnahmen zu befolgen, sagte er: „Legt die Hände auf die Brust, sprecht morgens und abends siebenmal die Sure Hamd aus dem Koran, dann wird euch Gott helfen.“

Erst am Freitag beschlossen 22 der 31 Provinzen, das Freitagsgebet abzusagen. Laut Beschluss der Regierung sollen Schulen und Universitäten möglicherweise bis nach den Neujahrsferien geschlossen bleiben. Das neue Jahr (Noruz) beginnt in Iran am 21. März. Dann schließen die Lehranstalten ohnehin für 13 Tage. Zudem sollen öffentliche Veranstaltungen sowie Hochzeit- und Trauerfeiern abgesagt werden.

Die Staatsführung versuchte zunächst, wie bei allen unangenehmen Ereignissen, ausländische Feinde für die Verbreitung der Krankheit in Iran verantwortlich zu machen. Nach der Teilnahme an der ersten Sitzung des Krisenstabs am 25. Februar erklärte Präsident Hassan Rohani auf einer Pressekonferenz, die live im Fernsehen übertragen wurde: „Es handelt sich um eine Verschwörung unserer Feinde, die mit der Verbreitung der Angst unser Land zum Erliegen bringen wollen.“

Mittlerweile haben alle Nachbarstaaten Flugeverbindungen mit Iran gestrichen. Auch diese Maßnahme erfolgt zu spät. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind bislang 970 Personen in 11 verschiedenen Ländern durch Reisende aus Iran infiziert worden.

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21 Kommentare

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  • Thomas von der Osten-Sacken in der Jungle World über die Rolle des Iran bei der Ausbreitung des Corona-Virus in der Region:

    jungle.world/blog/...DWPVzQ6QZEGTNH1aUU

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ganz ihrer Meinung. Ob orthodoxe Muslime oder evangelikale Christen, sie alle glauben, dass alles in Gottes Hand liegt und man eh nix machen kann.

  • "Als Ayatollah Hossein Wahid Chorasani gebeten wurde, den Gläubigen zu empfehlen, hygienische und medizinische Vorbeugemaßnahmen zu befolgen, sagte er: „Legt die Hände auf die Brust, sprecht morgens und abends siebenmal die Sure Hamd aus dem Koran, dann wird euch Gott helfen.“"

    Hoffentlich ist der Spuk der Ayattolahs bald vorbei.



    Weg mit dem religiösen Wahn!

  • RS
    Ria Sauter

    Ich frage mich immer, wem hilft den dieser Gott? Gibt es für jedes Volk einen eigenen?



    Angebracht wäre weltliche Hilfe . Sanktionen aufheben und med. Hilfe schicken.

  • Beten hilft! Allah, barmherzig ist er, schützt seine Schafe... O.O

    • @Maiskolben:

      Ziemlich daneben ihr Sarkasmus. Ätzend!

      • @Andreas J:

        Ätzend ist doch die religiöse Dummheit und nicht die Kritik daran.

        • @XBurger:

          Kritik an Religion ist ok. Aber nicht so Empathielos.

          • @Andreas J:

            Verzeihung, ich werds mir merken und das nächste Mal etwas empathischer kritisieren, extra für Sie Andreas J. Mit viel Zuckerguß oben drüber.

            • @Maiskolben:

              Manchmal gibt es keinen Unterschied zwischen fundamentalistischen Atheisten und fundamentalistischen Religiösen in Bezug auf Empathie.

  • Ausländische Feinde sind beteiligt, oder haben wir die Wirtschaftssanktionen gegen Iran schon vergessen, mit denen die USA die Bevölkerung quält und jetzt auch tötet, damit die endlich den Regimewechsel erzwingt? Auch kein Wunder ist, dass der Iran die Grenzen zu China nicht geschlossen hat. Mit China kann Iran wenigstens noch handeln. Also: Gruß nach USA und "Dank" für verbrecherische Politik.

    • @bärin:

      Wirtschaftssanktionen hin oder her. Das Mullahregime hat andere Prioritäten als seine Bürger*innen zu versorgen. Und die Sanktionen betreffen eben nicht alle Wirtschaftsgüter . Die ganzen Kriege, Aufrüstung und Milizen haben Vorrang. Es ist durchsichtig alle Übel dieser Welt auf den US Imperialismus zu schieben.



      Und mit dem Hinweis fürs Beten: Wasser (fürs Volk) predigen und Wein trinken.

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @bärin:

      Die USA hat nichts mit der Verbreitung des Corona-Virus zu tun. Wo genau verläuft die Grenze zwischen Iran und China?

    • @bärin:

      Iran hat keine Grenze zu China

      • @Gunnar Grannis:

        Weiss ich auch. War anders gemeint, aber blöd ausgedrückt. Auch mit Flugzeugen kann man Grenzen überwinden, es muss keine direkte Grenze sein.

    • @bärin:

      Mit Verlaub, was für ein törichter Kommentar. Fliegen Sie in den Iran, reden sie mit den Leuten und bilden Sie sich vor Ort einen Meinung oder natürlich weiterhin in der Gedankenblase verweilen.

      • @Tom Farmer:

        Nicht minder töricht erscheint es mir, die Wirtschaftssanktionen nicht zu berücksichtigen.

        • @bärin:

          Sie machen sich Argumente einer Regierung bestehend aus Extremisten zu eigen. Finde ich nicht so richtig reflektiert.

        • 0G
          06313 (Profil gelöscht)
          @bärin:

          Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Wirtschaftssantionen und der Verbreitung des Virus. Erkennbar daran, dass sich in Europa der Virus verbreitet, obwohl es keine Wirtschsftssanktionen gibt.

        • @bärin:

          Medizinische Güter sind von den Sanktionen explizit ausgenommen.

          Vielleicht liegt es doch ehr daran, dass man den Menschen erzählt das Lesen einer Sure würde gegen den Virus helfen. Schaden wird´s wohl nicht, aber helfen?

        • @bärin:

          Dann wäre jetzt der Zeitpunkt, diese anzusprechen und die Probleme zu beschreiben - nicht "betet, dann passiert euch nichts" zu predigen.