piwik no script img

Coronatest für Hertha im BordellJetzt auch noch Big Puff City Club

Hertha BSC ist der Klub fürs Skurrile. Selbst wenn der Verein sich an seriöse Partner bindet, führt der Weg ins Olympiastadion auch über ein Bordell.

Freie Platzwahl: Bei Hertha schöpft man selbst die begrenzte Zahl von Zuschauern nicht aus Foto: Soeren Stache/dpa

I ch stehe mit meinem noch sehr minderjährigen Sohn in der Bar eines Berliner Bordells in Pankow. Hinter uns steht das kleine Podest mit der Tanzstange und vor uns der groß gewachsene, athletische Puffbetreiber. Letzteres vermute ich zumindest. Nachdem wir diskret den Klingelknopf vor der Tür gedrückt haben, obwohl ein Hinweis dort angebracht ist, dass nur über 18-Jährigen der Zutritt erlaubt ist, hat er uns diskret hereingelassen. Nun klickt er sich auf seinem Computer durch die spärlichen Anmeldungen, und ich denke an die notorisch glücklose Hertha. Den Fußballverein der Hauptstadt meine ich natürlich. Den Big City Club, der uns einerseits hierher geführt hat und andererseits gar nichts dafür kann.

Skurriler und abwegiger könnte man die Glücklosigkeit der Hertha auch gewollt nicht in Szene setzen. Früher, im Zeitalter vor Corona, war das noch so einfach, wenn man zur Hertha wollte. Eintrittskarten bekam man zur Not wie Toilettenpapier noch auf den letzten Drücker. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage war ungemein entspannt. An den Schaltern vor dem Olympiastadion konnte man bis auf ein, zwei Ausnahmen im Jahr zwischen Tausenden von Sitzen sich die besten auswählen.

Doch nun gelten andere Gesetze. Geimpft oder genesen oder getestet muss man sein, um in Berlin ein Fußballspiel im Stadion anschauen zu können. Für die noch nicht zur Impfung zugelassenen Kinder unter 12 Jahren führt der Weg also ausschließlich über einen Coronatest ins Stadion. Und weil Hertha BSC es ganz besonders gut machen möchte, darf man dort nur ins Stadion, wenn man negative Bescheide von Teststellen vorweist, die entweder dem vom Senat geförderten Berliner Institut für Gesundheitsforschung oder der Corona-Warn-App der Bundesregierung angeschlossen sind.

Aber Hertha ist bei seiner Partnerwahl noch nie sonderlich vom Glück verfolgt gewesen. Wir haben uns vor dem Spiel gegen den SC Freiburg einfach für die geografisch nächstliegende Option (Corona-Warn-App-Teststelle) entschieden und stehen nun leicht verspätet im Puff. Zuerst sind wir daran vorbeigefahren, weil wir an der Stelle nicht auf die Hausnummer geachtet hatten. Derjenige, der den Termin zwei Stunden zuvor gebucht hätte, sei gar nicht gekommen, erklärt uns unser nebenberuflicher Coronatester leicht verwundert. Bis um 19 Uhr habe er noch offen, erklärt er. Das andere Geschäft mit den Frauen läuft hier rund um die Uhr. 24 Stunden, das steht auf den geschlossenen Rollläden vor dem Laden.

Weder Schutzkleidung noch Handschuhe

In den so geschäftigen Zeiten bleibt offensichtlich manches auf der Strecke. Der Zuhälter, der uns den Weg zur Hertha ebnen soll, trägt weder Schutzkleidung noch Handschuhe. Das notwendige Testmaterial holt er aus dem Hintergrund des Ladens, öffnet es beiläufig auf dem Weg zu uns und steckt den Tupfer ein, zwei Sekunden in den Mund meines Sohnes. Kein Wunder eigentlich, dass viele der Versuchung von so schnell verdientem Geld nicht widerstehen können.

Mit dem Ergebnis von unserem Puffbesuch passieren wir am Samstag die Kontrollen im Olympiastadion. Die arme Hertha weiß gewiss nicht, dass man mit ihrer Regelung nicht nur die Zahl der staatlichen Corona-Warn-App-Nutzer in die Höhe treibt, sondern auch einem Berliner Bordell neue, noch recht junge Kundschaft zuführt. Wobei dieses Zusammentreffen freilich auch etwas gesellschaftlich Aufklärendes hat.

Hertha hat aber wieder andere Sorgen. Das größte Unglück spielte sich einmal mehr im Stadion bei der 1:2-Heimniederlage gegen den SC Freiburg ab. Ein unglückliches Bild gaben auch die knapp 18.400 Zu­schaue­r:in­nen in diesem großen Stadion ab. Hertha-Geschaftsführer Fredi Bobic macht dennoch Hoffnung, dass bald die Coronabegrenzung von 25.000 Menschen aufgehoben und gar überschritten wird. In einem Pankower Bordell wird man das mit Freude gehört haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • dürfen (sollen) die Mädchen da auch einfach rein?

    Boah ey!

  • Unfassbar!

    Danke für die Groteske.