Berliner Fußballderby Union – Hertha: Beängstigendes volles Haus

Beim Derby zwischen Union Berlin und Hertha BSC werden alle 22.012 Plätze im Stadion An der Alten Försterei vergeben. Das sorgt für Diskussionen.

Blick ins Stadion von Union Berlin

„Stadionauslastung anheben“ auf einem Union-Banner – und auf einmal hört die Politik den Ultras zu Foto: dpa

BERLIN dpa | Diesmal sind Leuchtraketen aus dem Fanblock nicht die größte Sorge. Die Bedrohung ist unsichtbar und doch allen bekannt. Die Entscheidung, trotz Corona-Rekordzahlen ausgerechnet für das brisante Berliner Derby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC wieder die maximale Zuschauerzahl zu erlauben, sorgt in der Hauptstadt für Diskussionen. Experiment? Profit-Gier? Oder endlich wieder reine Fußball-Freude unter bestmöglichen 2G-Regeln? Die Meinungen gehen vor dem Bundesliga-Duell am Samstagabend weit auseinander.

„Es ist schon geil, ein volles Stadion zu haben. Die Stimmung ist geil. Da wird schon was abbrennen. Aber natürlich hat man im Hinterkopf, dass die Zahlen im Moment wieder rasant nach oben gehen“, sprach Herthas Vize-Kapitän Niklas Stark am Mittwoch vom Zwiespalt der Gefühle.

Den spüren auch die Fans: „Es kommt einem komisch vor, richtig komisch“, sagte Hertha-Anhänger Klaus in einem Beitrag des rbb-Inforadios. Er gab damit die Meinung vieler Berliner, egal ob Union-rot oder Hertha-blau, wider. Während an Schulen auch kleine Kinder wieder Masken tragen müssen, sorgt die Vorstellung von 22.012 Fans im engen Stadion An der Alten Försterei für Unbehagen. Die Inzidenz stieg in Berlin am Mittwoch auf 339.

„Unser Ziel bleibt auch weiterhin die Durchführung von Sportveranstaltungen vor Publikum mit möglichst wirksamen Infektionsschutzmaßnahmen“, sagte Unions Geschäftsführer Oskar Kosche. Die Eisernen arbeiteten in der ganzen Pandemie-Zeit immer wieder als Vorreiter an Zuschauerkonzepten. Bei der Hertha heißt es: „Wir freuen uns auf ein Derby vor bestmöglicher und stimmungsvoller Kulisse, ohne dabei die pandemische Lage aus den Augen zu verlieren“, sagte Thomas Herrich als Mitglied der Geschäftsleitung.

Daumem drücken – für alles

Den Segen gab die Politik: „Wir alle sehen die Herausforderungen, vor die uns die vierte Welle stellt. Solidarisches und verantwortungsbewusstes Handeln ist das Gebot der Stunde. Darüber sind sich alle im Klaren. Wir alle wollen ein tolles Derby sehen“, hatte Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki am Dienstagabend erklärt. Fans und Vereine hätten „es in der Hand, das Beste daraus zu machen.“ Das klingt ein bisschen nach Daumen drücken, dass auch alles gut geht.

Nur einmal konnten Fans bislang beim Derby im Stadion sein. Corona machte danach drei Stadt-Duelle in der Bundesliga zu Geisterspielen. Die Erinnerungen an den 2. November 2019 sind dennoch nicht nur positive. Feuerwerkskörper flogen auf den Platz, Pyro-Fackeln brannten in beiden Lagern. Ein Platzsturm nach dem 1:0-Sieg der Eisernen eskalierte auch dank tatkräftiger Hilfe von Union-Schlussmann Rafal Gikiewicz nicht.

„Es ist auf jeden Fall ein Thema, es ist nicht unser Thema, das muss man auch sagen. Wir sind konzentriert auf das Spiel, das müssen wir auch sein“, sagte Stark zum Krawall-Risiko. „Was da passieren wird, weiß man im Vorfeld nicht. Wir dürfen uns nicht ablenken lassen“, forderte der Verteidiger.

Ohne Corona wäre die Sicherheitslage der rivalisierenden Fan-Lager das Top-Thema abseits des sportlichen Geschehens. Die Berliner Polizei bereitet sich jedenfalls auf einen heißen Derby-Samstag vor. Am Donnerstag wird es eine spezielle Lageplanung geben. Die Erfahrungen sind frisch. Erst vor zwei Wochen waren mehr als 2.000 Polizisten im Einsatz, um beim Spiel der Conference League zwischen Union und Feyenoord Rotterdam (1:2) vor allem gewaltbereite Fans aus den Niederlanden unter Kontrolle zu halten.

Ultras boykottieren das Duell

„Alle sind sich ihrer Verantwortung für ein sicheres Fußballspiel bewusst. Die erfahrene Berliner Polizei wird auch dieses Derby eng begleiten“, sagte der Staatssekretär für Inneres, Torsten Akmann. Zumindest im Stadion könnte für Entspannung sorgen, dass die Ultras beider Clubs ihren Arena-Boykott reaktivieren, da durch die 2G-Regeln ungeimpfte Mitglieder ihrer Gruppen ausgeschlossen werden.

Corona wird die Polizei sicher nicht stoppen können. Die Vereine freuen sich aber über die Vollauslastung als wichtiges Zeichen auch in schweren Zeiten und setzen neben den „vorgegebenen klaren Regeln zusätzlich auch auf die Eigenverantwortung der Stadionbesucher“, wie es in einer Union-Mitteilung heißt.

Am Dienstag hatte der Senat die Regeln festgelegt: Rein kommt nur, wer geimpft oder genesen ist. FFP2-Masken sind auf allen Zuwegen zu tragen. Alkohol wird nicht ausgeschenkt. Union und Hertha fordern ihre Fans zusätzlich auf, sich am Spieltag selbst zu testen und auch auf den Plätzen die Masken nicht abzusetzen. Ihre anstehenden Mitgliederversammlungen werden beide Vereine in den kommenden Wochen allerdings als virtuelle Veranstaltungen ohne anwesendes Publikum organisieren.

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