Coronamutation in Österreich: Machtkampf zwischen Tirol und Wien
Wien greift durch und verhängt schärfere Maßnahmen für das Bundesland. Tirol hatte sich heftig gegen die Extrabehandlung gewehrt.
Nirgendwo außerhalb von Südafrika sind so viele Menschen mit der Mutation B.1.351 infiziert. Zwei Drittel davon allein wurden im Bezirk Schwaz ausfindig gemacht, 30 Kilometer östlich der Landeshauptstadt Innsbruck. Schon am Sonntag hatte es daher stundenlange Verhandlungen zwischen dem Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und dem Tiroler Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP) gegeben. Ohne Ergebnis.
Am Wochenende hatte man in Wien auch eine komplette Quarantäne über das Bundesland in den Raum gestellt. Der südafrikanische Mutant gilt nicht nur als ansteckender als das gängige Virus. Er soll auch weniger stark durch die bisher vorhandenen Vakzine ausgebremst werden.
Tirol dürfe nicht zum Sündenbock gemacht werden, hatten am Wochenende viele vom Seilbahnbetreiber bis zum Direktor der Tiroler Wirtschaftskammer Christoph Walser protestiert. Der drohte in einem Fernsehinterview am Sonntag: „Wenn morgen ansatzweise aus dem Gesundheitsministerium etwas kommen sollte, dann werden's uns am Montag richtig kennenlernen.“ Worin dieses Kennenlernen bestehen solle, präzisierte er nicht.
Dabei hantierte er auch mit falschen Zahlen. Lediglich 165 Ansteckungsfälle gebe es im Land, und die seien unter Kontrolle. Offiziell ist hingegen von 293 bestätigten Fällen von B.1.351 die Rede. Da die Sequenzierungen in Wien gemacht werden müssen, muss man mit Verzögerungen bei der Ausforschung des Mutanten rechnen.
Tricksereien in Ischgl
Der gelernte Konsenspolitiker Anschober, der als Gesundheitsminister gegenüber dem Landeshauptmann weisungsberechtigt ist, hatte zunächst auf die Keule aus Wien verzichtet, als Platter verkündete, Tirol würde am Montag dieselben Lockerungsschritte vollziehen wie der Rest der Republik. Mit einer 7-Tages-Inzidenz von 99,7 liege Tirol unter dem Österreich-Schnitt von 105, so das Argument.
In einer Art Notwehrakt verhängte Anschober gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag zunächst eine Reisewarnung für Tirol. Rechtlich war sie aber bedeutungslos. Tirols ÖVP-Wirtschaftsbundspräsident Franz Hörl sieht in der Reisewarnung nicht mehr als einen „Rülpser aus Wien“.
Der Aufstand des Bergvolkes erinnert an die Ereignisse vom vergangenen März, als Hoteliers gegenüber ihren Gästen behauptet hatten, es gäbe im Ort keine Coronafälle und sich dann von Ischgl und St. Anton Tausende Urlauber mit dem Virus im Körper über ganz Europa verteilten. Die Behörden hätten „alles richtig gemacht“, wie der Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) damals beharrlich behauptet hatte, wurde zum geflügelten Wort.
Auch während des jüngsten Lockdowns zeigten sich Hoteliers, Liftbetreiber und Urlauber erfinderisch. Bei einer Razzia in St. Anton am Arlberg und im Stanzertal hatte die Polizei Ende Januar Deutsche, Briten, Dänen, Polen und Australier entdeckt. Viele waren über die Schweiz eingereist, manche gaben sich als Geschäftsreisende aus, die sich von der Familie begleiten ließen, andere deklarierten sich als arbeitssuchend und meldeten in einer Pension einen Zweitwohnsitz an.
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