Coronamaßnahmen in der EU: Herumdrucksen auf dem Gipfel
Die EU-Länder wollen vorerst keine Lockerungen von Coronamaßnahmen. Vor drängenden Fragen wie der Impfstrategie drückt man sich allerdings.
„Die epidemiologische Lage bleibt ernst“, heißt es in einem Entwurf für den virtuellen Krisengipfel, der der taz vorliegt. Neue Virusmutationen wie die mittlerweile europaweit verbreitete „britische Variante“ stellten die EU vor zusätzliche Herausforderungen. „Wir müssen daher strenge Beschränkungen beibehalten und gleichzeitig die Bemühungen erhöhen, die Versorgung mit Impfstoffen zu beschleunigen“, betont die Beschlussvorlage.
Kritik an der schleppenden Impfstoffbeschaffung findet sich in dem Text nicht. Dabei ist die EU bei den Impfungen hinter Israel, die USA oder Großbritannien zurückgefallen. Am Donnerstag räumte auch Außenminister Heiko Maas (SPD) Fehler ein. „Die Beschaffung der Impfstoffe hätte besser laufen können“, sagte er. Die EU müsse nun versuchen, „aus Fehlern für die Zukunft zu lernen“.
Doch an der gemeinsamen Beschaffung von Vakzinen wird ebenso wenig gerüttelt wie an der Rolle der EU-Kommission. Im Gegenteil: Die Brüsseler Behörde wird beauftragt, einen Plan für eine „Gesundheitsunion“ auszuarbeiten. Zudem soll Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) bis Juni einen Bericht über mögliche Lehren aus der Coronakrise vorlegen. Von der Leyen war wegen des „Impfdebakels“ selbst in die Schusslinie geraten.
Eine Beschlussvorlage mit Lücken
Auch bei den umstrittenen nationalen Grenzkontrollen zeichnet sich keine Änderung ab. Die EU-Kommission hatte Deutschland und fünf weitere Länder ermahnt, sich an die gemeinsamen Regeln zu halten und die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Im Gipfelentwurf ist nur noch die Rede davon, dass „der Fluss von Waren und Dienstleistungen innerhalb des Binnenmarktes gewährleistet“ werden müsse.
Zum Binnenmarkt gehört auch die Freizügigkeit der Bürger – sie wird allerdings nicht erwähnt. Offenbar hat sich hier Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzt. Die Bundesregierung hatte Kritik aus Österreich an den Beschränkungen an der Grenze zu Tirol vehement zurückgewiesen. Zudem hat sie in den letzten Tagen großen Druck auf Frankreich ausgeübt, wo sich in einigen Regionen neue Virusvarianten ausbreiten. Offenbar erfolgreich: Die Regierung in Paris kündigte noch vor Beginn des Videogipfels an, die Kontrollen an der deutschen Grenze zur französischen Region Moselle zu verstärken. Frankreichs Regierungschef Emmanuel Macron will neue Grenzschließungen unbedingt vermeiden. Zu Beginn der Coronakrise hatten sie zu Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich geführt; auch damals war Berlin vorgeprescht.
Eine Perspektive für künftige Lockerungen oder gar eine gemeinsame Strategie für die Osterfeiertage oder den Sommerurlaub sucht man in der Beschlussvorlage vergeblich.
Österreich, Griechenland und Bulgarien plädierten vor Beginn der Videokonferenz für einen „Grünen Pass“ nach israelischem Vorbild. Andere EU-Staaten – darunter Deutschland – traten jedoch auf die Bremse. Die Debatte sei „verfrüht“, hieß es. Die Gipfelerklärung bleibt denn auch vage: „Wir rufen dazu auf, die Arbeit zu gemeinsamen Impfzertifikaten fortzusetzen, und werden auf das Thema zurückkommen“ – das war’s. Die EU vertröstet die Bürger auf den nächsten Gipfel.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?