Coronainfektion des US-Präsidenten: In Trumps Dunstkreis
Mehrere Personen aus Trumps Umfeld haben sich mit dem Virus angesteckt. Zu seiner Erkrankung gibt es von Ärzten widersprüchliche Aussagen.
Über den Gesundheitszustand des Präsidenten gab es am Samstag, am 3. Oktober, in Washington zunächst widersprüchliche Meldungen. Während sein Stabschef Mark Meadows sagte, dass Trump durch eine „sehr besorgniserregende Periode“ gegangen sei, und warnte, die beiden kommenden Tage „werden entscheidend“, versuchte Trumps Arzt Sean Conley Optimismus zu verbreiten. Er sei „extrem zufrieden“ mit den Fortschritten seines Patienten, sagte Conley bei einer Pressekonferenz vor einer Kulisse von neun Kolleg:innen.
Auf die Frage, ob Trump Sauerstoff bekommen habe, antwortete er mehrfach ausweichend: „Hier hat er keinen zusätzlichen Sauerstoff erhalten.“ Wenig später berichtete die Agentur AP, dass Trump am Freitag im Weißen Haus Sauerstoff bekommen habe.
Kurz nach der Pressekonferenz musste Arzt Conley auch einen Teil seiner Zeitangaben über den Krankheitsverlauf von Trump korrigieren. Der Arzt hatte am Samstagvormittag gesagt, „nur 72 Stunden nach der Diagnose“ sei der Patient fieberfrei. Ein anderer behandelnder Arzt, der Lungenspezialist Brian Garribaldi, erklärte bei derselben Pressekonferenz, dass Trump „vor ungefähr 48 Stunden“ eine experimentelle Antikörperbehandlung bekommen habe.
Hat Trump mutwillig das Virus verbreitet?
Zuvor hatte die offizielle Darstellung des Weißen Hauses gelautet, Trump habe sein positives Testergebnis erst in der Nacht zu Freitag, 2. Oktober, erhalten. Die Aussagen der beiden Ärzte deuten jedoch an, dass Trump schon am Donnerstag wusste, dass er coronapositiv war. An diesem Tag traf er Spender:innen in New Jersey – und hätte damit die Ansteckung seiner mitreisenden Personen und seiner meist älteren Spender:innen mutwillig in Kauf genommen.
Wenige Stunden nach der Pressekonferenz legte Trumps Arzt Conley den Rückwärtsgang ein. „Heute Vormittag habe ich unkorrekt von 72 Stunden gesprochen“, schrieb er in einem Kommuniqué, „aber ich hätte Tag zwei der polyklonalen Antikörpertherapie sagen müssen“. Gegenüber CNN korrigierte der Hersteller des experimentellen Präparates später, dass es sich tatsächlich um eine „monoklonale“ Antikörpertherapie handelt. Außerdem soll der Patient bis Samstag zwei Dosen des Arzeimittels Remdesivir erhalten haben.
Trump hatte am Freitag Fieber, die exakte Höhe wollten die Ärzte jedoch nicht nennen. Am Samstag war er nach Angaben der Ärzte seit über 24 Stunden fieberfrei. Die Sauerstoffsättigung in seinem Blut lag bei „ungefähr 96 Prozent“, so Conley. Die meisten konkreten Fragen ließ der Arzt aber offen: Wie lange Trump im Krankenhaus bleiben wird, ob es Anzeichen für bleibende Schäden gibt und wann Trumps letzter negativer Covidtest war.
Versöhnlicher Ton
Trump selbst meldete sich am Samstagnachmittag mit einem kurzen Video zu Wort. Darin saß er mit zerzauster Frisur und müdem Gesichtsausdruck vor einer Schrankwand und den US- und Präsident-Fahnen. In ungewohnt versöhnlichen Worten lobte der US-Präsident die Ärzte und Pfleger:innen und ihre „Wunder-Therapeutik“ und beschrieb sich selbst als einen von Millionen Covidpatient:innen.
Er vermied das Wort „China-Virus“, mit dem er sonst das Virus bezeichnet, und hetzte kein einziges Mal – weder gegen die Medien noch gegen die Opposition. Stattdessen freute er sich über einen „wunderbaren“ und „beinahe parteiübergreifenden Konsens“ und dankte ausdrücklich internationalen Politiker:innen für ihre Anteilnahme. In vorsichtigem Ton sagte er auch: „Ich beginne – mich gut zu fühlen.“ Der 74-Jährige fügte aber hinzu, dass sich erst in den nächsten Tagen herausstellen werde, wie es tatsächlich für ihn läuft.
Die Fäden zu der Serieninfektion in republikanischen Kreisen laufen im Weißen Haus zusammen. Am Samstag kristallisierte sich heraus, dass ein Ereignis im Rosengarten, das der Präsident eine Woche zuvor organisiert hatte, möglicherweise der Moment war, in dem sich das Virus ausbreitete. An dem Tag hatte Trump seinen engen politischen Kreis im Rosengarten zusammengerufen, um seine Kandidatin für das Oberste Gericht vorzustellen, die erzkonservative Richterin Amy Coney Barrett.
Wie bei Trump-Veranstaltungen üblich wurden dabei die Sicherheitsregeln in der Pandemie ignoriert. Die Teilnehmer:innen saßen dicht zusammen, berührten und umarmten sich und fast niemand trug eine Maske. Eine Woche später wurden zahlreiche Anwesende positiv getestet.
Unter ihnen waren bis Samstag neben Trump und seiner Frau, sein Kampagnenmanager Bill Stepien, die Chefin der Republikanischen Partei Ronna McDaniel, seine ehemalige Mitarbeiterin Kellyanne Conway, seine Beraterin Hope Hicks, sein persönlicher Sekretär Nick Luna, die beiden republikanischen Senatoren Mike Lee und Thom Tillis, und der Präsident der katholischen Universität Notre Dame John Jenkins.
Republikaner:innen mit Virus angesteckt
Manche Teilnehmer:innen, die ungeschützt bei der Nominierungsveranstaltung waren, haben sich jetzt in Quarantäne begeben. Andere, darunter Justizminister William Barr, der bei einer Umarmung mit der Covidpositiven Conway gefilmt wurde, will seinen Alltag unverändert fortsetzen.
Am Samstag wurde auch der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, positiv getestet und ging in ein Krankenhaus. Er ist – wie der Präsident – übergewichtig, hat zusätzlich Asthma und gehört damit zur Risikogruppe. Christie ist einer der Männer, mit denen Trump für die TV-Debatte mit dem demokratischen Gegenkandidaten Joe Biden vor fünf Tagen geübt hatte, bei der er eineinhalb Stunden lang schrie, feixte und sein Gegenüber unterbrach.
Sein zweiter Debattentrainer, der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Trumps „privater“ Anwalt, Rudy Giuliani, ließ sich am Freitag ebenfalls testen – mit negativem Ergebnis. Ebenfalls negativ ist das Testergebnis von Biden. Unbekannt war bei Redaktionsschluss, wie es Trumps Kandidatin für das Oberste Gericht geht, die während der Zeremonie ein paar Schritt von dem Präsidenten entfernt stand und nach ihm in dasselbe Mikrofon sprach.
Der Beginn ihrer Bestätigungsanhörungen im Senat ist wegen der Seriencovidinfektion – von der auch ein dritter republikanischer Senator betroffen ist – um mehrere Tage verschoben worden. Weil ihm ohne die drei Senatoren die nötige Mehrheit fehlt, verschob der republikanische Senatschef Mitch McConnell den Beginn auf den 19. Oktober. In einem Brief an seine Kolleg:innen schrieb er: „Wir brauchen dann alle republikanischen Senatoren gesund zurück“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert