Corona und die Kultur in Berlin: Was für eine Logik!
Theater müssen wegen Corona geschlossen bleiben, Museen dürfen öffnen: Wer soll das verstehen? Es muss ein Lockdown her, der diesen Namen verdient.
E in Freund von mir jobbt in einem Berliner Museum. Bei einem, das jetzt wieder geöffnet hat. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden sich seit der Wiedereröffnung reihenweise krank melden, wahrscheinlich aus Angst vor Corona, hat er mir erzählt. Und neulich habe man an einem Tag gerade mal einen einzigen Besucher begrüßen dürfen. Einen! Einzigen! Die Losung des Senats “Museen und Galerien dürfen wieder öffnen – kommt alle!“ scheint noch keinen Kulturrausch in der Stadt ausgelöst zu haben.
Vielleicht auch, weil die Leute keine Lust darauf haben, Teil eines gespielten Witzes zu sein. Theater müssen wegen Corona geschlossen bleiben, Museen aber dürfen öffnen: Wer soll diese Logik verstehen? Bei Einhaltung diverser Hygiene- und Testregeln dürfte das Museum wohl kaum ein für die Gesundheit ungefährlicherer Ort sein als das Theater. Die Botschaft “Museum okay, Theater nicht okay“ versteht also kein Mensch, weswegen man sich vielleicht auch zwei Mal überlegt, ob man nun wirklich ganz dringend mal wieder eine Galerie besuchen muss. Weil: Vielleicht ist es dort ja doch so unsicher, wie es das angeblich im Theater ist!?
Worauf ich eigentlich hinaus will: Es wird langsam Zeit für nachvollziehbare, logische und vor allem einheitliche Öffnungs- sowie Lockdownregelungen. Shoppen darf ich wieder, aber nicht ins Kino? Warum? Wahrscheinlich kann ich gerade deswegen nicht ins Kino, weil ich wieder shoppen gehen darf. Der Senat will schließlich öffnen, also ein wenig ins Risiko gehen, aber bloß nicht zu viel. Deswegen wird nach dem Gießkannenprinzip, aber doch auch unter Berücksichtigung der Prioritäten diverser Lobbygruppen geöffnet oder eben nicht.
Aber bevor das jetzt alles so klingt, als forderte ich noch viel mehr Öffnungen, als es bereits gibt: im Gegenteil. Ich bin Karl-Lauterbach-Ultra, und als solcher glaube ich dem Meister, der sagt: Es ist gerade nicht die Zeit, um über weitere Öffnungsstrategien nachzudenken, sondern es muss ein Lockdown her, der diesen Namen ausnahmsweise auch mal wirklich verdient. Außerdem sehe ich ja die Inzidenzzahlen. Und die gehen auch in Berlin stetig nach oben. Deswegen: dritte Welle unbedingt brechen und sich alles Weitere von Lauterbach erklären lassen. Das ist meine Meinung.
Langsam und mit Bedacht
Und danach, wenn man ein wenig Zeit gewonnen hat, die Impfungen weiter fortgeschritten sind und das Elend mit den Datenschutzproblemen bei der Luca-App geklärt ist, fährt man den Laden halt wieder hoch. Endgültig und für immer und ewig. Langsam und mit Bedacht, aber doch so, dass man nicht wieder nach seinem Okay fürs Shoppen Halt macht und die Kinos geschlossen hält.
Falls nun tatsächlich die “Bundesnotbremse“ kommt und Öffnungen eh nur unter einer Inzidenz von 100 erlaubt sind, wird es die große Wiederkehr der Kultur so schnell sicherlich nicht geben. Und das sag ich, obwohl Karl Lauterbach ein Fürsprecher der Entmachtung der Landesregierungen ist. Aber die geplanten Regeln verheißen einen Dauerzustand aus wechselnden Lockdowns und Öffnungen, weil sich alles nur noch um die Zahl 100 drehen wird. Und das kann ja wohl auch niemand wollen.
Also lieber noch einmal richtig runter mit den Inzidenzwerten, dann aber rein ins große Glück. Paul von Dyk, die Berliner Clubcommission, Theaterintendanten: Sie alle fordern gerade, endlich wieder mehr Kultur zuzulassen.
Und sie haben Recht mit ihrem Begehr. Natürlich wollen wir möglichst bald wieder öffnen, aber erst sollte noch einmal alles geschlossen werden. Besser fände ich es aber, wenn sich alle jetzt noch ein wenig gedulden würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“