Corona und Unterricht: Plan B für die Schulen
Der Sommer muss für Konzepte nach den Schulferien genutzt werden. In der Debatte über Freiheiten für Geimpfte werden Kinder völlig ausgeblendet.
E s fühlt sich an wie ein Déjà-vu: Der Sommer ist lauschig, die bundesweite Inzidenz niedrig und Schüler:innen und Lehrer:innen genießen die Sommerferien. Folgt wie im vergangenen Jahr die böse Pointe? Im September zunächst volle Klassenzimmer und ab Dezember Geisterschulen und monatelanger Fernunterricht? Es gibt leider beunruhigende Anzeichen, dass es so kommen könnte. Die Inzidenz steigt langsam, aber stetig, bei sinkendem Impftempo. Und die Bildungsminister:innen haben keinen Plan B für den Fall einer vierten Welle, sondern setzen wie 2020 auf das Prinzip Hoffnung: „Wird schon nicht so schlimm.“
Dabei müssten sie sich dringend Gedanken machen. Luftfilter in allen Räumen wären eine Maßnahme. Das dauert allerdings, wenn diese, wie gefordert, fachmännisch aufgestellt werden sollen. Noch wichtiger wäre es, heute schon Entlastung zu organisieren. Etwa zusätzliches Personal anzuwerben, damit die zum größten Teil wohl ungeimpften Schüler:innen nach ihrer Rückkehr aus den jeweiligen Hochrisikoferiengebieten nicht wieder dicht an dicht sitzen müssen.
Warum nicht die Künstler:innen und Veranstalter:innen, die jetzt in Testcentern und Impfzentren jobben, tariflich entlohnt an die Schulen holen? Kulturelle Bildung wurde während der vergangenen Lockdownmonate ohnehin fast komplett ignoriert. Zur Entlastung würde auch gehören, die Lehrpläne und Leistungsvorgaben kritisch zu durchforsten. Auf viele Klassenarbeiten und Tests in Präsenz kann man verzichten und die Schüler:innen stattdessen lieber in Kleingruppen an Projekten arbeiten lassen.
Doch die wichtigste Bedingung für geöffnete Schulen bleiben niedrige Infektionszahlen. In die etwas stotternde Impfkampagne muss wieder Schwung kommen. Trotz der Zurückhaltung der Stiko gegenüber Impfungen für Minderjährige, die sich auf mangelnde Daten beruft, sollten auch Jugendliche ein Impfangebot erhalten, am besten in ihren Schulen.
Ohnehin werden Kinder und Jugendliche in der Debatte über Freiheiten für Geimpfte gerade völlig ausgeblendet. Wer diese führt, muss auch sicherstellen, dass alle, und zwar unabhängig vom Alter, einen Schlüssel zur Freiheit, sprich einen Impfnachweis, erhalten können.
Doch wie Israel und Großbritannien zeigen, schützt auch eine hohe Impfquote nicht vor steigenden Inzidenzen, wenn Abstandsregeln und Maskenpflicht plötzlich nicht mehr gelten. Diese Vorsichtsmaßnahmen müssen weiter sein – im Interesse der Ungeimpften, aus Solidarität mit den Jungen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen