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Corona in IndienLockerungen geplant

In vielen Teilen Indiens gelten seit Ende März Ausgangsbeschränkungen. Das soll sich ab Juni trotz steigender Infektionszahlen ändern.

WanderarbeiterInnen warten in Mumbai, um in ihre Heimatregionen fahren zu können Foto: Rajanish Kakade/ap

Mumbai taz | Am Samstagabend bekommt Archana die Nachricht auf ihr Handy geschickt: Der Lockdown wird in Indien erneut verlängert. Die Mitte Zwanzigjährige ist nicht überrascht, denn es ist bereits das vierte Mal. „Wenn die Lage so ernst ist, muss die Regierung Maßnahmen ergreifen“, sagt sie. Doch auch für sie es eine große Hausforderung.

Die Bibliothekarin lebt in einem Vorort der Millionenstadt Mumbai. Seit dem Lockdown Ende März war sie nicht mehr in der Arbeit. Seither verbringt sie jeden Tag mit der Großfamilie in einer 20 Quadratmeter großen Wohnung. Spannungen sind unvermeidlich. An die Beschränkungen hält sie sich dennoch.

Aber nicht jeder ist so geduldig wie die Bibliothekarin Archana. Wie die meisten InderInnen hat sie gravierende finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen. Dennoch bekommt sie über die Hälfte ihres Gehalts ausgezahlt, da sie für eine städtische Einrichtung arbeitet. Die Mehrheit der InderInnen, die im informellen Sektor beschäftigt sind, erhält diesen nicht. Wer seine Anstellung während oder mit dem Lockdown verloren hat, hat meist auch kein Einkommen mehr.

Um so müder sind viele von den kurzfristigen Verlängerungen der Ausgangsbeschränkungen, die der Wirtschaft einen harten Schlag versetzt haben. Inzwischen laufen einige Industrien wieder mit reduziertem Personal, doch zum ersten Mal seit 1979 schrumpft die Wirtschaft in Indien, was dem Land noch länger Sorgen bereiten wird.

Kritiker sehen Lockdown als gescheitert an

Kritische Stimmen wie die des Oppositionspolitikers Rahul Gandhi sehen den Lockdown als gescheitert an, da trotz der Maßnahmen, die Coronainfektionen weiter steigen und über 180.000 erreicht haben. Die Regierung betont dagegen, dass sie Hunderttausende Leben retten konnte. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen. Doch vielerorts zeichnet sich ab, dass sich immer weniger Menschen an die Beschränkungen halten.

Ebenfalls am Samstag kündigte Innenmister Shah seinen Öffnungsplan „Unlock 1“ an, der sich ab dem 8. Juni konkretisiert: Religiöse Einrichtungen, Restaurants und Einkaufszentren sollen wieder öffnen dürfen. Schulen folgen voraussichtlich im Juli und erst danach werden U-Bahnen wieder in Betrieb genommen.

Der Lungenarzt Randeep Guleria, der Indiens Covid-19 Expertenteams angehört, rät im Interview mit dem Sender NDTV, übermütiges Verhalten zu vermeiden, vor allem in Brennpunkten, zu denen auch die Hauptstadt Delhi gehört. Zu Hause zu bleiben sei derzeit das Sicherste.

Mumbai stark betroffen

In Indien wurden bisher über 3,7 Millionen Covid-19-Tests durch geführt. Zuletzt lag die Testrate bei 125.000 Proben am Tag. In den vergangenen Wochen haben sich die Großstädte geleert. Tausende Arbeitsmigranten verließen die vom neuen Coronavirus besonders geplagten Orte. Das gibt Kommunen (wie auch Mumbai) Hoffnung, mit der Krise leichter fertig zu werden, aber auf dem Land beginnt der Kampf gegen Corona gerade erst.

Bundesstaaten wie das südindische Kerala, die die Verbreitung des neuen Coronavirus besonders wirksam eingedämmt haben, kämpfen jetzt gegen eine zweite Welle.

In Mumbai, das mit über 38.0000 Fällen eine der höchsten Corona-Infektionsraten im Land aufweist, werden diese Schritte nur langsam folgen. Was sich genau für Archana und ihre Familie ändern wird, weiß sie noch nicht. Jeder Bundesstaat setzt die Empfehlung der Regierung in Delhi anders um. Das wirkliche Leben wird erst wieder nach Mumbai zurückkehren, wenn die S-Bahn wieder rollt. Doch das kann noch dauern.

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